Zölle, fairer Wettbewerb und Co 27.12.2020, 15:04 Uhr

Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Brexit-Handelspakt

Nach langen Verhandlungen haben sich die EU und Grossbritannien in letzter Minute auf ein Handelsabkommen nach dem Brexit geeinigt. Geregelt wurden Themen wie Warenverkehr, Zölle oder fairer Wettbewerb. Alles in allem wird es für den Handel aber schwieriger als bisher.
(Quelle: shutterstock.com/nito.jpg)
In letzter Minute haben Brüssel und London am Heiligabend ihren Handelspakt für die Zeit nach der Brexit-Übergangsphase über die Ziellinie gebracht. Der mehr als 1.200 Seiten starke und mittlerweile online veröffentlichte Vertragstext regelt unter anderem wichtige Fragen zum Handel. 
Das Handelsabkommen besagt, dass Grossbritannien den Binnenmarkt und die Zollunion der EU am 31. Dezember um Mitternacht verlässt. Der Deal ist kein "weicher" Brexit. Dieser war spätestens mit dem Wahlerfolg Boris Johnsons im vergangenen Jahr vom Tisch. Grossbritannien verlässt Binnenmarkt und Zollunion und ist deutlich weiter vom Orbit Brüssels entfernt als beispielsweise Norwegen oder die Schweiz.
Wirtschaftsverbände auf beiden Seiten des Ärmelkanals hatten sich deutlich mehr erhofft. Die Zusammenarbeit ist auf ein Minimum beschränkt. Der Brexit ist also eher hart. Aber es ist kein Sturz über die Klippe mit chaotischen Folgen für Wirtschaft und Menschen.

Was bedeutet der Deal für den Handel?

Es wird erheblich schwieriger als bisher. Für Unternehmen auf beiden Seiten werden deutlich mehr Formalitäten zu erledigen sein. Aber: Es gibt anschliessend keine Zölle und keine Importquoten für den Güteraustausch zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU. Konkret:
Zölle: Durch de Handelspakt fallen auf Waren im beiderseitigem Handel keine Zölle bei der Einfuhr an. Britische Exporteure in die EU müssen aber vom Jahreswechsel an aufwendig nachweisen, dass ihre Produkte tatsächlich überwiegend im eigenen Land hergestellt wurden. Auch Nachweise für die Einhaltung der EU-Regeln zur Lebensmittelsicherheit und zur Einhaltung von Produktstandards müssen künftig erbracht werden.
Daneben gibt es aber keine mengenmässigen Beschränkungen für den Import. Ein- und Ausfuhrformalitäten etwa wegen der Kontrolle anderer Standards sollen möglichst vereinfacht werden. Besonders reibungslos soll dabei der Handel in Bereichen mit Autos, Medikamenten, Chemikalien und Wein gestaltet werden.
Auch für die Dienstleistungsbranche, die rund 80 Prozent der britischen Bruttowertschöpfung ausmacht, wird der Zugang zum europäischen Binnenmarkt mit dem Ende der Brexit-Übergangsphase am 31. Dezember erheblich schwerer.
Finanzdienstleistungen: Für Grossbritanniens wichtige Finanzbranche sollte weitgehend Zugang zum EU-Markt gewährleistet sein, so die Forderung der Briten. Dieser geht nun aber nicht über normale Handelsabkommen hinaus - vorerst. Weitere Fragen sollen erst bis März geklärt werden.
Verkehr: Eine kontinuierliche Anbindung an den Luft-, Strassen-, Schienen- und Seeverkehr - inklusive der Nutzung von Flughäfen durch Airlines der anderen Seite sowie ein ungehinderter Speditionsverkehr - wurde vereinbart. Laut EU sind dabei auch Passagier- und Arbeitnehmerrechte garantiert.

Fairer Wettbewerb

Ein weiteres kniffliges Thema war die Frage nach gleichen Wettbewerbsbedingungen. Brüssel wollte verhindern, dass die Briten ihre Standards bei Arbeitnehmerrechten und dem Umweltschutz senken und sich dadurch einen unfairen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Damit Grossbritannien weiter freien Zugang zum EU-Markt mit 450 Millionen Verbrauchern erhält, erwartet die EU von London kein Unterlaufen ihrer Standards.
Der Handelspakt gewährleiste nun "ein robustes, gleiches Wettbewerbsumfeld" mit einem "hohen Schutzniveau" in Bereichen wie Umweltschutz, Sozial- und Arbeitnehmerrechte sowie bei staatliche Beihilfen. Die EU musste aber von ihrer ursprünglichen Forderung abweichen, dass Grossbritannien sich auch in Zukunft fortlaufend an von ihr geänderte Standards anpassen muss.

Was versprechen sich die Briten vom EU-Austritt?

Der Austritt aus der Zollunion erlaubt Grossbritannien auf eigene Faust Freihandelsabkommen mit Drittstaaten wie den USA, Indien oder China zu schliessen. Premier Boris Johnson will das Land zudem zum global führenden Standort für Zukunftstechnologie machen. Das Vereinigte Königreich solle ein "Saudi-Arabien der Windkraft" und eine "Supermacht für Wissenschaft und Forschung" werden, kündigte er an. Elektromobilität und künstliche Intelligenz sind Bereiche, die London kräftig subventionieren will. Deswegen wohl hat sich die britische Regierung standhaft dagegen gewehrt, sich weiterhin den EU-Regeln zu staatlichen Wirtschaftshilfen zu unterwerfen. Einen gemeinsamen Rahmen müssen die Briten jedoch trotzdem einhalten.

Unterm Strich ist der ökonomische Schaden, der durch den Brexit angerichtet wird, laut Experten durch nichts wiedergutzumachen. Der Brexit gilt daher vor allem als politisches Projekt, das von einer Sehnsucht zu den goldenen Zeiten des britischen Empires angetrieben wurde. Zudem war der EU-Austritt das Vehikel für eine grundlegende Veränderung der politischen Landschaft in Grossbritannien, bei der eine bis zum Referendum marginalisierte Gruppe innerhalb der konservativen Regierungspartei das Ruder übernahm.

Wie geht es nun weiter?

Aufgrund des Zeitdrucks muss improvisiert werden. Ab Januar soll der Handelspakt zunächst vorläufig angewendet werden. Dafür müssen alle 27 EU-Staaten sowie einige nationale Parlamente zustimmen. Das Europaparlament wird den Vertrag dann im Januar nachträglich prüfen - und könnte ihn theoretisch ablehnen. Das britische Parlament soll das Abkommen am 30. Dezember durchwinken.



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