Influencer Marketing 04.02.2020, 08:45 Uhr

Wenn die KI die passenden Influencer sucht

Künstliche Intelligenz könnte das Influencer Marketing massiv verändern. Die soeben gegründete Agentur Foxymatch arbeitet mit einem neuartigen Ansatz.
Jakob Kiender, CEO von Foxymatch und Gründer des Beauty-Abo-Dienstes Foxybox
(Quelle: Foxymatch)
Die Gründer des Beauty-Abos "Foxybox“ arbeiten mit einem neuartigen Ansatz im Influencer Marketing. Statt nach einem Influencer zu suchen, der am besten zu einer Marke passt, gehen sie von der Zielgruppe aus. Sie begeben sich auf die Suche, für welche Influencer sich ihre Kunden so interessieren. Dann schliessen sie mit diesen Influencern Verträge. Der ­Ansatz basiert auf einer Analyse der Kundendaten, ist KI-gestützt  (Künstliche ­Intelligenz) und könnte die Branche massiv verändern.
Ein Gespräch mit Jakob ­Kiender, CEO von Foxymatch, über gekaufte Follower, bunte Agentur-Präsentationen und die Bedeutung von Daten.
Herr Kiender, Sie haben im November Foxymatch gestartet, ein KI-basiertes Matching-Tool, das den Anspruch hat, für jede Zielgruppe die richtigen Influencer zu finden. Wie kam es zu dieser Idee?
Jakob Kiender: Aus ganz egoistischen Gründen. Wir hatten für die Foxybox, ­unsere Beauty-Box, die wir einmal im ­Monat versenden, alle normalen Marketing-Kanäle analysiert. Wir haben bei ­Facebook und bei Google Werbung ­geschaltet und auch Influencer Marketing getestet. Wir haben uns hundert Influencer rausgesucht und an sie die Foxybox ­geschickt. Von aussen betrachtet, hatten ­alle diese Influencer ein ähnliches Profil. Sie waren weiblich, hatten eine weibliche Zielgruppe und waren zwischen 18 und 30 Jahre jung. Von diesen hundert Influencern haben aber nur ungefähr 15 hervorragend performt, der Rest nicht. Es gab ­also extreme Unterschiede, was von aussen überhaupt nicht zu erahnen war. Wir haben uns deshalb gefragt, warum "lisa123“ hervorragend funktioniert, es aber mit "laura123“ überhaupt nicht klappt.
Haben Sie diese Influencer selbst identifiziert?
Kiender: Ja, das haben wir selbst gemacht.
Wie sind Sie bei der Auswahl vorgegangen?
Kiender: Erst einmal haben wir die Instagram Feeds analysiert und uns angesehen, mit welchen Marken und Beauty-Brands die Influencer bereits gearbeitet und wie viele Follower sie haben. Wir haben also alles von Hand selektiert. Im Ergebnis hatten wir Influencer, bei denen 200.000 User unsere Story gesehen haben, die aber nur zwölf Abos verkauft haben. Andere Influencer hatten 10.000 YouTube-Views, was eigentlich nichts ist, aber damit 200 Abos verkauft! Das ist eine Conversion Rate, die besser ist als in manchem Online Shop. Wir waren sicher: Diese grossen Unterschiede können kein Zufall sein. 

"Viele Influencer haben gekaufte Follower"

Vielleicht wäre Ihnen das erspart geblieben, wenn Sie mit einer professionellen Influencer-Marketing-Agentur eine Vorselektion vorgenommen hätten?
Kiender: Wir kennen diese Präsentationen zur Genüge. Das sind viele bunte Bildchen auf Power-Point, aber keine substanziellen Aussagen darüber, wer wie warum performt. Wir haben uns deshalb von ­allen Influencern, mit denen wir zum Start ­gearbeitet haben, die Insights schicken lassen. Wir haben sie komplett gescannt und ihre Zielgruppen genau analysiert. Dabei haben wir gesehen, dass viele Influencer gekaufte Follower haben, also beispielsweise 70 Prozent der Follower aus Indien und Brasilien kommen - damit sind Streuverluste vorprogrammiert. Und wir haben mit Plattformen zusammengearbeitet, bei denen man angeben kann, welche ­Audience man erreichen will. Dort kann man zum Beispiel gezielt eine Influencerin suchen, die mindestens 70 Prozent weibliche Follower hat - davon die Hälfte aus Deutschland -, und die an Beauty und Fashion interessiert ist. Mit all diesen ­Daten haben wir unsere Kampagnen nach und nach angepasst und festgestellt, dass sie immer besser funktionieren.
Quelle: BVDW / Kantar TNS
Sie haben also nach den Influencern gesucht, die den besten Draht zu Ihrer Zielgruppe haben.
Kiender: Eigentlich umgekehrt. Wir ­haben versucht zu analysieren, welchen Influencern unsere Zielgruppe folgt. Dabei wussten wir anfangs gar nicht, wer unsere Zielgruppe ist, denn die Foxybox war ein völlig neues Produkt. Wir wussten nicht ­genau: Ist die Foxybox eher für Frauen zwischen 18 und 25 Jahren oder eher zwischen 35 und 45? 
Facebook bietet seinen Kunden an, eine sogenannte Lookalike Audience zu finden. Also mit der Kampagne Personen anzusprechen, die den Kunden ähnlich sind, die bei einem schon einmal gekauft haben.
Kiender: Leider gibt es so was im Influencer Marketing nicht. Deshalb habe ich mit einigen Entwicklern gesprochen und ­gefragt, ob es die Möglichkeit gibt, Bestandskundendaten von Unternehmen in ein von Künstlicher Intelligenz gesteuertes Tool zu integrieren und dann eine Auswertung zu erhalten, die die Zielgruppe genau beschreibt. Denn diese Daten wollten wir dazu nutzen, um für Influencer-Marketing-Kampagnen eine Audience zu finden, die diesen Bestandskunden am ähnlichsten ist. Das war ein relativ grosser Programmieraufwand, aber machbar. 

