Software-Roboter 11.07.2019, 12:01 Uhr

Wie Intelligent Automation Prozesse effizient macht

Spezielle Plattformen und künstliche Intelligenz erweitern die Möglichkeiten der Automatisierung. Neben einfachen Aufgaben mittels RPA lassen sich auch ganze Geschäftsprozesse damit bewältigen.
(Quelle: NicoElNino / shutterstock.com)
Adressänderungen, Zählerstandsmeldungen, Schadensberichte - solche und ähnliche Routinefälle beschäftigen die Mitarbeiter im Kundenservice oft viele Stunden am Tag und binden dabei wertvolle Personalressourcen. Robotic Process Automation (RPA) soll hier Abhilfe schaffen. Software-Roboter übernehmen die Datenverarbeitung und entlasten so die Angestellten. «RPA ist für die Automatisierung einzelner, einfacher und sich häufig wiederholender Teilaufgaben geeignet», erklärt Daniel Schmidt die Einsatzmöglichkeiten. Er ist Senior Product Marketing Manager beim Automatisierungsspezialisten Kofax.
Meistens nur teilautomatisiert: Lediglich in knapp jedem zehnten Unternehmen gibt es vollständig automatisierte Prozesse
Quelle: Forbes (2019), n =302
RPA-Lösungen sind vor allem in den Branchen Finanzdienstleistungen, Energieversorgung, Telekommunikation und Einzelhandel bereits weit verbreitet. Laut einer aktuellen Umfrage des Analystenhauses IDC unter 305 deutschen Unternehmen setzen bereits 49 Prozent der Befragten Robotic Process Automation ein. Kostensenkungen, Steigerung der Effizienz sowie eine Verbesserung der Qualität sind die meistgenannten Beweggründe für die Nutzung von RPA.
Mit reinen Lösungen zur Robotic Process Automation stossen Unternehmen allerdings früher oder später an ihre Grenzen. «Anfäng­licher Euphorie folgt oft schnell Ernüchterung, denn die Effizienzgewinne von RPA sind überschaubar», berichtet Marc Ennemann, Partner und Head of Value Chain Transformation beim Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen KPMG.
«Wir sehen häufig, dass durch reine RPA-Ansätze lediglich Teilstrecken oder Inselaufgaben automatisiert werden», ergänzt Jörg Richter, Head of Solutions Consulting for DACH bei Pegasystems. «Das grösste Interesse der Fachbereiche besteht häufig jedoch darin, die Gesamtvorgänge in den Griff zu bekommen und intelligent zu digitalisieren.»
“Anfänglicher Euphorie folgt oft schnell Ernüchterung, die Effizienzgewinne von RPA sind ­überschaubar„
Marc Ennemann, Partner und Head of Value Chain Transformation bei KPMG
Dass sich viele Unternehmen eine umfassendere Automatisierung wünschen, zeigt auch eine weltweite Umfrage unter 302 Führungskräften in grossen Unternehmen, die der Medienkonzern Forbes im Auftrag von Kofax durchgeführt hat. 60 Prozent der Befragten hätten demnach gern vollständig oder weitgehend automatisierte Prozesse. Dabei können aber nur 25 Prozent grössere Geschäftsprozesse so automatisieren, dass Menschen höchstens in Ausnahmefällen eingreifen müssen. Und lediglich 13 Prozent der befragten Unternehmen sind in der Lage, unstrukturierte Texte vollautomatisiert auszuwerten.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch eine von KPMG und HFS Research herausgegebene Studie, für die rund 600 Unternehmensleiter in 13 Ländern befragt wurden. Demnach gibt es in gut vier Fünftel aller befragten Unternehmen Initiativen für die Automatisierung, aber nur rund ein Drittel setzt entsprechende Lösungen auch produktiv ein.
“Wer in Zukunft wett­bewerbsfähig sein möchte, benötigt flexible und fluide Strukturen, in ­denen kritische Prozesse fortlaufend automatisch identifiziert und in Echtzeit optimiert werden„
Gunther Rameseder, Vice President Solution ­Engineering & Data Science bei Celonis
Laut Gunther Rameseder, Vice President Solution Engineering & Data Science bei Celonis, einem Anbieter von Tools für operative Prozessabläufe in Unternehmen, ist eine durchgehende Automatisierung jedoch alles andere als ein Selbstzweck: «Wer in Zukunft wettbewerbsfähig sein möchte, benötigt flexible und fluide Strukturen, in denen kritische Prozesse fortlaufend automatisch identifiziert und in Echtzeit optimiert werden.»

