Connected Cars 26.09.2014, 11:29 Uhr

Wer gewinnt digitale Vorherrschaft im Auto?

Bislang hinkt die Automobilindustrie der globalen Digitalisierung hinterher. Doch im Auto werden auf Konnektivität beruhende Systeme am schnellsten sichtbar.
Unterschiedliche Sichtweise: Für Automobilhersteller (OEM) ist das Kfz ein Fortbewegungsmittel, für Google dagegen ein fahrender Screen
(Quelle: Mücke Sturm and Company)
In den neuen Modellen der Mercedes-A-Klasse ist serienmässig ein Fach für das iPhone integriert: Über eine App werden alle wichtigen Daten auf das Display des Fahrers übertragen, mit einem Stick am Armaturenbrett kann er zwischen den Anwendungen hin- und herswitchen. Audi-Käufer können künftig auch LTE an Bord haben - nicht nur für das eigene Infotainmentsystem, sondern auch für die Mitfahrer, die damit quasi in einem fahrenden WLAN-Hotspot sitzen. Weiteres Beispiel: Ab 2015 haben alle Neuwagen innerhalb der EU das eCall-System an Bord, das Unfälle automatisch an Notrufstellen meldet.
Die Liste möglicher Anwendungsbereiche ist lang. In der Studie "Connected Car 2014" hat das Portal Autoscout24 die begehrtesten Bereiche aufgeführt: Neben Verkehrsnachrichten und dem eCall sind das Systeme, die Unfälle verhindern, gestohlene Autos wieder auffinden, den Spritverbrauch optimieren, eine Fahrzeugdiagnose erstellen und nötige Reparaturen der Werkstatt melden, eine intelligente Parkplatzsuche oder Versicherungsmodelle, die sich am tatsächlichen Gebrauch des Autos orientieren (pay as you drive): Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Die Digitalisierung des Autos ist also in vollem Gange und das Smartphone spielt dabei eine Schlüsselrolle. Auf ihm sind alle persönlichen Daten des Nutzers sowie dessen liebste Apps hinterlegt, weshalb es unvermeidbar ist, geeignete Schnittstellen zu schaffen. Der Kampf um die digitale Vorherrschaft im Cockpit hat damit begonnen: Apple, Google, Microsoft, aber auch die Telekommunikationskonzerne drängen in diesen vielversprechenden Markt, den die Automobilindustrie nur ungern mit neuen Partnern teilen möchte. "Es wird spannend sein zu sehen, welche Systeme sich durchsetzen, ob Marken wie Audi, Mercedes oder BMW ihr Geschäft schützen können oder ob sie einen Pakt mit grossen Internet Playern eingehen müssen", sagt Achim Himmelreich, Partner der Agentur Mücke Sturm & Company und Stellvertretender Vorsitzender des BVDW. "Für die Automobilhersteller steht nicht weniger auf dem Spiel als die Antwort auf die Frage 'Werden sie Lieferanten des Ökosystems oder betreiben sie es selbst?'."
Der Branchenverband BVDW hat kürzlich mit der Hochschule Reutlingen eine interaktive Grafik erstellt, die zeigt, welche Unternehmen und Geschäftsmodelle in dieses neue Ökosystem drängen: Es hat nicht mehr viel mit der bislang geschlossenen Gemeinschaft aus Herstellern und Zulieferern zu tun. Deutlich wird das an dem unterschiedlichen Blickwinkel, mit dem die Player ein Auto betrachten. Während Hersteller im Fahrzeug ein Transportmittel sehen, ist es für die Telekommunikationskonzerne nicht viel mehr als ein Smartphone auf vier Rädern, in dem eine SIM-Karte verbaut ist. Für Google und die App-Entwickler ist es "just another screen", wie Himmelreich sagt.
Der Werbewirtschaft werden sich mit dieser Entwicklung neue Möglichkeiten erschliessen. Entscheidend werden dabei die Verfügbarkeit und Interpretation der Daten sein, um personalisierte Angebote erstellen zu können. Unternehmen könnten zum Beispiel mit Incentives locken, die umso grosszügiger ausfallen, je länger die Fahrt zum Geschäft dauert.




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