Widerrufsrecht 17.05.2015, 09:41 Uhr

Retouren bei individuell konfigurierter Ware

Rücksendungen sind für Online-Händler ein heikles Thema, aber auch ein wichtiger Service. Doch wie genau verhält es sich mit Retouren von Waren, die für den Kunden individuell hergestellt wurden?
Andreas Brommer
(Quelle: Andreas Brommer - Kleiner Rechtsanwälte)
Von Andreas Brommer
Rücksendungen sind für E-Commerce-Händler ein leidiges Thema. Viele Kunden bestellen einen Schuh gleich in mehreren Grössen oder ein T-Shirt gleich in mehreren Farben auf einmal. Behalten wird nur, was gefällt. Alles andere geht an den Händler zurück. Doch gilt das auch bei Waren, die der Kunde nach seinen individuellen Wünschen konfiguriert hat? Die Gerichte urteilen unterschiedlich.
Nach § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB hat ein Verbraucher kein gesetzliches Widerrufsrecht bei "Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher massgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind." Der Hintergrund dieser Regelung ist klar: Einem Händler ist es nicht zuzumuten, auch solche Waren zurückzunehmen, die er anderweitig entweder gar nicht oder nur noch mit erheblichen Schwierigkeiten oder einem grossen Preisnachlass vertreiben kann.
Bestes Beispiel sind Produkte wie ein Massanzug oder ein Fotobuch, die individuell für den jeweiligen Besteller angefertigt worden sind. Doch in anderen Fällen ist die Anwendbarkeit dieser Vorschrift beziehungsweise ihrer weitgehend inhaltsgleichen Vorgängervorschrift weniger eindeutig. So hatte das Landgericht (LG) Düsseldorf über den Widerruf eines Kunden zu urteilen, der bei einem Online-Shop ein Sofa bestellt hatte (Urteil vom 12.02.2014, Az. 23 S 111/13). Das Sofa war in 289 verschiedenen Farbkombinationen und zwei Bauformen erhältlich, insgesamt also in 578 verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten.
Nach Auffassung der Düsseldorfer Richter musste der Kunde bereits wegen der langen Lieferzeit von zwölf bis 16 Wochen davon ausgehen, dass das Sofa erst nach Eingang der Bestellung individuell für ihn produziert wird. Auch in der Bezeichnung des Sofas mit einer schlichten Artikelnummer und keinem Namen sah das LG Düsseldorf ein Indiz, dass es sich um kein austauschbares Standardprodukt handelt. Für den Händler sei es unzumutbar, ein solches Sofa zurücknehmen zu müssen. Der Kunde hatte nach Auffassung des LG Düsseldorf daher kein Widerrufsrecht.

Widerrufsrecht ist eine Frage des Einzelfalls

Ebenfalls kein Widerrufsrecht hatte der Käufer einer Ottomane, die in über 50 Bezugsstoffen und mit links oder rechts angebrachter Lehne bestellt werden konnte. In diesem Fall urteilte das Amtsgericht (AG) Siegburg, dass der Widerruf zwar nur in seltenen Ausnahmefällen ausgeschlossen sei, ein solcher Ausnahmefall hier aber deshalb vorläge, weil der Händler die Ottomane anderweitig nur noch mit einem erheblichen Preisabschlag von bis zu 40 Prozent verkaufen könne (Urteil vom 25.09.2014, Az. 1115 C 10/14).
Gegenteilig entschied kürzlich das AG Dortmund (Urteil vom 28.04.2015, Az. 425 C 1013/15). Wie bei der Entscheidung des LG Düsseldorf ging es um ein Sofa, das in 578 Varianten bestellt werden konnte. Der Kunde hatte sich für ein Modell in der Hauptfarbe weiss und der Kontrastfarbe schwarz entschieden. Diese Farbkombination hielt das AG Dortmund für gängig, zumal der Verkäufer das Sofa auch in genau dieser Farbkombination beworben hatte. Wegen der gängigen Farbkombination ging das AG Dortmund davon aus, dass der Händler das Sofa auch anderweitig absetzen kann. Der vom Kunden erklärte Widerruf war daher wirksam.
Unser Tipp:
Ob ein Verbraucher seinen Kaufvertrag über eine individuell konfigurierte Ware widerrufen kann, ist eine Frage des Einzelfalls. Massgeblich kommt es darauf an, ob dem Händler die anderweitige Verwertung der zurückgenommenen Ware möglich und zumutbar ist. Ein Online-Händler muss seinen privaten Kunden gemäss Art. 246a § 1 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB auch dann eine Widerrufsbelehrung übermitteln, wenn wegen der Besonderheiten der bestellten Ware aller Voraussicht nach gar kein Widerrufsrecht besteht. Ein Verbraucher ist also auch über das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts zu informieren. Hier soll es nach Auffassung des Kammergerichts Berlin genügen, pauschal den Gesetzeswortlaut wiederzugeben, ohne explizit für den konkret bestellten Artikel anzugeben, ob der jeweilige Kaufvertrag widerrufen werden kann oder nicht (Urteil vom 27.06.2014, Az. 5 U 162/12).
Andreas Brommer
KLEINER Rechtsanwälte in Stuttgart
Partnerschaftsgesellschaft mbB




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