Interview 11.02.2017, 09:43 Uhr

Nach der Übernahme durch VTech: So plant Snom die Zukunft

Seit November gehört Snom zum chinesischen VTech-Konzern. CEO Gernot Sagl gibt im Exklusiv-Interview einen Ausblick auf die künftige Strategie des Herstellers von IP-Telefonen.
Gernot Sagl, CEO der Snom AG
Wechselnde Eigentümer und eine starke Fluktuation im Management: Snom hat schwierige Zeiten hinter sich. Der Österreicher Gernot Sagl, seit einem halben Jahr CEO des Herstellers von IP-Telefonen, erklärt im Interview mit unserer Schwester Telecom Handel, welche Pläne Snom nach der Übernahme durch die chinesische VTech-Gruppe hat.

Telecom Handel: Nach eher unruhigen Zeiten ist Snom seit November vergangenen Jahres Teil der chinesischen VTech-Gruppe. Worauf dürfen und müssen sich Partner einstellen?
Gernot Sagl: Wir werden durch die Übernahme durch die VTech-Gruppe viel mehr Möglichkeiten im Bereich Produktentwicklung, -design, Vertrieb und Marketing ausschöpfen können. Früher mussten die Investitionen ausschliesslich von den eigenen finanziellen Mitteln getragen werden, wodurch eine Entwicklung nur auf kleinerer Flamme möglich war.

Ihre Kassen sind nun gut gefüllt und es wird künftig wieder mehr neue Produkte geben?
Sagl: Die Strategie mit VTech ist und kann logischerweise nur Wachstum sein. Wir wollen Marktanteile zurückgewinnen und auch die Marke Snom stärken. Der starke Brand und auch der technologische Vorsprung machten uns ja erst zu einem interessanten Übernahmekandidaten.

Die Marke Snom wird demnach auch künftig erhalten bleiben?
Sagl: Mehr als das, sie wird deutlich gestärkt. Wir werden beispielsweise das Produktdesign deutlicher an der Marke orientieren. Bei den Tischtelefonen haben wir bereits heute einen starken Wiedererkennungswert, bei den DECT-Telefonen ist diese Zugehörigkeit längst nicht mehr so eindeutig zu erkennen. Vorbild ist ein durchgängiges Produktdesign, wie man es beispielsweise von Porsche Design kennt –egal ob man einen Kugelschreiber oder einen Gürtel kauft, man hat immer das Gefühl, dass die Produkte aus einer Feder stammen. Und das ist eines unserer Ziele für Snom.

Aber ist das nicht eine Frage der Entwicklung, die Sie ja auch früher schon selbst in der Hand hatten?

Sagl: Das stimmt, aber bei den relativ kleinen Mengen, die wir früher von unseren Lieferanten bezogen haben, waren unsere Möglichkeiten, auf das Design Einfluss zu nehmen, manchmal gering. Das wird sich aber in Zukunft deutlich verbessern …

"Wir erwarten bessere Preise"

… weil Sie künftig VTech als Fertiger nutzen werden. Gilt das für alle Produkte?
Sagl: Wir planen, die Produktion zum grössten Teil zu VTech zu verlagern. Das hat für uns gleich mehrere Vorteile. Zum einen erwarten wir natürlich bessere Preise, aber die Verlagerung verschafft uns auch mehr Flexibilität. Wir können nun viel einfacher Einfluss auf die Produktion und das Design nehmen und beispielsweise auch Sonderwünsche von Kunden realisieren. Das war uns früher nicht möglich.

Wann wird die Produktion bei der neuen Mutter anlaufen?

Sagl: Wir rechnen damit, dass die ersten Produkte im Frühsommer von VTech produziert werden, darauf folgt natürlich noch eine ausgiebige Testphase zur Qualitätssicherung.

Insgesamt hat VTech in der Gruppe ja drei Geschäftsmodelle …
Sagl: Genau, ein Bereich umfasst die Fertigung für andere Hersteller, also das klassische OEM-Geschäft. Dann gibt es noch einen Geschäftsbereich, der sich auf Lernspielwaren konzentriert, und schliesslich die Telekommunikationssparte, von der jetzt Snom einen grossen Teil ausmacht. Auch das verschafft uns Sicherheit, denn wir haben eine tiefe Kenntnis der Märkte, vor allem in der DACH-Region und generell in Europa. Bislang ist VTech mit seinen TK-Produkten in dieser Region ja kaum vertreten.

