5G: Der neue Mobilfunkstandard im Detail

Glasfaser verdrängt die Kupferleitung

Die erforderlichen Basisstationen werden seit Jahren unter Verwendung von Glasfaserkabeln breitbandig an das Kernnetz angeschlossen. Zudem werden in der Schweiz in seltenen Fällen dedizierte Richtfunkstrecken zu Basisstationen eingerichtet. Hierzu zählen etwa nicht erschlossene oder abgelegenen Standorte. Eine rundstrahlende LTE- Basisstation mit drei Sektoren mit einem Abstrahlwinkel von je 120 Grad benötigt heute eine Bandbreite von etwa 500 Mbit/s. Dies ist ein Vielfaches von dem, was für GSM, aber auch für UMTS als sinnvoll erachtet wurde. Dort reichten noch Kupferleitungen mit 2 oder 4 Mbit/s. Dies zeigt, dass Glasfasern näher an die Senderstandorte kommen und Kupfer wohl bald ausgedient hat, auch wenn das die Betreiber nicht gerne hören, da sie hohe Investitionen abschreiben müssen. Bei 5G hingegen sind Glasfasern ein Muss.

Weiterentwickelte Verfahren: MIMO …

Viele funktechnischen Grundlagen für 5G wurden bereits bei 4G/LTE gelegt. Dazu gehört die weiter intensivierte Nutzung von Multiple Input, Multiple Output (MIMO), eine sogenannte Mehrantennentechnik mit räumlich separierten Datenströmen. Bei LTE wurden anfangs bis zu vier Antennen in der Basisstation und zwei Antennen im Endgerät vorgesehen, bei 5G hingegen bis zu 32 Antennen im Sender sowie entsprechend winzige Antennen im Endgerät. Das technische Grundprinzip von MIMO kommt bereits seit Jahren in WLANs meist mit paarweisen Antennen zum Einsatz, anfangs als 2 × 2 MIMO, später als 4 × 4 MIMO und neuerdings als 8 × 8 MIMO. Dabei nutzt der Raummultiplex (Spatial Multiplexing) die räumlich statistischen Eigenschaften eines Funkkanals mehrfach aus und verteilt den Datenstrom gleichmässig auf «N» Sendeantennen, sodass jede Antenne nur die 1/N-fache Datenrate abstrahlen muss.
MIMO wird auch bei 5G zum Einsatz kommen, und zwar als 8 bis 32 MIMO mit paarweisen Antennen und entsprechend vielen Kanälen
Quelle: Rüdiger Sellin
Dies allein erhöht die gesamte Sendeleistung zwar nicht zwingend. Jedoch wird die Übertragung ständig neu an die wechselnden Eigenschaften des Kanals angepasst. Alle Schichten des Kommunikationssystems müssen eine hohe Flexibilität ausweisen. Eine grosse Herausforderung besteht etwa darin, komplexe Sende- und Empfangssysteme für Mehrantennensysteme so in der verfügbaren Hardware zu implementieren, dass diese unter Echtzeitbedingungen einwandfrei laufen. Die dazu erforderliche hohe Rechenleistung bedingt zudem genügend grosse Akkuleistungen im Endgerät. Aus den verschiedenen Empfangssignalen wird über komplizierte Algorithmen ein optimiertes Summensignal ermittelt. Im Idealfall erreicht man einen besseren Datendurchsatz, da die Sende- und Empfangswege nicht den gleichen Störungen unterliegen. Signalverluste und Interferenzen werden vermieden oder korrigiert.

… und Carrier Aggregation

Eine weitere Möglichkeit zur Beschleunigung der mobilen Datenübertragung besteht in der Bündelung von Kanälen über mehrere Trägerfrequenzen, genannt Carrier Aggregation (CA). In der Evolutionsstufe 4,5 G/LTE-A (LTE Advanced) dient CA der weiteren Erhöhung der Datenrate pro Nutzer. LTE-A wählt zum Beispiel drei Trägerfrequenzen aus vier 2600 MHz). Innerhalb dieser Frequenzbänder werden dem User je nach lokaler Verfügbarkeit mehr oder weniger breite Frequenzblöcke zugewiesen (5, 10, 15 oder 20 MHz breit) und mit der CA-Technik kombiniert.
Beispielsweise kann man zwei Blöcke von je 10 MHz auf den Frequenzen 800 und 1800 MHz kombinieren und dem Endbenutzer insgesamt 20 MHz via CA anbieten. Eine weitere Möglichkeit wäre die Kombination zweier Blöcke mit 15 MHz auf 1800 MHz und 20 MHz auf 2600 MHz, was via CA insgesamt 35 MHz ergäbe. Die maximale Datenrate pro Nutzer erhöht sich dabei mit der Anzahl der Frequenz­blöcke. Auch die Gesamtdatenrate pro Funkzelle wird durch eine verbesserte Ressourcenausnutzung erhöht.
Carrier Aggregation (CA): Im vereinfachten Beispiel werden im Bild fünf unterschiedlich breite Spektren zu einem einzigen Kanal mit einer Bandbreite von 300 MHz kombiniert
Quelle: Rüdiger Sellin
Es liegt nahe, dass zur CA-Nutzung mit mehreren Datenübertragungswegen MIMO standardmässig zum Einsatz kommt. CA und MIMO fordern den integrierten Schaltungen in den Endgeräten eine grosse Rechenleistung ab, was die Akkulaufzeit in den Fokus rückt. Auf der Empfängerseite gilt es, mehrere Datenströme zwecks tiefer Latenz möglichst schnell wieder zu einem konsistenten Gesamtsignal zusammenzusetzen. Dies ist insofern beachtlich, als Signalreflektionen zu unterschiedlichen Laufzeiten führen können und die Signale mit mehreren 100 Mbit/s beim Empfänger eintreffen können. Hier haben die Chiphersteller beachtliche Entwicklungen geleistet.
So erstaunt es nicht, dass MIMO und CA in weiterent­wickelter Form auch für 5G zum Einsatz kommen werden. Das neue Verfahren trägt den langen Namen Multi-Radio Access Technology Carrier Aggregation (Multi-RAT CA) oder auch Multi-Flow CA. Mit stromeffizienteren Endgeräten will man bei 5G auch den Stromverbrauch in den Griff bekommen. Dies ist möglich dank schnellerer, kleinerer und sparsamerer Chipsätze. Die Ziele von 5G sind also ambitioniert:
  • Die Datenraten der kommenden Mobilfunkgeneration müssen auf bis zu 10 Gbit/s und mehr steigen. Im Labor wurden bereits 14 bis 15 Gbit/s erreicht.
  • Für IoT soll 5G Milliarden von Endgeräten versorgen; gerade für die Versorgung von Sensoren und Aktoren muss die Funktechnik so energieeffizient arbeiten, dass die im Gerät fest installierten Batterien über mehrere Jahre betriebsbereit bleiben.
  • Zur geplanten Echtzeitsteuerung und -regelung autonomer Autos oder von Verkehrswegen soll die Latenz von 5G auf nur noch wenige Millisekunden sinken.
  • Zur Beherrschung komplexer Industrieprozesse, für die Telemedizin oder für Rettungsdienste müssen die Verbindungen schnell und auch absolut zuverlässig sein.
Um dies alles zu erreichen, sind neue Ansätze erforderlich, was auch die Frage von 5G-Zweiflern beantwortet, weshalb man nicht einfach 3G/UMTS oder 4G/LTE ausbauen könne.




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