Werbeplätze gegen Güter 29.08.2016, 11:14 Uhr

Media-Bartering: Lukratives Tauschgeschäft

Media-Bartering ist ein spezielles, aber interessantes Geschäft: Bei dem Tauschhandel werden freie Werbeplätze mit Autos, Kaffeemaschinen oder Gartengrills bezahlt.
(Quelle: Fotolia.com/Gina Sanders)
Die Molkerei Ehrmann warb in den Sommerwochen wieder kräftig für ­ihre Milchprodukte. Zu der Kampagne zählten auch Plakate, auf denen in ästhetisch inszenierten Aufnahmen eine neue Joghurtsorte angepriesen wurde. Der Clou: Grosse Teile dieser Werbeflächen waren nicht mit Geld bezahlt worden. Sie wurden stattdessen mit Tausenden von Joghurtbechern aus einer Überproduktion beglichen, die dringend einen Abnehmer suchten. Für Ehrmann ­also ein lukratives Geschäft. Statt auf den Milchprodukten, deren Haltbarkeit schliesslich begrenzt ist, sitzen zu bleiben, konnte damit eine Plakatkampagne realisiert werden.

Warenüberhänge werden sinnvoll eingesetzt

Möglich machte diesen Deal eine kleine Agentur. Die Rheinkontor Media aus Köln hat sich darauf spezialisiert, ihren Kunden Werbezeiten für TV- und Radiospots, Plätze für Display-Werbung oder eben Flächen für Plakatkampagnen zu verschaffen und sich im Gegenzug mit Naturalien bezahlen zu lassen. Media-Bartering heisst dieser Tauschhandel in der Fachsprache oder, wie es in den Unterlagen der Rheinkontor businesslike formuliert ist: "Warengegengeschäft zur Verbesserung der ­Mediaperformance". Media-Bartering ist damit eine Weiterentwicklung der Barter-Deals, wie sie sonst in der Branche durchaus üblich sind, bei denen jedoch zumeist ­Medialeistung mit Medialeistung verrechnet wird.
Es gibt sicher einfachere Geschäfts­modelle als Media-Bartering. Am Beispiel von Ehrmann zeigt sich, wie komplex so ein Deal sein kann. Die Molkerei aus dem Allgäu hat regelmässig einen Produktionsüberhang. Da kommt ein Partner wie Rheinkontor gerade recht. Denn die Agentur hat einen Weg gefunden, wie sie die Restbestände kapitalisieren kann. Sie hat Kontakte zu Caterern aufgebaut, die kurzfristig grosse Mengen von Joghurtbechern abnehmen, die an Grossküchen, Krankenhäuser, Justizvollzugsanstalten oder Flüchtlingsheime geliefert werden. Gleichzeitig gehört es zu ihrem Job, sich das Jahr über günstige Werbeplätze zu sichern. Diese vermittelt sie dann an Ehrmann weiter.
Ehrmann wirbt gerne auf Plakaten. Ein Teil davon wird über Media-Barter-Deals finanziert.
Nach diesem Muster werden deutschlandweit in schöner Regelmässigkeit die unterschiedlichsten Media-Bartering-Deals abgewickelt. Etwa eine Handvoll Agenturen hat sich auf dieses Geschäft spezialisiert. Werbekampagnen werden mal mit Autos, mal mit Kaffeemaschinen, mit Gartengeräten oder auch Kosmetikprodukten bezahlt.
Von den Agenturen wird bei diesem ­Geschäft viel Kreativität und eine hohe Expertise in Sachen Media verlangt. Kreativität, weil auf die Schnelle alternative Vertriebskanäle gefunden werden müssen, die vom Unternehmen selbst noch nicht ausgeschöpft wurden. Media-Expertise, weil die Medienlandschaft kontinuierlich nach günstigen Gelegenheiten ­gescannt werden muss. „Wir nutzen ­Warenüberhänge bei Herstellern und freie Kapazitäten in der Medialandschaft und matchen beides“, sagt Klaus Westrick, Gründer und Geschäftsführer der Media-Bartering-Agentur XLS aus Wiesbaden.

