Gaia-X: Geteilte Reaktionen auf europäische Cloud-Infrastruktur

Befürworter verweisen auf digitale Souveränität

Es gibt auch Befürworter einer europäische Cloud- und Dateninfrastruktur. Der Internet-Verband Eco hat sich dazu bei rund 500 Unternehmen umgehört. Das Ergebnis der repräsentativen Umfrage: 80 Prozent der Manager sind der Ansicht, dass digitale Souveränität in Form einer leistungsfähigen und sicheren digitalen Infrastruktur entscheidend für die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland sei. Oliver Süme, Vorstandsvorsitzender des Eco, fordert, dass Europe einen "intelligenten Mix an digitalen Infra­strukturanbietern“ brauche: "Datensouveränität und Datenzugang sind ­wesentliche Erfolgsfaktoren für eine datengetriebene Wirtschaft." Der Schlüssel dafür seien leistungsfähige Rechenzentren.
Der Verband der IT-Wirtschaft Bitkom bezieht in einem Eckpunktepapier Stellung zu einer souveränen Cloud- und Datenstruktur in Deutschland und Europa. Im Kern gehe es bei der Diskussion um Gaia-X um die Frage, "wie wir uns in der digitalen Welt die Fähigkeit zu selbst­bestimmtem Handeln bewahren", so der Bitkom. Souverän heisse, in zentralen Technologiefeldern und Diensten über eigene Fähigkeiten auf Spitzenniveau zu verfügen und selbstbewusst zwischen ­Alternativen entscheiden zu können. ­Lukas Klingholz, Referent Big Data und Künstliche Intelligenz im Bitkom, findet es gut, dass die Bundesregierung die Datensouveränität als Handlungsfeld identifiziert hat, meint aber: "Die eigentliche Arbeit beginnt jetzt erst."
Um den Aufbau von Rechenzentren und Gigabit-Netzen voranzutreiben, brauche es eine strategische Standortpolitik. Dazu zähle beispielsweise, die Strompreise für Rechenzentren zu senken. Dass sie in Deutschland höher sind als in anderen Ländern, bedeute einen Nachteil. "Ein wichtiger Schritt wäre es, Rechenzentren von der EEG-Umlage zu befreien", meint Klingholz. Zudem müssten die Rahmenbedingungen für Wachstumsfinanzierung und Risikokapital verbessert und der digitale europäische Binnenmarkt vollendet werden. Denn er bilde die Grundlage für das Wachstum und die Skalierung von Gaia-X.

Klare Kriterien

Für die Teilnahme an Gaia-X müsse es klare Kriterien geben, fordert der Bitkom. "Diese Kriterien sollen Datensouveränität, digitale Souveränität und die Sicherheit von Anwendungen garantieren, die im Rahmen von Gaia-X angeboten werden“, sagt Klingholz. Die Herkunft und der Hauptsitz von Anbietern sollte kein Entscheidungskriterium sein, solange die ­Anbieter die noch zu definierenden Kriterien einhalten und garantieren.
Rainer Sträter, Head of Global Platform Hosting beim Hosting-Anbieter Ionos, ist der Ansicht, dass vor allem kleine und mittelständische Unternehmen von Gaia-X profitieren können, weil sie selten das Know-how hätten, um eine eigene Server-Infrastruktur sicher zu betreiben (mehr dazu in diesem "Pro und Kontra" zu Gaia-X).
Gleichzeitig sei bei ihnen das Misstrauen gegenüber den dominanten US-Anbietern gross. Er verweist auf den US-amerikanischen Cloud Act. Dieses Gesetz ermöglicht es US-Behörden, von US-Anbietern Zugriff auf Daten zu verlangen, die auf Servern ausserhalb der USA liegen.
Sträter geht davon aus, dass jeder Wirtschaftszweig von Gaia-X profitieren werde, auch der Online-Handel. "Beim Online-Handel geht es um den Umgang mit sensiblen Daten, den Zahlungsinformationen von Kunden. Hier hat eine Plattform, die auf europäischen Datenschutzstandards basiert, einen Wettbewerbsvorteil.“
Für den Online-Handel wäre ein Zusammenspiel aus Private und Public Cloud effektiv, meint Ried von Crisp Research: Der Katalog-Teil einer Handelsplattform, der etwa 80 Prozent der Performance braucht, sollte auf einem Public-Cloud-Hyperscaler liegen. Nur die Transaktionsprozesse sollten auf einer Infrastruktur mit hohem Datenschutz liegen. "Damit beide optimal als hybride Multi-Cloud zusammenspielen, muss der private Teil am besten an der gleichen Location liegen, aber von einem lokalen Service Provider betrieben werden.“

Noch viele Fragen ungeklärt

Grundsätzlich sei alles sinnvoll, was zu einer weiteren Digitalisierung des Standorts Deutschland beitrage, kommentiert Marco Revesz, Teamleiter Cloud und Automation bei Internetx, einem Anbieter von Domains, Cloud- und Server-Produkten. Bisher hätten schon viele Unternehmen versucht, sich als deutsche Alternativen zu den Hyperscalern zu positionieren, gelungen sei es bis dato aber noch keinem.
Damit Gaia-X erfolgreich wird, müssten mehr Investitionen in Infrastruktur und Bildung erfolgen, meint Revesz. Denn Gaia-X werde nur möglich sein, wenn Menschen mit entsprechendem Know-how "lokale“ Innovationen entwickeln und vorantreiben. "Wir betrachten das Projekt aktuell aus einer gesunden Distanz“, erklärt Revesz. Viele Fragen seien derzeit noch ungeklärt, findet der Cloud-Experte: "Auch bei Gaia-X wird der Markt entscheiden, ob ein Bedarf dafür existiert und ob sich solch ein Projekt nachhaltig lohnen wird.“



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