KI-Technologie

Zahlreiche Anbieter wie Automation Anywhere, Celonis, Kofax, Pegasystems oder Redwood Software sind angetreten, die Grenzen herkömmlicher RPA-Lösungen zu überwinden. Unter Schlagwörtern wie «Cognitive RPA», «Intelligent Automation» oder «Kognitive Automatisierung» bieten sie Plattformen an, die mit Hilfe intelligenter Erfassungs-, Analyse- und Reaktionsmöglichkeiten auch für umfangreiche und komplexe Aufgaben einzusetzen sind.
«Um Robotic Process Automation herum hat sich inzwischen ein grosses Spektrum an verschiedenen anderen Möglichkeiten und Technologien gebildet», erklärt Dominik Loerts, Senior Manager Lighthouse Germany bei KPMG. Vor allem Machine Learning und künstliche Intelligenz spielen bei der weitergehenden Automatisierung der Unternehmensprozesse eine immer grössere Rolle. «RPA wird immer umfassender mit Künstlicher Intelligenz angereichert», betont Matthias Zacher, Manager Research und Consulting bei IDC.
«Kognitive Automatisierung für RPA bedeutet, dass Bots vom Menschen lernen, wie unstrukturierte und unklare Daten zu handhaben sind», erläutert Per Stritich, Vice Presi­dent DACH, CEE und CIS bei Automation Anywhere, einem US-amerikanischen Entwickler von Automatisierungs-Software, den Ansatz. «Mit Intelligent Automation erhalten Unternehmen eine einfach zu skalierende Lösung, mit der sie nicht nur einzelne Abläufe optimieren, sondern den gesamten Prozess transformieren können», ergänzt Kofax-Manager Daniel Schmidt.
“Mit Intelligent Auto­mation erhalten Unternehmen eine einfach zu skalierende Lösung, mit der sie nicht nur einzelne Abläufe optimieren, ­sondern den gesamten Prozess transformieren können„
Daniel Schmidt, Senior Product Marketing Manager bei Kofax
Während Robotic Process Automation einzelne einfache Aufgaben adressiert, hat die intelligente Automatisierung den gesamten Geschäftsprozess im Blick: «Intelligent Automation erkennt etwa einen Rechnungseingang, kann den Lieferanten mitsamt der dazugehörigen Bestellung identifizieren, eine entsprechende Aktion in der Kreditorenbuchhaltung auslösen und die Informationen zeitgleich in allen Systemen aktualisieren», gibt Daniel Schmidt ein Beispiel. Dadurch erweitern sich die Einsatzmöglichkeiten deutlich über das blosse Erfassen von Adressänderungen und Schadensmeldungen. Prinzipiell lassen sich so alle Prozesse automatisieren, in denen die Verarbeitung strukturierter oder unstrukturierter Daten eine Rolle spielt.
Mehr als drei Viertel der von Forbes befragten Unternehmen gaben an, dass die Prozesse in ihrem Unternehmen zu mindestens 60 Prozent automatisiert werden könnten, fast die Hälfte der Befragten ging sogar von bis zu 80 Prozent aus. Laut der Intelligent-Automation-Studie von KPMG und HFS Research erhoffen sich die Befragten vom Einsatz intelligenter Automatisierung vor allem bessere Kundenservices und eine Umsatzsteigerung.
Intelligent Automation
So finden Sie Einsatzgebiete
Die folgenden Fragen sollen dabei helfen, die einzelnen Potenziale für eine Optimierung der Prozesse in einem Unternehmen zu identifizieren:
  • Gibt es Datenquellen, die sich für die Prozessautomatisierung eignen, die aber bisher nicht genutzt werden können?
  • Gibt es im Unternehmen Routinevorgänge, die regelmäßig hohe Fehlerquoten aufweisen?
  • Welche Arbeiten könnten durch Automatisierung beschleunigt oder vereinfacht werden? 
  • Gibt es Engpässe, die immer wieder zu Verzögerungen führen, etwa weil Informationen fehlen oder Entscheidungen nicht getroffen werden? 
  • Gibt es Synergien über Geschäftsbereiche hinweg, die durch die Verknüpfung vorhandener Systeme erzielt werden könnten? 
  • Gibt es Altsysteme, deren Leistungsfähigkeit durch Automatisierung verbessert werden könnte?
  •  Welche Kanäle könnten zusätzlich für die Datenerfassung genutzt werden?
 Quelle: Pegasystems, ergänzt/verändert

