Warum Digitalisierungsprojekte scheitern

Kultur

«Projekte scheitern in der Regel an den Menschen und nicht an Methoden oder Instrumenten», betont Margaret Dawson, Vice President of Product Portfolio Marketing bei Red Hat. «Anstatt die Technologie in der IT-Organisation an die erste Stelle zu setzen, sollten Unternehmen lieber mit der Kultur beginnen, und zwar einer offenen Kultur.» Einer der häufigsten kulturellen «Blocker» sei der hierarchische Führungsstil in vielen Unternehmen. «Eine digitale Transformation kann kein Diktat von oben sein», warnt Dawson. Es sei wichtig, alle in ein Projekt einzubeziehen, gemeinsam über neue Ideen nachzudenken und auf dieser Basis ebenfalls gemeinsam Entscheidungen zu treffen.
«Die Menschen müssen das Gefühl haben, dass sie etwas bewirken können», erklärt die Red-Hat-Managerin. Auch Markus Kammermeier sieht im menschlichen Miteinander einen wesentlichen Erfolgsfaktor: «Wenn ich die Akzeptanz der Betroffenen nicht früh im Blick habe, dann ist die Gefahr gross, dass Projekte schiefgehen oder sich zumindest stark verzögern.»
In Deutschland ist es oft die Angst vor Veränderung, die Digitalisierungsprojekte blockiert: «Wir scheitern auch an einer mangelnden Risikokultur, der Fähigkeit, Fehler und Miss­erfolge als positive Lernerfahrung zu verstehen», sagt Eberhardt Veit, Vorsitzender des Accenture-Industrial-Equipment-Beirats. Laut Kammermeier müssen diese Ängste unbedingt ernst genommen und adressiert werden: «Eine gute Kommunikation und eine professionelle Veränderungsbegleitung sind eminent wichtige Erfolgsfaktoren in einem Digitalisierungsprojekt. Technologie allein kann keine digitale Transformation bewirken.»
“Projekte scheitern in der Regel an den Menschen und nicht an Methoden oder Instrumenten.„
Margaret Dawson, Vice President of Product Portfolio Marketing bei Red Hat
Um Veränderungen auf verschiedenen Ebenen greifbar zu machen und daraus konkrete Handlungen ableiten zu können, empfiehlt Kammermeier das «Logical Levels of Change»-Modell, das von dem Trainer und Berater Robert Dilts Mitte der 1980er-Jahre entwickelt wurde. Es geht davon aus, dass menschliches Denken und Verhalten auf verschiedenen Ebenen beeinflusst werden kann, die hierarchisch aufeinander aufbauen: Die Umwelt, in der wir uns befinden, beeinflusst unser Verhalten, dieses wiederum unsere Fähigkeiten und Fertigkeiten, welche direkt Einfluss auf unsere Werte und Glaubenssätze haben. Darüber liegen die Ebenen der Identität und schliesslich die des «Seins», einer spirituellen Dimension, auf der die Frage nach dem Sinn des Lebens beantwortet wird.
Um nun eine Veränderung auf einer Ebene zu erzielen, muss man mindestens eine Ebene darüber ansetzen. Statt also beispielsweise das Verhalten direkt beeinflussen zu wollen, gilt es, die Fähigkeiten und Kenntnisse der Betroffenen zu entwickeln. Dabei können förderliche Glaubenssätze wie «Neue Software erleichtert unsere Arbeit» helfen.
Methoden wie das Dilts-Modell oder ähnliche Verfahren aus dem Bereich des Neuro-Linguistischen Programmierens stossen bei Psychologen allerdings auf Kritik. Uwe P. Kanning vom Lehrstuhl für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück bezeichnet die Vorstellung, man könne dadurch das Verhalten von Mitarbeitern schnell und einfach verändern, als «naiv».
Manche Experten halten den Faktor Unternehmenskultur ohnehin nicht für entscheidend. «Wenn Digitalisierungsprojekte scheitern, wird das oft auf kulturelle Probleme geschoben», sagt etwa Carlo Velten, Gründer und CEO des Beratungsunternehmens Cloudflight. «Ich halte das für Unsinn. Niemand weigert sich, eine neue Lösung einzusetzen, wenn diese viel besser ist als die alte.»
Veltens Ansicht wird durch eine Umfrage gestützt, die das Beratungsunternehmen Accenture anlässlich einer Studie für das World Economic Forum durchgeführt hat. 84 Prozent der befragten Arbeitnehmer waren von den Auswirkungen digitaler Technologien auf ihren Job begeistert, 66 Prozent äusserten die Überzeugung, dass digitale Technologien die Qualität ihrer Arbeit verbessern. «Die Belegschaft ist - allein durch die nachrückenden Millennials - bereits wesentlich weiter als gedacht», heisst es dazu in der Accenture-Studie «Ein neuer Weckruf zur Digitalisierung».



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