Swicos SSIS 01.11.2022, 15:09 Uhr

Schweizer Software-Branche wächst und leidet noch mehr unter Fachkräftemangel

Die Schweizer Softwarebranche kehrt zu den Wachstumsraten von vor der Pandemie zurück. Für die Jahre 2022 und 2023 wird von einem branchenweiten Umsatzwachstum von mehr als 6 Prozent ausgegangen. Das verschärft auch den Fachkräftemangel, analysiert eine Swico-Studie
(Quelle: Swico)
Die Schweizer Software-Branche meldet sich zurück zu alter Grösse. Anders als im vergangenen Jahr, in dem die Pandemie die Prognosen trübte, rechnet besagte Industrie für 2022 wieder mit einem Umsatzwachstum von 6,5 Prozent. Damit liegt die Zunahme 2,7 Prozentpunkte über jener des Vorjahrs. Auch 2023 soll die Branche weiter zulegen, und zwar um 6,3 Prozent.
Auch die Profitabilität (EBIT-Marge) fällt mit 9,4 Prozent um 1,3 Prozentpunkte höher aus als im Vorjahr. Die EBITDA-Marge beträgt für den gleichen Zeitraum 11,3 Prozent.
Diese Prognosen gehen aus dem jüngsten Swiss Software Industry Survey (SSIS) des Instituts für Wirtschaftsinformatik der Universität Bern hervor, der zum zweiten Mal von Swico getragen wird. Für die Untersuchung wurden 321 helvetische Software-Unternehmen befragt.

Geringeres Auslandsgeschäft, dafür mehr Aufträge vom Bund

Im Jahr 2022 erwirtschaftete die Software-Branche unverändert gering 6,1 Prozent Ihres Umsatzes im Ausland. Über dem Branchendurchschnitt lagen dabei die Hersteller von Standardsoftware (12,2 Prozent) sowie die Individualsoftwarehersteller (7,2 Prozent). Der mit Abstand wichtigste Umsatzmarkt im Ausland bleibt Deutschland.
Besondere Bedeutung hat im Inland die öffentliche Hand. Die Schweizer Software-Industrie erwirtschaftete im Jahr 2021 34,4 Prozent ihres Umsatzes mit Aufträgen der Verwaltung – bei Standardsoftware (64,4 Prozent) noch in höherem Masse als bei Individualsoftware (20,3 Prozent). Mit einigem Abstand folgt die Finanzbranche mit 9,2 Prozent als zweitwichtigste Absatzbranche.

Fachkräftemangel verschärft sich

Doch das prognostizierte Wachstum hat eine Kehrseite. Es verschärft den Fachkräftemangel noch mehr, denn die Software-Firmen wollen 5,7 Prozent mehr Personal einstellen. Das entspricht einer Steigerung um rund 3,6 Prozentpunkte. Die Fluktuationsrate bei den Mitarbeitenden in der Branche bleibt mit durchschnittlich 10,8 Prozent relativ stabil, nur 0,4 Prozentpunkte höher als im Vorjahr.
Die SSIS widmet daher heuer auch das Fokusthema dem Fachkräftemangel, von dem die Software-Branche besonders betroffen ist. So benötigen Software-Unternehmen durchschnittlich 81 Tage, um eine offene Position zu besetzen – deutlich mehr als in anderen Branchen, wo die «Time-to-Fill» 50 Tage beträgt.
Dieser Schlüsselindikator im Kampf um Talente zeigt, dass die Software-Branche aufgrund des Fachkräftemangels ihr Wertschöpfungspotenzial nicht voll ausnutzen kann, wodurch auch die Digitalisierung in der Schweiz markant gebremst werden dürfte, heisst es in einer Mitteilung von Swico.

Fachkräfteaufbau verlangt nach kreativen Ideen

Die SSIS sucht auch nach Lösungen. Eine ist die Flexibilisierung der Arbeit. Diese hat denn auch einen besonderen Stellenwert für die Software-Unternehmen bei der Bindung von Mitarbeitenden. 70 Prozent geben an, in den letzten drei Jahren verstärkt flexible Arbeitsmodelle eingeführt zu haben. Auch die Möglichkeit von Teilzeitarbeit zur Anbindung von Mitarbeitenden, die vor der Pensionierung stehen, und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder Beruf und Ausbildung werden sehr häufig genannt. Bemerkenswert ist, dass das Angebot von überdurchschnittlichen Lohnnebenleistungen (Fringe Benefits) beliebter und erfolgreicher sind als die Anhebung von Salären.
«Diese Ergebnisse decken sich mit unseren Erkenntnissen», hält Judith Bellaiche, Geschäftsführerin von Swico, fest. «Unser Bestreben nach Flexibilisierung der Arbeit wird damit erneut bestätigt. Der Innovationsstandort Schweiz wird unter anderem von unserer Fähigkeit für 'New Work' und angepassten Rahmenbedingungen abhängen», fügt sie an.

Gezielte Rekrutierung mit Fokus auf Frauen und Hochschulabsolventen

Bei der Rekrutierung setzen Schweizer Software-Unternehmen hauptsächlich auf Hochschulabsolventinnen und -absolventen und ganz gezielt auf Frauen. Deutlich weniger Anstrengungen unternehmen sie, um Mitarbeitende aus dem Ausland anzuwerben. Auffallend ist, dass sie sich weder um Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger noch um Lernende besonders bemühen. Angesichts des tobenden «War for Talents» erstaunt dieses Ergebnis. Es deckt sich nicht mit den Appellen von Swico, vermehrt in Lehrstellen zu investieren und auch Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger zu berücksichtigen.

Mit Near- und Offshoring den Mangel überwinden?

Eine weitere Möglichkeit zur Überwindung des Fachkräftemangels ist der Aufbau von Personalressourcen im (nahen) Ausland: das Near- oder Offshoring. 2021 bezog die Schweizer Softwarebranche 13,6 Prozent ihrer gesamten Wertschöpfung von externen Dienstleistern und 3,2 Prozent von eigenen Tochtergesellschaften in der Schweiz und im Ausland. Bemerkenswert dabei ist, dass die Unternehmen nicht Kosteneinsparungen, sondern den Zugang zu Arbeitskräften als primären Auslöser für eine Offshoring-Entscheidung nennen, zeigt die Studie.







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