5G-Netzwerk 10.03.2023, 11:51 Uhr

Deutschland will keine 5G-Komponenten von Huawei – die Schweiz hat ein Problem

Das deutsche Bundesinnenministerium befürchtet Datenschutzprobleme bei 5G-Komponenten aus China und lässt diese prüfen. Österreich plant, dem Beispiel zu folgen – die Schweiz hält sich zurück.
(Quelle: Ink Drop/Shutterstock)
Bei der Sicherheitsüberprüfung ihrer Handy-Netze muss Deutschlands Telekommunikationsbranche nacharbeiten und bereits benutzte Bauteile chinesischer Zulieferer genauer unter die Lupe nehmen. Wie aus einem Schreiben des Bundesinnenministeriums an die Netzbetreiber hervorgeht, hält das Ministerium eine Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und der Sicherheit in Deutschland durch Komponenten von Huawei und ZTE für möglich. Daher sollen alle kritischen – also sicherheitsrelevanten – Teile, die schon im Netz verbaut sind, einer Prüfung unterzogen werden. Bisher bezog sich diese Prüfpflicht nur auf kritische Teile, die neu eingebaut werden.
Mit Komponenten gemeint sind Antennenmodule und Steuerungselemente. Auf welche genau sich die neue Prüfpflicht bezieht, ist noch unklar. In der Branche wird der Standpunkt vertreten, dass es nicht um Antennen gehen könne, da diese nur Daten durchleiteten und die Beeinträchtigung von einigen Antennen nicht wirklich kritisch sei für ein ganzes Handy-Netz. Bei Servern im sogenannten Kernnetz ist das anders. Diese spielen in der aktuellen Huawei-Debatte aber keine Rolle, da zum Beispiel Vodafone in diesem Netzbereich gar keine Komponenten dieses Herstellers verbaut hat. Die Deutsche Telekom entschied 2019, chinesische Ausrüster aus dem Kernnetz zu nehmen.
Über den restriktiveren Kurs der Bundesregierung hatten mehrere Medien berichtet. Die USA warnen Deutschland seit Langem eindringlich vor einer Beteiligung von Huawei am Mobilfunknetz. Mehrere Länder, unter anderem die USA und Kanada, haben Netztechnik von Huawei und ZTE bereits aus ihren Märkten ausgeschlossen. Die USA vertreten die Auffassung, China könne über die 5G-Technik etwa von Huawei Spionage betreiben. Die Firma wies die Vorwürfe stets zurück.

Abhängigkeit soll reduziert werden

Es gehe um mögliche Sicherheits- und Missbrauchsrisiken, sagte der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Maximilian Kall. «Natürlich geht es auch darum, nicht zu abhängig zu sein von bestimmten Anbietern.» Darüber hinaus werde geprüft, «ob es auch weitergehenden gesetzgeberischen Handlungsbedarf gibt». Regierungssprecher Steffen Hebestreit betonte, es gehe hier generell um die Sicherheit der kritischen Infrastruktur, nicht um einzelne Hersteller oder Staaten.
In dem Schreiben, das dpa vorliegt, werden Huawei und ZTE allerdings namentlich genannt. Das Ministerium bittet die Netzbetreiber um eine Liste besagter kritischer Bauteile bis Anfang April. Danach dürfte eine Überprüfung mehrere Monate dauern.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte, die Frage, ob chinesische Hightech-Komponenten generell aus Netzwerken der kritischen Infrastruktur verbannt werden sollten, könne «nicht abstrakt und generell beantwortet werden». «Es geht um Umsetzung bestehender Gesetze.» Institutionelle Zuständigkeiten dazu seien vorhanden. «Und alle machen ihre Arbeit – mehr gibt es nicht zu berichten.»
Mit der Sicherheitsüberprüfung will die Bundesregierung ausschliessen, dass China Zugriff auf deutsche Handy-Netze bekommt und dies ausnutzt, etwa zur Spionage. Mit der Ausweitung des Prüfumfangs will das Bundesinnenministerium nun vermutlich auch das Antennennetz in den Blick nehmen, bei dem die drei deutschen Handy-Netzbetreiber Deutsche Telekom, Vodafone und O2 unter anderem Huawei-Komponenten verbaut haben.