Automation-Plattformen

Möglichst wenig Arbeit: Ein Grossteil der Unternehmen wünscht sich eine sehr weitreiczhende Automatisierung
Quelle: Forbes (2019), n = 302
Forbes zufolge sollte eine Intelligent-Automation-Plattform auszeichnen, dass sie über die reine Automatisierung der Unternehmensprozesse hi­nausgeht, und Funktionen wie die Workflow-Organisation, eine erweiterte Nutzung von Daten auch über Mobilgeräte sowie bessere Analysemöglichkeiten umfassen. Die Einbindung digitaler Signaturen ermöglicht es darüber hinaus, Workflows ohne Medienbruch komplett digital abzubilden.
Bei der Evaluierung einer Intelligent-Automation-Plattform sollten Unternehmen vor allem auf folgende Bereiche achten:
Datenerfassung: Sofern die Informationen im Unternehmen bereits strukturiert und in digitaler Form vorliegen, zum Beispiel weil sie über ein Web-Formular erfasst werden, ge­nügen für die Weiterverarbeitung der Daten einfache RPA-Prozesse. Bei eingescannten Papierdokumenten ist eine optische Zeichenerkennung notwendig, eine sogenannte Optical Character Recognition (OCR). Die optische Zeichenerkennung erfolgt gegebenenfalls in Kombination mit einer kontextbasierten Korrekturfunktion, einer sogenannten Intelligent Character Recognition (ICR). Wenn das System unstrukturierte Daten wie Freitext in Briefen und E-Mails oder Sprachnachrichten verarbeiten muss, dann sind weitergehende kognitive Funktionen wie Text­erkennung, Spracherkennung und Sprachausgabe erforderlich, also die Techniken Natural Language Understanding/Processing (NLU/NLP).
“Eine reine IT-getriebene ‚Tool-orientierte‘ Einführung scheitert oft am fachlichen ­Nutzen oder an der Akzeptanz der Anwender„
Jörg Richter, Head of Solutions Consulting for DACH bei Pegasystems
Datenverarbeitung: Sollen Daten nur über zwei oder drei Systeme hinweg von einem Formular in ein anderes kopiert werden, dann ist ein RPA-Ansatz ausreichend. Als Faustregel kann gelten, dass sich Robotic Process Automation allein vor allem für hoch standardisierte Prozesse eignet, für die ein Mensch maximal 15 Minuten benötigt. Bei komplexeren Anforde­rungen, zum Beispiel wenn auf Basis der Daten automatisiert Entscheidungen getroffen oder weitere Prozesse angestossen werden sollen, sind weitergehende Analysefunktionen und der Einsatz von Künstlicher In-telligenz notwendig sowie die Integration in Lösungen für das Business Process Management (BPM).
Analyse von Daten: Sobald die erfassten und automatisiert verarbeiteten Informationen nicht nur einfach irgendwo abgelegt werden sollen, sondern auch als Basis für Prognosen oder zur Vorbereitung von Unternehmensentscheidungen dienen, sind Funktionen wie Sentiment-Analyse, Business Intelligence oder Datenexploration notwendig.
Bereitstellung der Daten: Man sollte klären, in welcher Form die verarbeiteten Daten weiteren Systemen oder Mitarbeitern zur Verfügung gestellt werden sollen. Aus dieser Analyse ergeben sich die diversen Anforderungen für Schnittstellen, Dashboards und Reporting.
Integration: Eine Lösung für Intelligent Automation kann nur dann ihre volle Wirkung entfalten, wenn bestehende Unternehmensprozesse möglichst unkompliziert angebunden werden können. «In der Regel ist es nicht zielführend, andere Tools komplett zu ersetzen, da sie jahrelang aufgebaut wurden», erklärt Daniel Schmidt von Kofax. «Diese Tools sind allerdings meist recht starr und nicht leicht zu ändern.» Es sei daher von grosser Bedeutung, dass die Intelligent-Automation-Plattform der Wahl auch entsprechende Schnittstellen zu bestehenden Systemen zur Verfügung stellen kann, so Daniel Schmidt weiter.
Erweiterbarkeit: Neben den Schnittstellen zu eingesetzten Altsystemen sollte die Intelligent-Automation-Plattform auch unkompliziert durch kognitive Services erweitert werden können. Laut der eingangs erwähnten aktuellen IDC-Studie unter mehreren Hundert deutschen Unternehmen bevorzugen 61 Prozent von ihnen solche Services für Künstliche Intelligenz, wie sie zum Beispiel die bekannten Cloud-Dienstleister Amazon Web Services, Microsoft Azure, Google und IBM anbieten.