"Eher wie auf dem Basar, nicht datengetrieben"

Sie sind jetzt mit diesem KI-gestützten Influencer-Marketing-Konzept gestartet und ­haben auch schon ein paar Kunden, die aber nicht genannt werden wollen. Warum nicht?
Kiender: Weil viele dieser Kunden noch Verträge mit herkömmlichen Influencer-Marketing-Agenturen haben. Wir setzen derzeit auch mit ein paar grösseren Unternehmen aus der Fashion- und Beauty-­Szene Pilotprojekte um. 
Wie viele Daten braucht man für eine zielgerichtete Influencer-Kampagne?
Kiender: Ab 100.000 Datensätzen wird es interessant. Grundsätzlich aber gilt: je mehr Daten, desto besser. 
Die Fülle der Daten ist also die Grundlage dafür, die genau passenden Influencer für eine bestimmte Kundengruppe zu finden?
Kiender: Genau. Mit den Daten könnte ein Unternehmen wie Douglas beispielsweise auch Influencer selektieren, die Kunden-Zielgruppen nur im ländlichen Raum, ­also ausserhalb der Grossstädte, ansprechen. Dabei arbeiten wir plattformübergreifend. Wenn ein Unternehmen beispielsweise nur 15-jährige Teenager ansprechen will, wird uns die KI vorschlagen, nicht auf ­Instagram, sondern auf TikTok zu gehen.
Quelle: BVDW / Kantar TNS
Der Ansatz von Foxymatch ist von aussen betrachtet kein anderer als der von anderen Influencer-Marketing-Agenturen. Das Versprechen lautet in beiden Fällen: Ich finde für Euer Produkt und für Eure Marke die richtigen Influencer.
Kiender: Der Unterschied ist: Wenn uns ein Unternehmen fragt, wie wir die Influencer finden, antworten wir: mit Daten. Wir suchen nicht die Influencer, sondern die perfekte Audience und setzen darauf die Influencer, die diese Audience bespielen. Wenn Du heute bei einer Agentur anrufst, heisst es: Wie haben da noch die Jacqueline, das ist eine Super Influencerin, die verkauft dir alles. Das ist also eher wie auf dem Basar und nicht datengetrieben.

"Normale Agenturen haben ein paar Dutzend Influencer" 

Ist dieser Ansatz unique?
Kiender: Ja. Es gibt Plattformen, bei denen ich nach Influencern suchen kann, die bestimmte Audiences bespielen. Dafür aber muss man seine Zielgruppe genau kennen. Gerade grosse Unternehmen kennen ihre Zielgruppe aber nicht genau. Sie sprechen davon, Frauen zwischen 25 und 35 Jahren erreichen zu wollen, die Beauty-­affin sind. Das ist viel zu schwammig. Wenn wir Daten haben und das Nutzerverhalten der Kunden kennen, können wir viel zielgerichteter auf die Audience eingehen.
Wie reagieren die etablierten Influencer-Marketing-Agenturen auf Ihren Ansatz?
Kiender: Manche haben uns Kooperationen angeboten. 
Ist es eigentlich üblich, dass Influencer ihr Konto mit gekauften Follower-Zahlen aufbauschen?
Kiender: Ja. In letzter Zeit wird ja viel ­darüber gesprochen, dass Influencer Marketing nicht mehr richtig funktioniert. Das kann ich nicht unterschreiben. Nur: Vor fünf Jahren haben die Influencer noch ­keine Follower gekauft, das war alles transparenter. Die Influencer von heute kommen immer noch gut an, nur muss man bei den Erwartungen Abstriche machen. 
Glauben Sie, dass Ihr Ansatz den Markt der Influencer-Marketing-Agenturen durchrütteln wird?
Kiender: Definitiv. Normale Agenturen können auf ein paar Dutzend Influencer zugreifen, aber das ist viel zu wenig. Es gibt 900 Millionen Instagram-Nutzer und wir können auf alle zugreifen. Wenn uns ein Unternehmen sagt: Unsere Kunden kommen aus Deutschland, wir wollen aber künftig an Kunden in der Türkei verkaufen, ist das für uns kein Problem. Dann werten wir das Nutzerverhalten der deutschen Kunden aus und können daraus ­ableiten, wen wir in der Türkei ansprechen wollen. Wenn eine herkömmliche Influencer-Marketing-Agentur diesen Job hat, sagen die einem: Wir haben 30 Influencer unter Vertrag, wir suchen euch davon welche aus.




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