Sinkende Umsätze, Online-Konkurrenz 04.12.2019, 06:47 Uhr

Möbelhandel im Umbruch: Der Kampf um die Kunden

Lange Zeit dachten viele Möbelhändler, Sofas und Schränke eigneten sich nicht für den Verkauf im Internet. Ein grosser Fehler. Jetzt ist die Branche dabei, sich neu zu erfinden. Für die Kunden ist das oft von Vorteil.
Die Möbelbranche hat von der Konsumlaune zuletzt nicht profitiert.
(Quelle: shutterstock.com/AlexRoz)
Der Möbelhandel in Deutschland ist im Umbruch. Grosse Ketten wie Ikea oder XXXLutz sichern sich durch Übernahmen immer mehr Marktanteile. Gleichzeitig versuchen Online-Händler wie Home24 oder Otto, den etablierten Platzhirschen ihren Rang streitig zu machen. Der Kampf um die Kunden wird dadurch immer erbitterter. Zu den Gewinnern gehören die Konsumenten.
"Das Problem der Branche ist der harte Preiswettbewerb. Die Leute kaufen nicht weniger Möbel, sie müssen dafür nur weniger bezahlen", beschreibt der Möbelhandelsexperte des Kölner Instituts für Handelsforschung (IFH), Uwe Krüger, die Lage. "Die Verbraucher können sich darüber freuen. Für die Branche ist es ein Desaster."

Hohe Mieten fressen Wohnbudget

Eigentlich sollten es glänzende Zeiten für den Möbelhandel sein. Die Verbraucher in Deutschland haben dank der guten Konjunkturentwicklung der vergangenen Jahre viel Geld und sie sind auch bereit, es auszugeben. Doch die Möbelbranche hat von der Konsumlaune zuletzt nicht profitiert: 2018 waren die Umsätze leicht rückläufig.
Und auch auf das laufende Jahr schaut die Branche eher mit gedämpftem Optimismus. "Wir haben eine stabilen, aber nicht wachsenden Markt im Bereich Möbel und Küchen", meint der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Möbel und Küchen, Thomas Grothkopp. Die Nachfrage leide darunter, dass das Wohnbudget der Bundesbürger von steigenden Mieten und Nebenkosten aufgefressen werde.

Online-Konkurrenz zu stark?

Doch ist die Mietpreisexplosion bei weitem nicht das einzige Problem, das die Branche umtreibt. Auch im Möbelhandel sorgen inzwischen Online-Händler wie Home24, Westwing, aber auch Otto und Amazon für frischen Wind. Nach einer aktuellen Studie des IFH gehört der Bereich Wohnen und Einrichten in diesem Jahr zu den grössten Wachstumstreibern im Onlinehandel. Die Beratungsgesellschaft PwC geht davon aus, dass der Umsatz der deutschen Möbelbranche im Internet bis 2023 jährlich im Schnitt um 8,4 Prozent wachsen wird.
"Der Online-Handel ist eine massive Bedrohung für den klassischen Möbelhandel: Viele Händler haben anfangs gedacht, Möbel eigneten sich nicht dafür. Aber das stimmt nicht. Es lässt sich alles online verkaufen", betont Krüger.
Das hat auch Marktführer Ikea bemerkt. Der skandinavische Möbelriese steigerte im Ende August abgelaufenen Geschäftsjahr 2019 seinen Online-Umsatz in Deutschland um satte 33 Prozent auf fast 500 Millionen Euro. Damit macht der Konzern inzwischen fast ein Zehntel seines Geschäfts hierzulande via Internet.
Ikea zögerte anfangs beim Start ins Netz. Doch inzwischen geben die Schweden Gas und investieren viel Geld und Energie in den Ausbau des eigenen Online-Angebots und die nahtlose Verknüpfung aller Kanäle. Der Bau weiterer Möbelhäuser im XXL-Format auf der grünen Wiese ist dagegen erst einmal kein Thema mehr.
Beim Umsteuern in Richtung Online-Geschäft hilft den Schweden nicht nur ihre gut gefüllte Kriegskasse, sondern auch ihr Geschäftsmodell. "Ikea hat einen Riesenwettbewerbsvorteil, weil das Unternehmen die gesamte Verwertungskette von der Produktion bis zum Verkauf in seiner Hand vereint", urteilt Branchenkenner Grothkopp. Das Unternehmen habe dadurch bei seinen Produkten die Preishoheit im Online- und im Offline-Handel.

Die Achilles-Ferse der Onliner

Andere Händler, die ihre Produkte von der Möbelindustrie bezögen, müssten damit rechnen, dass ein Konkurrent nur einen Klick entfernt das gleiche Produkt günstiger anbietet. Ikea nicht, erklärt der Branchenkenner. "Daher gibt es bei vielen anderen Händlern eine gewisse Zurückhaltung beim Thema Online-Handel", berichtet Grothkopp. Sie wollten die Leute lieber in die Möbelhäuser holen - mit Rabatten, 0-Prozent-Finanzierung und billigem Frühstück.
Der designierte Vorstandsvorsitzende des Online-Möbelhändlers Home24, Marc Appelhoff, sagt bereits eine schwere Zeit für die klassischen Möbelhändler voraus. "Es wird ein weiteres Möbelhaus-Sterben geben, weil es insgesamt zu viel Verkaufsfläche gibt, und der Kunde nicht mehr raus aus der Stadt fahren will", erklärte er kürzlich in einem Interview.
Doch gibt es in der Branche auch Zweifel am Konzept der reinen Online-Händler. Grothkopp etwa sieht durchaus einige Schwachpunkte diser Pure-Player: "Wer liefert an, wer baut es zusammen? Das ist oft die Achilles-Ferse der Onliner." Gute Aussichten habe in Zukunft vor allem, wer beide Kanäle gut bedienen könne.
Auf jeden Fall könnten die nächsten Jahre für die Branche turbulent werden. "Der Möbelmarkt steht zurzeit am Scheideweg und es ist noch nicht ganz klar, in welche Richtung es geht", meint Branchenkenner Krüger. "Entwickelt sich die Konjunktur schlecht, dann sind Möbel die ersten Produkte, die nicht mehr gekauft werden."



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