Eine Frage der Technik

Vor der Wahl und dem Einsatz einer Plattform für Intelligent Automation sollte eine sorgfältige Analyse der aktuellen Situation stehen. «Besonders wichtig ist, dass Unternehmen nicht irgendwelche Prozesse automatisieren, sondern sich zuvor Gedanken dazu machen», betont Per Stritich von Automation Anywhere. «Hier kann ein externer Partner bei der Identifizierung und Planung unterstützen.»
Welche Prozesse im Unternehmen lassen sich prinzipiell automatisieren? Welche davon bieten den schnellsten und/ oder den grössten Gewinn an Effizienz? Welche Systeme müssen integriert werden und wie sehen die Schnittstellen dafür aus? Wie umfangreich und komplex soll die Prozess­automatisierung sein und wer ist dafür zuständig? Wie sieht die langfristige Automatisierungsstrategie aus und welche Entwicklungsmöglichkeiten bieten die Plattformen, um diese langfristigen Ziele zu erreichen?
Das sind nur einige der Fragen, die man sich im Vorfeld stellen sollte. Jörg Richter von Pegasystems rät, möglichst früh die einzelnen Fachbereiche in die Entscheidungsfindung mit einzubeziehen: «Eine reine IT-getriebene ‹Tool-orientierte› Einführung scheitert oft am fachlichen Nutzen oder an der Akzeptanz der Anwender.»
Der Experte empfiehlt, ein- bis zweiwöchige «Innovation Sprints» nach der Design-Thinking-Methode durchzuführen. «Dieser Ansatz führt nicht nur zu schönen Bildern, Folien und Dokumenten, sondern zu Prototypen, also zu real ausführ­barer Software.»
Nach Ansicht von Devin Gharibian-Saki, Chief Solution Officer bei Redwood Software, einem weiteren Anbieter von Automatisierungs-Tools, sollte man aber auch die Total Cost of Ownership (TCO) nicht aus dem Blick verlieren: «Es gibt sehr viele Technologien, die eingesetzt werden können, entsprechend muss man darauf achten, dass die Kosten der Nutzung und das Ausrollen all dieser Technologien nicht den messbaren Mehrwert komplett aufbrauchen.»
“Intelligent Automation sollte Teil jeder Digitalisierungs-Initiative sein„
Devin Gharibian-Saki, Chief Solution Officer bei Redwood Software
Wenn die Strategie klar ist, dann sollte die Einführung der Automatisierungslösung laut Pegasystems-Experte Jörg Richter schrittweise erfolgen: «Wir plädieren für eine pragmatische agile Methodik, die dem Fachbereich möglichst schnell einen konkreten Nutzen aufzeigt und keine langen Analyse-Vorlaufzeiten benötigt.»
Kofax-Manager Schmidt empfiehlt, eine Digitalisierungs-Taskforce zu gründen oder ein Center of Excellence für die Automatisierung einzurichten. «Mit einem solchen Kompetenzteam verläuft die Einführung meist effizienter.» Dieser Empfehlung folgen die meisten Unternehmen. Laut der Forbes-Studie haben bereits 51 Prozent der Befragten ein solches Center of Excellence für die Prozessautomatisierung eingerichtet, weitere 41 Prozent planen dies.

Fazit

Intelligent-Automation-Plattformen erweitern die Möglichkeiten der Prozessautomatisierung deutlich über die Einsatzgebiete von Robotic Process Automation hinaus. Während RPA vor allem einfache, standardisierte und sich häufig wiederholende Aufgaben adressiert, sind die Einsatzmöglichkeiten von Intelligent Automation wesentlich weiter gefasst. Sie reichen von der durchgehenden Digitalisierung ganzer Geschäftsprozesse bis zur Entscheidungsvorbereitung.
Vor der Einführung von Intelligent Automation sind allerdings einige Hürden zu überwinden. Die meisten Projekte befinden sich noch in der Pilotphase, wie die Studie von KPMG und HFS Research ergab. Laut KPMG-Manager Dominik Loerts sind noch viele Anwender unsicher, wie sich Künstliche Intelligenz in Automatisierungsprojekten sinnvoll einsetzen lässt.
Hinzu kommt: Es fehlen Fachkräfte und Kompetenzen und auch die Skalierung bereitet Schwierigkeiten. Dennoch sollten sich Unternehmen davon nicht entmutigen lassen, denn intelligente Automatisierung wird mehr und mehr zu einem Schlüsselfaktor, ohne den eine durchgängige Transformation von Prozessen nicht denkbar ist. «Intelligent Automation sollte Teil jeder Digitalisierungs-Initiative sein», rät daher Redwood-CSO Gharibian-Saki.

