eBay Best Practice 03.05.2019, 10:16 Uhr

Wie sich ein Spielzeug-Händler auf eBay gegen die Big Player durchsetzt

Ein Spielwarenhändler aus einem 3.000-Einwohner-Städtchen stemmt sich gegen die erdrückende Übermacht von Galeria Kaufhof und Mytoys, indem er eine Sortimentsnische auf eBay besetzt - eine Erfolgsgeschichte aus Oberwesel am Mittelrhein.
Franziskus Weinert von Hermann Schreib- und Spielwaren
(Quelle: eBay)
Oberwesel am Mittelrhein ist ein ­beschauliches Stückchen Erde. Knapp 3.000 Einwohner, eine trutzige Stauferburg auf der Höhe, Fachwerk, an den Berghängen wächst Wein. In der gedrängten Innenstadt gibt es neben Souvenirverkäufern einen Hörgeräteakustiker, einen ­Optiker, eine Lotto-Annahmestelle, einen Juwelier - und einen Spielwarenladen. 
Hermann Schreib- und Spielwaren verkauft schon seit 1899 in Oberwesel - und dass das Geschäft auch in Zeiten von Amazon und Mytoys seine Kundschaft bedient, hat es vornehmlich einer Entscheidung seines jetzigen Chefs zu verdanken. 2003, als sich der Online-Handel langsam bemerkbar machte und die Kundenfrequenz im Laden abnahm, beschloss Franziskus Weinert nämlich, unter dem Verkäufernamen "toyshopmittelrhein" ein paar Waren auf eBay zu verkaufen, anfangs eher aus der Not heraus: Weinert hoffte, die Ladenhüter loszuwerden, die wie Blei in seinen stationären Regalen lagen - und erlebte einen Überraschung: Viele Produkte, vor allem aus dem Modellbausegment, das im ­Laden seit Jahren schon nicht mehr lief, fanden reissenden Absatz. Vor allem ­Ersatzteile für Märklin-Eisenbahnen wurden stark nachgefragt. Weinert erkannte seine Chance - und reagierte. 
"Wir stellten fest: In Sachen Modellbau ist eBay die ­Adresse weltweit", so der Händler. "Das Geschäft ist dort seit Jahren etabliert und nirgendwo sonst finden Modellbauer online eine grössere Auswahl oder genauere Auswahlmöglichkeiten, deshalb suchen die Sammler dort ­gezielt nach speziellen Produkten und werden dann bei uns fündig. Ohne eBay würden wir keine Modellbahnartikel mehr im Sortiment führen."

Wenn der eBay-Kunde plötzlich im Laden steht

Weinert reagierte auf die Nachfrage seiner wachsenden eBay-Kundschaft und begann damit, besondere Ersatzteile ins Sortiment zu nehmen. Bald ­erwartete ihn die nächste Überraschung: Die Anzahl von Kunden im Stationärgeschäft in Ober­wesel, die nach Modellbauartikeln fragten, nahm plötzlich wieder zu. "Ein unerwarteter Nebeneffekt unserer eBay-Präsenz ist, dass viele unserer eBay-Kunden plötzlich auch bei uns im Laden stehen, die bisher noch nie etwas von unserem Geschäft gehört hatten", freut sich der Händler. "Wir erreichen plötzlich Kunden, die uns vorher überhaupt nicht auf dem Radar hatten, obwohl sie nur wenige ­Kilometer entfernt wohnen." Auch dieses Kundengeschenk nahm Weinert dankbar an und begann damit, in seiner eBay-Präsenz und in jedem versendeten Paket klar zu kommunizieren, dass Hermann Spielwaren "kein Garagenhändler, sondern ein echtes Spielwarengeschäft ist, das man auch besuchen kann". 
Das eBay-Geschäft lief so gut, dass Weinert und sein Team bei der Abwicklung der vielen Aufträge und der Pflege der Marktplatz-Präsenz kaum noch hinterherkamen; deshalb investierte er 2016 in eine moderne Warenwirtschaft, mit der er alle Verkaufskanäle zentral steuern kann. Doch auch wenn seither neue Absatz­kanäle und Sortimente mit wenigen Mausklicks auf verschiedene Plattformen gehoben werden können, geht Weinert bei der Kanalsteuerung sehr bedacht vor. 
"Wir ­haben festgestellt: Einfach nur unseren gesamten Produktkatalog auf eBay zu listen, bringt nichts", so der Händler. "Tatsächlich werden auf unterschiedlichen Verkaufskanälen ganz unterschiedliche Sortimente nachgefragt - und an dieser Nachfrage orientieren wir uns bei der Listung. Bei den Produkten, die bei uns im Laden am besten laufen - also die Top-Produkte der grossen Hersteller wie Lego oder Playmobil -, sind wir online austauschbar. Da sind Amazon, Mytoys oder Galeria Kaufhof schneller und günstiger als wir. Also halten wir diese Produkte im Laden und konzentrieren uns online auf Nischen."

2019: Online-Shop füllen und Eigenmarke angehen

Für die Zukunft sieht sich Weinert, der mit seinem Spielwarenladen einen gut sechsstelligen Jahresumsatz erwirtschaftet - über die Hälfte davon auf eBay - gut aufgestellt. Dafür zeichnete ihn der Online-Marktplatz in diesem Jahr mit dem "eBay Händler-Award" in der Kategorie "Lokaler Einzelhändler" aus. Weinert wird sich aber nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen. 2019 soll ein eigener Online Shop mit dem gesamten Sortiment ­befüllt werden. Ausserdem denkt der umtriebige Händler über eine Eigenmarke im lukrativen Modellbausegment nach. "Märklin macht seine Ersatzteile ja grösstenteils nicht selbst, sondern kauft diese bei Lieferanten ein. Und zu diesen Lieferanten habe ich Kontakte aufgebaut. Eine Eigenmarke könnte unser Nischengeschäft gut ergänzen", so Weinert.



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