Erst kürzlich hatte ALE eine Vertriebskooperation mit VTech bekannt gegeben, die auch für Europa gilt. Wie passt das in die Konzernstrategie?

Sagl: Diese Kooperation wurde noch vor dem Snom-Kauf vereinbart, und sie hat auch keinen Einfluss auf unsere künftige Strategie. Sicher ist, dass wir kein Vertriebskanal von VTech-Produkten werden, sondern unsere Marke stärken – und selbst Produkte entwickeln. Wohl ist es aber möglich, dass wir in einigen Regionen ausserhalb unseres Kernmarkts vertrieblich zusammenarbeiten werden.

Werden Sie sich dann aus Märkten wie beispielsweise den USA zurückziehen?
Sagl: Nein, im Gegenteil. Wir glauben, dass wir mit Snom in den USA sehr stark wachsen können. Die Frage ist nur, ob wir dafür neue Leute einstellen müssen oder ob wir dieses Thema nicht an den Mutterkonzern übergeben. VTech hat dort Dutzende Leute im Feld, wir gerade mal eine Handvoll. Vielleicht wird künftig das USA-Geschäft der Snom AG von der VTech-Organisation gestemmt.

Dann würde das VTech-Team zwei Marken verkaufen?

Sagl: Ja, aber mit zwei eigenständigen Vertriebsmannschaften. VTech hat sich ja ohnehin entschlossen zu einer Zwei-Marken-Strategie, wobei Snom in dieser Kon­stellation der Premium-Brand ist.

Bekenntnis zum indirekten Vertrieb

Werden Sie auch künftig an Ihrer indirekten Vertriebsstrategie festhalten?
Sagl: Auf jeden Fall, wir wollen aber enger mit ISPs (Internet Service Provider), City-Carriern und Netzbetreibern zusammenarbeiten – dabei aber nicht unser Geschäft mit Distributoren und Handelspartnern vernachlässigen. Darüber hinaus werden wir künftig ein Mietmodell nach dem OPEX-Prinzip anbieten. Der Kunde zahlt demnach eine monatliche Miete für unsere Produkte, hat keine Anfangsinvestitionen und mehr Transparenz bei den Kosten.

In diesem Bereich haben Sie ja schon im vergangenen Jahr eine Vereinbarung mit Broadsoft unterzeichnet …
Sagl: Broadsoft ist einer dieser Kunden, wir vergessen aber auch nicht unsere anderen Herstellerpartner, mit denen wir seit Jahren eng zusammenarbeiten. Und natürlich werden wir unser OPEX-Modell auch im IP-Centrex-Umfeld platzieren.

Bemerken Sie denn einen generellen Trend in der Telekommunikations-Branche hin zum OPEX-Modell?
Sagl: In anderen Branchen ist dieses Modell schon deutlich länger Usus, nun gewinnt es auch in der TK-Branche immer mehr an Bedeutung. Deshalb ein eindeutiges Ja, und deswegen starten wir auch in Deutschland mit diesem Ansatz und werden ihn dann auf die anderen Regionen ausdehnen. Grundsätzlich muss man sich aber auch fragen, warum unsere Branche diesen Vertriebsansatz erst so spät aufgreift …

Weil bislang vieles über Leasing und Miete aufgefangen wurde und die Partner in erster Linie am Projektumsatz interessiert waren. Die meisten stellen sich erst jetzt auf Managed-Service-Modelle ein, da sie ja eine tief greifende Veränderung in der Ertragsstruktur mit sich bringen …
Sagl: Aber auch wir verzichten mit diesem Modell anfänglich auf Umsatz und Ergebnis. Wir haben damit jedoch – genau wie die Partner – ein nachhaltiges Geschäftsmodell, das langfristig plan- und steuerbar ist. Das ist der grosse Vorteil, den wir für uns, aber auch unsere Partner sehen. Im Projektgeschäft ist das nicht möglich.




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