Netzbetreiber üben sich in Zurückhaltung

Die drei deutschen Handy-Netzbetreiber äusserten sich zurückhaltend. «Wir setzen sogenannte kritische Komponenten nach eigener Prüfung sowie Prüfung und Erlaubnis beziehungsweise Nicht-Untersagung durch das Bundesinnenministerium und nachgeordnete Behörden ein», erklärte ein Telekom-Sprecher. Ein Vodafone-Sprecher betonte, man halte sich «stets an die einschlägigen Normen und Gesetze».
Telefónica (O2) äusserte sich ähnlich. Ein Firmensprecher gab zu bedenken, dass man ausreichend Zeit bräuchte, sollte es zu einem Ausschluss einer Komponente kommen. «Dies ist zur Aufrechterhaltung von Netzqualität und -leistung essenziell.» Für einen rückwirkend notwendigen Umbau des Netzes wären «zusätzlich entsprechende Schadensersatzregelungen notwendig». Das allerdings sieht das Bundesinnenministerium anders: Dessen Sprecher wies darauf hin, dass das Gesetz für den Fall einer Untersagung bestimmter technische Komponenten keine Kompensationsleistungen vorsehe.
Hinter vorgehaltener Hand äusserten Vertreter der Telekommunikationsbranche ihren Unmut über das veränderte Vorgehen des Ministeriums. Obwohl bei den bisherigen Prüfungen keine Sicherheitslücken gefunden worden seien, verschärfe die Politik nun ihre Gangart und weite den Prüfradius wohl deutlich aus.
Finde man technisch keine Sicherheitslücken, könnte die Bundesregierung trotzdem den Ausbau der Bauteile fordern und dies damit begründen, dass Huawei nicht vertrauenswürdig sei, befürchten Branchenvertreter. Die Huawei-Technik auszubauen, wäre ein «Funknetz-Albtraum», den auch die Verbraucher zu spüren bekommen könnten: «Die Netzqualität würde dann sinken.»
Ein Sprecher des chinesischen Unternehmens sagte, man habe in den vergangenen 20 Jahren «äusserst verlässlich Technologie in Deutschland und der ganzen Welt geliefert – mit einer sehr guten Sicherheitsbilanz ohne nennenswerte Vorfälle». Selbstverständlich müsse «stets objektiv und sachlich» darüber gesprochen werden, wie Risiken im Cyberspace durch sinnvolle Massnahmen reduziert werden können, sagte der Huawei-Sprecher. «Beschränkungen eines stets verlässlichen Herstellers mit sehr guter Sicherheitsbilanz gehören aber sicher nicht dazu, Infrastrukturen sicherer zu machen.»

Österreichisch überprüft Massnahmen

Auch Österreich prüft, ob Bauteile der chinesischen Hersteller Huawei und ZTE im 5G-Netz verboten werden sollen. Es besteht die Befürchtung, dass China sich Datenzugriff verschaffen könnte – eventuell sogar zu Spionagezwecken.
Wie das Portal «Die Presse» berichtet, wolle man nun eine Verbotsprüfung einleiten und befinde sich diesbezüglich im Austausch mit den deutschen Kollegen. Allerdings sind deren Pläne hinsichtlich konkreter Massnahmen auch noch nicht final. Allfällige Massnahmen könnten jedoch auch in Österreich zur Anwendung kommen, wie Digitalisierungssekretär Florian Tursky gegenüber dem Portal Futurzone.at bekannt gibt. Allerdings bestünde derzeit kein Verdacht, dass ZTE oder Huawei in die Kategorie «Hochrisikolieferant» falle, welche derartige Massnahmen rechtfertigen würden, wie Klaus Steinmaurer verlauten lässt. Er ist Chef der österreichischen Rundfunk- und Telekom-Regulierungsbehörde (RTR).

In der Schweiz besteht ein rechtliches Problem

Auch die Schweiz befasst sich mit dem Thema, wie das Portal Inside IT weiss. Es besteht die Notwendigkeit einer Abklärung hinsichtlich einer Beeinträchtigung der Schweizer Technologieinfrastruktur durch den geoökonomischen Wettbewerb zwischen den Vereinigten Staaten und China.
In einem Postulat des SP-Nationalrats Jon Pult wird gefordert, dass «bei der Auswahl der Technologieanbieter die Aspekte Produktqualität, Zuverlässigkeit von Lieferketten, Unternehmensstruktur der Anbieter und der Rechtsrahmen am Standort des Unternehmens» berücksichtigt werden. Auch und vor allem müssen die Risiken geklärt und abgewogen werden, bevor man sich für einen Anbieter entscheidet.
Wie Inside IT weiter weiss, besteht jedoch ein rechtliches Problem hinsichtlich solcher Entscheide. Der Bund habe nämlich keine Entscheidungskompetenz in Bezug auf die Beschaffung von Infrastruktur der Schweizer Netzbetreiber. Diese seien selber für Sicherheit und Integrität verantwortlich. Lediglich die «Sicherstellung des Fernmeldegeheimnisses und des Datenschutzes» müsse gewahrt werden. 
In der Neuen Zürcher Zeitung hat der CEO von Sunrise-Mutter Liberty Global, Mike Fries, bereits verlauten lassen, dass man ohne politischen Druck nicht auf Huawei als Zulieferer verzichten wolle.  



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