Erstmaliger Rückgang 11.02.2015, 22:25 Uhr

Tablet-Marktreport: Die Furcht vorm Phablet

Der Tablet-Markt ist immer mehr gesättigt, der Boom der letzten Jahre vorbei. Immer mehr Kunden greifen zum Phablet und lassen gerade kleinere Tablets links liegen.
(Quelle: shutterstock&Bloomua)
Es klingt wie ein Scherz, aber es hat tatsächlich jemand geschafft, einen iPad-Killer zu bauen, und das ist ausgerechnet Apple selbst. Denn mit dem Erscheinen des 5,5 Zoll grossen iPhone 6 Plus gehen die Verkäufe des kleinen iPad mini im 7-Zoll-Format zurück, viele Kunden greifen offenbar lieber zum Phablet. Dieser Trend trifft nicht nur den langjährigen ­Tablet-Marktführer Apple, sondern auch andere Hersteller.
So wurden zwar laut den Analysten von IDC im Jahr 2014 weltweit 229,6 Millionen Tablets verkauft, das waren 4,4 Prozent mehr als 2013. Doch im vierten Quartal gab es auf diesem Markt mit 76,1 Mil­lionen verkauften Geräten erstmals seit Erhebung der Daten im Jahr 2010 einen Rückgang um 3,2 Prozent gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum.
Besonders stark trifft der Einbruch die Marktführer Apple und Samsung, deren Marktanteile im vierten Quartal 2014 im Jahresvergleich weiter von 33 auf 28 Prozent beziehungsweise von 17 auf 15 Prozent schrumpften. Zu den übrigen Playern gehörten im vergangenen Jahr vor allem Asus, Acer, Lenovo und Amazon. Doch keiner von ihnen ist im Gesamtjahr 2014 deutlich über fünf Prozent Anteil gekommen. Besonders stark waren die Einbrüche bei Amazon, wo die Fire-Tablets vor allem in den USA von den Kunden verschmäht wurden.

Lange Nutzungszyklen

Die Ursachen für das Ende des Booms sind vielfältig und zeigen sich in den weitgehend gesättigten Märkten von West­europa oder Nordamerika am deutlichsten. Während Modellzyklen von einem Jahr – oder sogar weniger - viele Smartphone-Nutzer zu einer hohen Kauffrequenz bewegen, scheinen Tablet-Besitzer deutlich länger an ihren Geräten festzuhalten. Das zeigen immer noch hohe Zubehörverkäufe für ältere iPad-Generationen oder auch die Verbreitung früherer Android-Versionen, die Google feststellt.
Da viele Tablets nur zu Hause genutzt werden und nicht unterwegs, wo die Gefahr einer Beschädigung deutlich grösser ist, halten sie in der Regel auch länger als Smartphones. Der technische Fortschritt beschränkte sich in den letzten Jahren zudem vorwiegend auf eine leichte Optimierung der Hardware, doch die Grund­prinzipien sind gleich geblieben. Auch ältere Tablets sind damit immer noch leistungsfähig genug für den Bedarf vieler Kunden, die sie vor allem zu Hause als zusätzlichen Bildschirm zum Surfen und Mailen nutzen.
Bei den kleinen Tablets mit 7 Zoll haben sich Phablets mit Display-Diagonalen von 5,5 bis 6,5 Zoll als kompaktere, aber trotzdem gut nutzbare Alternative erwiesen. Sie passen meist noch in eine Hosentasche und eignen sich auch zum Telefonieren. Vor allem in Asien gibt es deshalb einen starken Trend zu dieser Gerätekategorie, in die ja auch Apple mit dem iPhone 6 Plus selbst erfolgreich eingestiegen ist.
Am oberen Ende der Leistungsskala haben Hersteller wie Samsung zwar mit 12-Zoll-Tablets eine neue Tablet-Dimension ins Spiel gebracht, die vor allem professionelle Anwender ansprechen soll, diese Produkte konkurrieren aber bereits mit Ultrabooks, die immer günstiger werden.
Es gibt allerdings immer wieder Gerüchte, wonach auch Apple an einem iPad Air Plus mit mindestens 12 Zoll Diagonale arbeitet, das primär auf Firmenkunden abzielt und wiederum eine Konkurrenz zum MacBook Air sein könnte.
Für neue Käufe besonders im margenträchtigen Highend-Segment ist die Konkurrenz also gross, zudem fehlen häufig die technischen Innovationen als Kaufanreiz. So spielen leistungsstarke Kameras bei den meisten Tablet-Anwendern eine geringere Rolle als bei Smartphones und auch das Design scheint - ausser für Apple-Käufer - weniger wichtig zu sein.

