Targeting im TV 15.08.2015, 08:08 Uhr

Neue digitale Werbeform Switch In: Die Zukunft der Werbung?

Mit Switch In hat ProSiebenSat.1 eine neue digitale Werbeform gestartet. Ist das die Zukunft der Fernsehwerbung?
(Quelle: Fotolia.com/Ray)
Es ist nach wie vor ein äusserst einträgliches Geschäft: Knapp 4,3 Milliarden Euro nahmen die Fernsehsender in Deutschland im vergangenen Jahr mit TV-Werbung ein - ein neuer Rekordwert. Und alles deutet darauf hin, dass der ­Höhenflug anhält. Die Werbebilanz des ersten Halbjahres weist jedenfalls schon wieder ein ansehnliches Plus auf.
Das weitaus meiste Geld spielt der klassische TV-Spot in die Kassen der Sender. Doch die Sender wissen, dass dieser Zustand nicht ewig währen wird. Die jüngeren Menschen wenden sich anderen Bewegtbildangeboten wie Youtube zu, und die Werbekunden investieren verstärkt in ­Online-Werbeformen, weil diese über Targeting-Mechanismen eine gezielte Ansprache potenzieller Kunden ermöglichen.

Mit der neuen Werbeform Switch In wachsen TV und Internet zusammen

Seit geraumer Zeit bemüht sich die TV-Branche deshalb darum, Werbungtreibenden auch die Vorteile der Online-Werbewelt zu offerieren. Die technischen Voraussetzungen dafür sind gegeben: ­Immer mehr Menschen besitzen Fern­sehgeräte, die auch Internet empfangen können - rund elf Millionen Smart-TV-Geräte sollen es inzwischen sein.
Über den Standard HbbTV (Hybrid Broadcasting Broadband TV) können die Sender ihre Inhalte mit interaktiven Elementen anreichern und über Adserver ganz neue Werbeformen ausspielen. "Das Zusammenwachsen von Fernsehen und Internet ist für uns eine riesige Chance, mit der wir Fernsehwerbung noch schlagkräftiger werden lassen", sagt Thomas Wagner, Vorsitzender der Geschäftsführung Sevenone Media.
Der Vermarkter der Sendergruppe ProSiebenSat.1 zeigt gerade, was im Bereich HbbTV möglich ist. Das Medienunternehmen strahlt eine Kampagne für den Kleinwagen Smart aus, bei der die neue digitale  Werbeform Switch In eingesetzt wird.
Wenn die Zuschauer zwischen den Kanälen ProSieben, Sat.1, Kabel eins und Sixx hin- und herschalten, erscheint auf ihrem Bildschirm jedes Mal ein Werbefenster. Wenn sie dieses mit der Fernbedienung aktivieren, öffnet sich eine Microsite, auf der sie Videos von den neuen Smart-­Modellen sehen, Probefahrten buchen und Finanzierungsmodelle prüfen können.
Der Vermarkter Sevenone spricht bei der Werbeform Switch In auch von Adressable TV. Denn nicht jeder Zuschauer ­eines Internet-fähigen TV-Geräts bekommt die Smart-Werbung zu sehen, sondern nur eine speziell selektierte Gruppe.
"Die Werbeform Switch In ist nach verschiedenen Targeting-Kriterien aussteuerbar", sagt Wagner. Zum einen können Werbungtreibende die Einblendung regional variieren und bestimmte Gebiete wie ­Ballungsräume oder Bundesländer belegen. Zum anderen können sie die Kampagne auch nach ­Zuschauerstrukturdaten wie etwa dem ­Alter aussteuern. Der Adserver liefert den Switch-In-Banner nur an die Geräte aus, vor denen die Zielgruppe sitzt.
Noch liegen keine validen Daten vor, wie die Adressable-TV-Werbung für den Smart ankommt. Doch im Herbst vergangenen Jahres hatte Sevenone eine Switch-In-Kampagne für einen Kinofilm untersucht. Es zeigte sich, dass die Verweildauer auf der Microsite mit 53 Sekunden recht lang war und zu einer Steigerung von Bekanntheit und Werbeerinnerung führte.
Das Interesse der Werbekunden, TV nicht mehr nur als Reichweitenmedium, sondern auch dosiert nach Targeting-­Kriterien zu buchen, ist jedenfalls da. Procter & Gamble nutzte im Juni die ­Adserver-Technologie des Dienstleisters Smartclip und warb auf dem Sender Sport 1 für die Marke Gillette.
Im November ­hatte Smartclip zusammen mit der Agentur Pilot eine Adserver-basierte TV-Kampagne für Fisherman’s Friend abgewickelt. Und ­Sevenone Media tüftelt gerade an ­einer Adressable-TV-Kampagne für die Sony Playstation, die am 8. August über die Bühne gehen soll.
Neben klassischen TV-Advertisern kommen jetzt auch neue Kunden, die durch die Technologie erstmals Fernsehwerbung in ihren Media-Mix integrieren, sagt Thorsten Schütte-Gravelaar, Vorstand von Smartclip.

Werbeform Switch In als Zukunft der TV-Werbung

Sieht so also die Zukunft der TV-Werbung aus? Geht es bald weniger um den Spot, der überall zu sehen ist, als vielmehr um die gezielt ausgesteuerte Kampagne? In den USA werden bereits vier Prozent des TV-Werbevolumens über technische Plattformen abgewickelt, in vier Jahren sollen es 17 Prozent sein, so das Ergebnis einer Studie von Magna Global.
Kerngeschäft bleibe der klassische Spot, meint Thomas Wagner. "Targeting und ­bedarfsgesteuerte Auslieferung von Werbung sind aber spannende Spielfelder der Zukunft, die unsere Angebote wertvoll ­ergänzen werden." So sieht es auch Schütte-Gravelaar: "Es entsteht keine neue Kon­kurrenz, es ergeben sich aber zusätzliche Monetarisierungsmöglichkeiten."



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