Fernsehgeräte für Werbeplätze bei ProSieben

XLS sieht sich als Marktführer in diesem Segment. Mit Barter-Geschäften hat das Unternehmen in den vergangenen 15 Jahren rund 550 Millionen Euro umgesetzt, etwa 11.500 Autos gehandelt und 100.000 TV- und Radiospots eingekauft. Vom ­TV-Geräte-Hersteller Grundig erwarb XLS beispielsweise 1.000 Fernsehgeräte und bezahlte diese mit Werbeplätzen bei der Sendergruppe Pro Sieben Sat1. Die Fernseher verkaufte XLS an Chevrolet, wo sie für eine Werbeaktion verwendet wurden. Die Aktion bewarb Chevrolet mit Radio­spots, die wiederum über XLS bezogen wurden. Ein Kreislauf von Waren und Media - für Aussenstehende kaum nachvollziehbar.
Gehandelt wird in erster Linie mit ­Waren aus Produktionsüberhängen, Geräten, die noch auf Lager sind, obwohl gerade ein Nachfolgemodell auf den Markt kommt, Saisonartikeln und anderen ­Ladenhütern. Die Unternehmen sind froh darüber, dass ihnen ­jemand die Restbestände abnimmt. Sie zeigen sich im Preis kulant, weil ihnen die Ware die Lager verstopft und Abschreibungen, Preissenkungen oder Ausgaben für zusätzliche Verkaufsförderungsmassnahmen drohen. Sie müssen nur darauf achten, dass ihre Geschäftspartner ungewohnte Absatzkanäle nutzen. "Wir dürfen den klassischen Handel nicht torpedieren", sagt Westrick.
So verkaufte XLS die Motorräder eines heimischen Herstellers in Ländern ausserhalb der EU und Rheinkontor Smartphone-Modelle, die bereits vor zwei Jahren auf den Markt kamen, in Asien und Afrika. Manchmal sind es ­sogar Waren, die gar nicht aus der eigenen Produktion stammen, sondern aus anderen Gründen noch im Lager liegen. Der Süsswarenhersteller Trolli hatte aus einer Aktion noch Dutzende hochwertiger Weber-Grills im Keller. Er reichte diese an Rheinkontor weiter und bezahlte damit indirekt einen Teil einer Plakat- und TV-Kampagne.

Umgekehrter Prozess

Manchmal verläuft der Prozess auch umgekehrt. XLS hat schon mal für einen Medienkonzern ein Grossevent organisiert und finanziert. Im Gegenzug hatte man sich Werbeplätze gesichert, um diese bei Gelegenheit weiterzuverkaufen.
"Das Geschäft ist recht komplex und ­erfordert viel Einfallsreichtum", bestätigt Detlef Grap, Geschäftsführer von Rheinkontor Media. "Wir müssen uns in Industrien hineindenken, in ihre Produkte und in die Märkte, in denen sie gelistet sind." Manche Unternehmen gehen mehrmals im Jahr solche Deals ein. Andere sehen solche Geschäfte eher kritisch. Grap berichtet von zahlreichen Bedenkenträgern. "Der Markt könnte grösser sein, wenn es nicht so viele Vorbehalte gäbe", so Grap. Dazu kämen "Budget-Egoismen". So gibt ein Mediaplaner nur ungern einen Teil seines Budgets ab, wenn dies vor allem den Kollegen aus dem Vertrieb zugutekommt.
Dennoch gehen die Beteiligten davon aus, dass die Zahl der Barter-Deals zunehmen wird. Das liegt vor allem an den digitalen Medien. "Der Trend zum Online- und Mobile-Marketing sorgt für ein immer grösseres Angebot an Werbeflächen", so Westrick. "Das verschafft uns spannende Marktperspektiven und weitere Geschäftsmöglichkeiten."



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