Internet-Phänomen 23.08.2017, 10:10 Uhr

#HappyBirthday: Das Hashtag wird 10 Jahre alt

Ob #JeSuisCharlie, #RefugeesWelcome oder #FreeDeniz: Weltbewegende Ereignisse werden heutzutage mit Hashtags verbunden. Erfunden wurde es vor zehn Jahren - und hat seitdem die Kommunikation vor allem im Internet völlig verändert.
(Quelle: shutterstock.com/Julia Tim)
Es ist noch gar nicht so lange her, da hatte die Raute keine grosse Funktion. Auf jedem Telefon ist sie präsent, bei den meisten Smartphone-Tastaturen weiterhin viel zu gut versteckt. Und das, obwohl sie in den vergangenen zehn Jahren eine steile Karriere hingelegt hat.
Denn am 23. August 2007 hatte der US-Amerikaner Chris Messina die Idee, mit dem Doppelkreuz den noch jungen Kurznachrichtendienst Twitter besser zu sortieren. In einem Tweet schlug der Anwalt aus San Francisco vor, bestimmte Begriffe mit einer Raute zu markieren und so Gruppen und Diskussionen zu bilden. #barcamp lautete das erste Hashtag, mit dem Messina eine Internet-Revolution auslöste. 
Denn zehn Jahre später ist das Hashtag aus der sprachlichen Kommunikation - vor allem online - nicht mehr wegzudenken. Es kennzeichnet Gruppen, Themen und Stimmungen, weltbewegende Ereignisse sind inzwischen fest mit Hashtags verbunden.

Populäre Hashtags

#JeSuisCharlie etwa, eingeführt nach dem islamistischen Anschlag auf die Redaktion des Satire-Magazin "Charlie Hebdo" am 7. Januar 2015, war und ist ein Inbegriff der weltweiten Trauer. Mit dem Hashtag #RefugeesWelcome begrüsste Deutschland im Spätsommer 2015 die vielen Flüchtlinge, das Hashtag wurde in den vergangenen zwei Jahren nach Angaben der Social-Media-Analysten von "Talkwalker" mehr als 500.000 Mal bei Twitter genutzt. Und Freiheit für den in der Türkei inhaftierten Journalisten Deniz Yücel fordern nach wie vor viele unter #FreeDeniz.
Nahezu alles, was auf der Welt passiert, bekommt heutzutage ein Hashtag. Doch wie so viele grosse Erfindungen wurde das Hashtag zu Beginn belächelt. "Twitter hat sich zunächst gesträubt, das Hashtag einzuführen", erklärt Erfinder Messina rückblickend der Deutschen Presse-Agentur. Dort habe man vor zehn Jahren gedacht, das Hashtag sei "nerdy" und könnte den durchschnittlichen Nutzer verwirren. So dauerte es noch fast zwei Jahre, bis Twitter sämtliche Hashtags verlinkte und Messinas Erfindung damit auf eine neue Stufe hob.

Zahlen und Fakten

Laut Twitter werden aktuell weltweit täglich 125 Millionen Hashtags getwittert (Das ist der durchschnittliche Wert im Messzeitraum von Januar bis August 2017). Der meistgenutzte Hashtag im Jahr 2007 wurde rund 9.000 Mal verwendet. Der bisher meistgenutzte Hashtag im Jahr 2017 wurde bereits über 300 Millionen Mal genutzt.
Weitere Fakten rund um den Hashtag auf Twitter:
  • #FollowFriday: Der erste #Followfriday fand am 16. Januar 2009 statt, seitdem wurde #FF (oder #FollowFriday) mehr als eine halbe Milliarde Mal auf Twitter genutzt.
  • TV/Movies: Der meistgenutzte TV-Hashtag aller Zeiten auf Twitter ist #TheWalkingDead. Der meistgenutzte Movie-Hashtag aller Zeiten auf Twitter ist #StarWars. 
  • Sport: Der meistgenutzte Hashtag zu einem globalen Sportereignis auf Twitter ist #WorldCup. Der meistgenutzte Hashtag zu einem US-Sportereignis auf Twitter ist #SuperBowl. Der meistgenutzte Hashtag zu einer Sportliga auf Twitter ist #NFL. Der meistgenutzte Team-Hashtag auf Twitter ist #MUFC.
"In unserer ersten linguistischen Studie zu Twitter-Kommunikation im internationalen Vergleich 2009 enthielten weniger als zehn Prozent der Tweets Hashtags", sagt Sprachwissenschaftlerin Netaya Lotze von der Universität Münster. Das Konzept der "Hashtag-Community" sei damals noch völlig unbekannt gewesen.
Für den wirklichen Durchbruch des Hashtags habe der Bilderdienst Instagram gesorgt, glaubt Messina. "Es wurde schnell klar, dass man Fotos ohne Beschreibungen nicht schnell wiederfinden kann", sagt der US-Amerikaner. "Und statt langen Beschreibungen nutzten die Leute einfach Hashtags." Inzwischen kommt so gut wie kein Soziales Netzwerk mehr ohne das Doppelkreuz aus.

Neue Funktionen

Nicht zuletzt, weil sich die Funktion des Hashtags teils grundlegend verändert hat. Vor allem bei der Facebook-Tochter Instagram dient es eher der Verschlagwortung von Bildern und erst im zweiten Schritt der Bildung einer Interessensgruppe. Und da es keine Zeichenbegrenzung in den Beiträgen gibt, kann im Gegensatz zu Twitter fröhlich drauf los "gehashtagged" werden. Dann ist der Seebesuch nicht nur #toll, sondern auch noch #beautiful, #grossartig, voller #sun und #Sonne.
Die ständige Verschlagwortung und Sortierung sämtlicher Inhalte mit der Hilfe von Hashtags beinhalte aber auch einen gefährlichen Effekt, sagt Wissenschaftlerin Lotze. Denn so filtern die Nutzer stärker und sehen nur noch, was mit bestimmten Hashtags verknüpft wird - ein typischer Netzwerkeffekt. "Sie kochen gewissermassen im eigenen Saft", sagt Lotze.
Auch die Politik kommt bei ihren Kampagnen nicht mehr ohne Hashtags aus. Während die SPD mit dem #Schulzzug in den Bundestagswahlkampf einstieg, hat die CDU ihr Wahlprogramm auf das Hashtag #fediwgugl verkürzt. Was US-Präsident und Twitter-Fan Donald Trump allerdings mit dem ominösen #covfefe meinte, ist weiterhin unklar.
Zu guter Letzt kommt der Hashtag natürlich auch im Marketing zum Einsatz: Kommerzielle und politische Kampagnen knüpften genau an diese Tendenzen an. "Ein Beispiel im kommerziellen Bereich sind die zahlreichen Marketing-Aktionen von Kosmetikfirmen, mit Hashtags verbreitet durch Beauty-Influencer", sagt Lotze. Im vergangenen Jahrzehnt gab es auf Twitter zahlreiche Kampagnen, die mit der Einbindung eines Kampagnen-Hashtags Erfolge feiern konnten, darunter zum Beispiel #heimkommen von Edeka, #umparkenimkopf von Opel oder #weilwirdichlieben von den Berliner Verkehrsbetrieben.




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