21.10.2008, 00:00 Uhr

70?000 Schweizer onlinesüchtig und 110?000 gefährdet

Das Internet gehört längst zum beruflichen und privaten Alltag. Vermehrt zeigen sich problematische oder abhängig machende Nutzungsformen. Rund 70 000 Personen in der Schweiz sind onlinesüchtig, so die Schätzung von Fachleuten. Eine neue Publikation beleuchtet, welche Angebote zu exzessivem Gebrauch verleiten und was eine Abhängigkeit ausmacht. Das von der Schweizerischen Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA) gemeinsam mit Partnerorganisationen erarbeitete Informationsmittel fasst den aktuellen Wissensstand zusammen und zeigt, was die Prävention leisten kann.  Das Angebot im Internet ist fast unbegrenzt, der Zugang ist jederzeit und anonym möglich. Heute ist es selbstverständlich, das World Wide Web zu nutzen, es ist hilfreich und unterhaltend. Die Kehrseite: Die Nutzung kann zu Problemen führen. Eine neue Publikation der Schweizerischen Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA) zeigt, welche Angebote eine exzessive Bindung hervorrufen können. Sie beleuchtet die Merkmale einer Abhängigkeit sowie Ansätze der Prävention. Die Publikation wurde zusammen mit der Arbeitsgruppe Onlinesucht des Fachverbandes Sucht erstellt. Information tut not, denn das Wissen um das Schädigungspotenzial ist wenig ausgeprägt. Vor allem Online Games, Chats sowie Sex- und Pornoseiten weisen Merkmale auf, welche User stark an sich binden können. Eine exzessive Nutzung von Internetangeboten kann ver-schiedene Probleme mit sich bringen und zu einer Abhängigkeit führen. Je mehr Zeit das Internet beansprucht, desto weniger Zeit bleibt für anderes. Soziale Beziehungen oder die schulische/berufliche Leistung können leiden. Auch Haltungsschäden, ein gestörtes Essver-halten, Kopfschmerzen oder Sehschwierigkeiten sind möglich. Typisch für eine Onlinesucht sind insbesondere der Kontrollverlust und der Drang, immer länger online zu sein. Jugendli-che sind speziell gefährdet, abhängig zu werden. Sie können sich schlechter kontrollieren, sie brauchen die Unterstützung von Erziehenden, erklärt Sabine Dobler, Präventionsfachfrau der SFA.

Noch um die Jahrtausendwende war in Fachkreisen heftig umstritten, exzessiven Internet-gebrauch als Abhängigkeit oder Sucht einzustufen. Dies ist heute anders. Eine konservative Schätzung geht davon aus, dass hierzulande 70 000 Personen onlinesüchtig und 110 000 gefährdet sind. Onlinesucht und Abhängigkeit von Alkohol oder einer illegalen Droge zeigen vergleichbare Symptome und Begleiterkrankungen. In beiden Fällen kommt es bei einem exzessiven Gebrauch zu Veränderungen im Belohnungszentrum des Gehirns, die dazu füh-ren, dass alltägliche Belohnungssituationen nicht mehr ausreichen. Betroffene sind immer häufiger und länger online und reagieren nervös oder aggressiv bei Entzug. Häufig wird das Problem von den Betroffenen heruntergespielt und es kommt erst zu einer Veränderung, wenn Personen aus dem Umfeld drängen.  Eine Schweizer Studie hat festgestellt, dass Onlinesüchtige durchschnittlich 35 Stunden pro Woche ausserberuflich im Netz verbringen. Allerdings können sich bereits weniger als 35 Stunden Onlinezeit negativ auswirken oder mit Symptomen einer Abhängigkeit verbunden sein. Und: Nicht jede exzessive Nutzung ist gleich eine Abhängigkeit. Viele Jugendliche haben Phasen, in denen sie bestimmte Verhaltensweisen exzessiv zeigen und sich nach einiger Zeit wieder davon lösen. Die Nutzungszeit ist also kein alleiniger Anhaltspunkt, um eine Onlinesucht festzustellen.

Weil das Internet aus vielen Berufen nicht mehr wegzudenken ist und auch in der Freizeit viel Positives bietet, ist das Präventionsziel ein kontrollierter Gebrauch. Kinder und Jugendliche sind eine besonders wichtige Zielgruppe. Zentral ist, dass erwachsene Bezugspersonen sie dabei unterstützen, angemessene Nutzungsformen zu entwickeln. Nötig sind das Interesse der Erwachsenen und Gespräche darüber, was die Heranwachsenden mit dem Internet tun. Regeln zur Nutzung (z.B. Zeitbudget pro Woche / Art der Spiele) sowie die internet-freie Freizeitgestaltung mit realen Erlebnissen sind unabdingbar.  (ph) Infos zur Onlinesucht



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