Andreas Lüth von ISG im Interview

Andreas Lütz ist Partner bei der ISG Information Service Group
Quelle: ISG
Andreas Lüth, Partner und Head of Robotic Process and Cognitive Automation DACH beim Analystenhaus ISG Information Services Group, erklärt im Gespräch mit com! professional, warum Intelligent Automation mehr ist als nur eine Weiterentwicklung von RPA.
Computerworld: Herr Lüth, was unterscheidet intelligente Automatisierung von Robotic Process Automation (RPA)?
Andreas Lüth: RPA automatisiert Prozesse, indem Daten über verschiedene Applikationen hinweg kopiert und wieder eingefügt werden. Von intelligenter Automatisierung kann man sprechen, wenn zusätzliche Technologien hinzukommen, um beispielsweise unstrukturierte Daten in strukturierte zu überführen. Beim Cognitive Reasoning, einem weiteren Aspekt der intelligenten Automatisierung, treffen Algorithmen Entscheidungen oder bereiten sie zumindest vor.
CW: Warum genügt RPA nicht, wenn Unternehmen Prozesse automatisieren wollen?
Lüth: Viele Anwender mussten erkennen, dass sie nach anfänglichen Erfolgen mit RPA kaum weitere Einsparungen erzielen, die etwa Prozesse signifikant beschleunigen konnten. Robotic Process Automation lässt sich ausserdem nur sehr begrenzt skalieren und auf weitere Prozesse ausweiten.
CW: Welche konkreten Vorteile bietet Intelligent Automation im Vergleich zu RPA?
Lüth: Intelligent Automation erlaubt es, die Automatisierung auszudehnen, sie holistischer zu machen und damit grössere Bereiche eines Geschäftsprozesses abzudecken, als dies mit reiner RPA der Fall ist. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Verbindung verschiedener Technologien, manche Hersteller nennen dies auch Connected oder Cognitive RPA. Die Intelligent-Automation-Plattform wird zu einer der zentralen Drehscheiben nicht nur für die Automatisierung, sondern auch für die Digitalisierung an sich und kann mit Block-Chain-Anwendungen oder Big Data interagieren.
CW: Wie weit ist die intelligente Automatisierung im deutschen Mittelstand verbreitet?
Lüth: Die meisten sind hier erst vor zwei bis drei Jahren gestartet, einige steigen auch erst jetzt mit klassischem RPA ein. Aber auch sie werden schnell bei dem Thema Intelligent Automation und dem Plattformansatz landen.
CW: Wie können Unternehmen den Return-on-Invest (ROI) einer Intelligent-Automation-Plattform berechnen?
Lüth: Wir empfehlen immer eine systematische Herangehensweise über ein Assessment, bei dem man alle Aspekte eines Bereichs betrachtet und für jeden Prozess definiert, inwieweit er sich für eine Automatisierung eignet, welche Einsparungen damit verbunden wären und welche Automatisierungstechnologien dafür nötig sind.
CW: Wo sehen Sie die grössten Schwierigkeiten bei der Umsetzung eines Automatisierungsprojekts?
Lüth: Nach der Pilotphase muss man sich zwingend Gedanken über eine langfristige Automatisierungsstrategie machen. Wenn man sich nicht im Klaren darüber ist, was mit der Automatisierung erreicht werden soll, welche Regeln gelten, welche Rollen und Verantwortlichkeiten es im Team gibt, dann ist nachhaltiger Erfolg sehr unwahrscheinlich. Ich kenne Kunden, die das nicht getan haben und die in der Folge auch Jahre nach der Einführung von RPA nur sehr wenige Prozesse automatisieren und nur sehr geringe Effizienzgewinne erzielen konnten.
CW: Worauf sollten Unternehmen bei der Auswahl einer Intelligent-Automation-Plattform achten?
Lüth: Die Kriterien für die Anbieterwahl ergeben sich aus der Automatisierungsstrategie eines Unternehmens. Ein aktueller Trend ist es beispielsweise, die Endanwender in den Fachabteilungen stärker über sogenannte Unattended Front End Automation in die Bot-Entwicklung mit einzubeziehen. Dafür muss die Software möglichst einfach zu bedienen sein und Module für die Automatisierung bereitstellen, etwa eine Art Makro-Rekorder zur Aufzeichnung der Prozessschritte. Ausserdem sollte man bei der Wahl des Herstellers darauf achten, welche Branchenerfahrung er mitbringt und ob er für den jeweiligen primären Anwendungsfall vorgefertigte Module und Komponenten anbietet, die eine Integration erleichtern und beschleunigen.




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