Dr. House 20.10.2016, 09:53 Uhr

IBM Watson hilft bei der Diagnose

Seltene Krankheiten zu diagnostizieren ist die Spezialität von Jürgen Schäfer am Universitätsklinikum Marburg. Jetzt erhält der deutsche "Dr. House" Hilfe von IBMs kognitivem Assistenten Watson.
(Quelle: Pavel Chagochkin /Shutterstock.com)
Der deutsche Dr. House: Jürgen Schäfer hofft dank Watson 6000 noch ungelöste Fälle zu diagnostizieren.
Quelle: Jens Stark
Jürgen Schäfer kann als deutscher "Dr. House" durchgehen. Wie das Vorbild in der US-Fernsehserie sind sein Team und er auf seltene Krankheiten spezialisiert. Seit 2013 behandeln sie am "Zentrum für unerkannte und seltene Erkrankungen" (Zuse) des Universitätsklinikums Marburg Patienten, die zum Teil Jahre und Jahrzehnte von Arzt zu Arzt gereicht werden, ohne eine zufriedenstellende Diagnose auf ihre Krankheit erhalten zu haben. "Viele unserer Patienten haben eine lange Krankengeschichte und bringen uns fünf Kilo schwere Dokumentenstapel von früheren Untersuchungen mit", berichtet Schäfer. Hier den fehlenden Link zu finden, der zur korrekten Diagnose führt, gleicht somit der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen.

IBMs "Dr." Watson

Doch jetzt erhalten die Ärzte am Zuse mit dem kognitiven System Watson von IBM einen digitalen Assistenten, der ihnen helfen soll, schneller die Ursachen der seltenen Krankheiten zu erforschen und die Warteliste von mittlerweile 6.000 Ratsuchenden zu verringern, wie im Rahmen eines Medientags des IBM-Forschungslabors in Rüschlikon bei Zürich bekanntgegeben wurde.
In einem zwölfmonatigen Pilotprojekt hat das Marburger Team die Fähigkeiten von Watson geprüft, indem sie das System mit Material von bereits gelösten Fällen fütterten und die Diagnosen des digitalen Kollegen beurteilten. Was Watson ausspuckte, hat offensichtlich die Ärzte am Zuse überzeugt, sodass sie das System nun für aktuelle Fälle einbeziehen wollen.

So geht Watson vor

Und so geht Watson vor: Zunächst führt das System eine Textanalyse der Patientenbriefe vor. Dabei isoliert die natürliche Sprachanalyse nicht nur die Symptome, sondern "versteht" auch, welche Medikamente verabreicht wurden. Doch damit nicht genug: Das System extrahiert aus der Kankengeschichte auch, welche Diagnosen ausgeschlossen werden und welche Medikamente der Patient nicht verträgt.
Neben dieser Analyse wertet Watson auch seine vorhandene Wissensbasis aus. Diese besteht aus diversen Quellen wie medizinischen Antologien und Datenbanken, aber auch aus Beiträgen auf Wikipedia. "Daneben wird Watson laufend mit medizinischen Publikationen gefüttert", berichtet Matthias Reumann vom IBM-Forschungslabor Rüschlikon, und weist darauf hin, dass in diesem Fachbereich derzeit zwei Artikel pro Minute veröffentlicht werden.
Neben der Wissensbasis haben die Zuse-Ärzte auch einen Online-Fragebogen mit 1.200 Fragen entwickelt, der strukturierte Informationen liefert.

Hat der Arzt bald ausgedient?

Matthias Reumann vom IBM-Forschungslabor Rüschlikon ist für das Watson-Projekt mit den Marburgern verantwortlich.
Quelle: Jens Stark
Nach diesem ganzen Input tritt das sogenannte Cognitive Core von Watson in Aktion. Dieses ordnet beispielsweise Symptomen Krankheiten zu und umgekehrt. Schlussendlich präsentiert das System dem Arzt eine Reihe von möglichen Diagnosen, welche mit Hilfe eines Rankings gewichtet werden. Wie Reumann gegenüber com! professional versichert, sei die Diagnose von Watson sehr transparent und könne von den Ärzten nachvollzogen werden.

Watson ist ein nützliches Tool, ersetzt den Arzt aber nicht

Angst um seinen Job hat Schäfer vom Zuse derweil nicht. Vielmehr sieht er Watson als tüchtigen Gehilfen, der seine Fähigkeiten nicht ersetze und das Vertrauen der Patienten in seine Künste nicht vermindere. Er bringt den Vergleich mit einem Piloten, der sich wie selbstverständlich auf die Angaben des Bordcomputers verlässt, ohne dass die Passagiere deshalb eine Vertrauenskrise bekommen. Im Gegenteil: "Was würden Sie sagen, wenn auf einem Flug nach New York der Captain mitteilen würde: Zur Verbesserung des Vertrauensverhältnisses stelle ich jetzt den Bordcomputer aus?", stellt Schäfer als Gegenfrage.



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