Im Preiskampf

Entsprechend dem langsameren technischen Fortschritt fallen die Durchschnittspreise für Tablets weiter, auch wenn der Rückgang 2014 laut IDC mit 3,6 Prozent deutlich geringer sein soll als noch 2013. Die Tablet-Preise nähern sich stark denen von Smartphones an oder unterbieten diese sogar.
Apple könnte angesichts dieser Entwicklung in Erklärungsnot geraten: So kostet ein iPad Air 2 mit 128 GB und Mobilfunkmodul 809 Euro, das entsprechende iPhone gibt es erst für 999 Euro. Und das, obwohl im ­Smartphone die Komponenten wie das Display eigentlich etwas günstiger sein sollten als im Tablet.Hier diktiert offenbar der derzeitige Marktdruck, den selbst die Kultmarke nicht ignorieren kann, die Preispunkte.
Im Einsteigerbereich sanken die Preise in den letzten Monaten weiter bis auf die 100-Euro-Marke für kleinformatige Tablets. Mit No-Name-Ware vom Discounter wird so der Massenmarkt für Kunden, die einfach nur ein Tablet haben wollen, gesättigt.
Der Konkurrenzkampf in diesem Segment wurde 2014 durch immer neue Hersteller angeheizt, die weiter auf den Markt drängen und den grossen Marken Anteile abjagen. Das in globaler Perspektive immer noch vorhandene leichte Potenzial für Marktwachstum wird gemäss den Analysten von Gartner deshalb in den nächsten Jahren weiterhin vor allem von niedrigeren Preisen und nicht der technischen Innovation getrieben. 

Hoffnungsträger Windows

Noch nicht richtig in Fahrt gekommen ist das Geschäft mit Windows-Tablets, die durchaus eine Alternative zu Android und iOS sein könnten. In den letzten Monaten kamen von Herstellern wie Acer oder To­shi­ba zwar erste Angebote für weniger als 150 Euro, doch der Marktanteil ist noch niedrig. Die anfängliche Verwirrung um verschiedene Windows-Versionen wie das abgespeckte RT hat den Verkäufen wohl ebenfalls nicht geholfen.
Im oberen Segment gab es für das hauseigene Surface-Tablet von Microsoft zwar viel Lob, doch auf dem Markt tut es sich angesichts des hohen Preises schwer. Es bleibt abzuwarten, wie weit sich die eigene Smartphone-Abteilung – die ehemalige Nokia – im Tablet-Markt engagieren will oder kann. Wenn mit Windows 10 dieses Jahr die Betriebssysteme zusammengelegt werden, sollte man auf jeden Fall auch günstige Modelle und eine leistungsfähige Mittelklasse im Portfolio haben.
Das Surface Pro 3 von Microsoft macht auch beim Kaufpreis dem iPad Konkurrenz
Quelle: Microsoft
Der Handel kann sein Tablet-Glück zukünftig möglicherweise auch in einer ­dieser Nischen suchen: Outdoor-Nutzer, Senioren und Kinder – beziehungsweise deren Eltern – sind drei beratungsintensive Zielgruppen für Tablets.
Der Bereich der robusten Tablets spricht primär Firmenkunden wie Logistikunternehmen oder Architekten an, die Geräte auch unter harten Bedingungen draussen betreiben müssen. Hersteller wie Panasonic, Ruggear oder Logic Instrument bedienen dieses Bedürfnis und bieten speziell darauf zugeschneiderte Lösungen.
Nicht ganz einfach sind Senioren als Zielgruppe zu erreichen, obwohl diese mit einem Tablet viel einfacher an das Thema Web und E-Mail herangeführt werden können als mit einem klassischen PC. Hier empfiehlt es sich vor allem, auf vereinfachte Oberflächen wie jene von Doro, die auf Android aufsetzen, hinzuweisen.
Spezielle Senioren-Tablets sind noch kaum am Markt zu finden. Kinder unter zehn Jahren werden dagegen von Herstellern wie Blaupunkt jetzt mit ersten Geräten bedient, bei denen neben einer robusten Bauweise vor allem die Möglichkeit zur Content-Kon­trolle durch die besorgten Eltern im Mittelpunkt steht.




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