Kampf gegen Plagiate 28.08.2019, 10:30 Uhr

Online-Handel: Fälschungen im Visier

eBay und Amazon starten neue Programme zum Kampf gegen Produktfälschungen. Die Initiativen sind unterschiedlich ausgerichtet und weisen beide Lücken auf.
(Quelle: shutterstock.com/Nicoleta Ionescu)
Rund 8,3 Milliarden Euro - und damit genauso viel wie das Bruttosozialprodukt des westafrikanischen Benin - beträgt der jährliche Schaden, der deutschen Unternehmen durch gefälschte Produkte entsteht. Oft finden die Plagiate über Online-Marktplätze den Weg zu den Konsumenten.
"Das ist eine beliebte Masche chinesischer Fälscher: Sie gründen in Deutschland GmbHs, schicken ihre Ware in die Fulfillmentcenter der Marktplätze, verkaufen ohne Mehrwertsteuer und machen den Laden wieder dicht, sobald ein Verdacht entsteht", berichtet Ralph Hübner von Ecom Consulting. Der Berater trifft in seinem Schwerpunktbereich Internationalisierung immer wieder auf das Thema Produktfälschungen. Dass nun eBay und Amazon dazu nahezu gleichzeitig neue Initiativen ankündigten, ist für Hübner nur folgerichtig.

eBay setzt auf die Markeninhaber

eBay konzentriert sich bei seinen Bemühungen, das Angebot noch sicherer zu gestalten, ganz auf die Ebene der Markeninhaber. Der Online-Marktplatz kooperiert dazu im Rahmen seines bereits seit rund fünf Jahren laufenden "Autorisierter Händler"-Programms mit dem Zertifizierungsdienst Authorized.by.
"Die Modelle von eBy und Amazon widersprechen einander nicht": Ralph Hübner, Partner bei bei Ecom Consulting
Quelle: Ecom Consulting
Das 2016 gegründete Münchner Start-up bietet eine Plattform an, mit deren Hilfe Hersteller ausgewählte Händler als autorisierte Vertriebspartner kennzeichnen können. Diese können dann auf Shop- oder Produktebene die Siegel "Authorized Partner" und "Verified Product" führen und Kunden somit die Vertrauenswürdigkeit ihres Angebots signalisieren.
Die für das dritte Quartal 2019 angekündigte Kooperation mit Authorized.by ist für eBay ein weiterer Puzzlestein im Kampf gegen Plagiate und Fälschungen. So betreibt der Online-Marktplatz bereits seit dem Deutschlandstart vor 20 Jahren sein "Verifizierte Rechteinhaber-Programm", über das Markeninhaber, aber auch eBay-Händler Rechteverletzungen wie Plagiate oder geklaute Produktbilder melden und eine Löschung der entsprechenden Angebote erwirken können. Im Luxussegment setzt eBay zudem auf den Echtheits-Check durch Experten, wie er seit letztem Herbst in Deutschland im Uhrenbereich angeboten wird.
"Das Authorized.by-Modell ist eine Echtzeitabfrage, ob der betreffende Händler zum Verkauf des jeweiligen Produkts berechtigt ist", erkennt Ecom-Berater Hübner den Mehrwert der jüngsten eBay-Initiative an. "Allerdings handelt es sich um eine vorgeschaltete Lösung, die keinerlei physische Kontrollmöglichkeit bietet."
Indem sich Authorized.by auf die Autorisierung durch den Hersteller fokussiere, erleichtere das System zudem den Aufbau selektiver Vertriebsmodelle. Diese Handelsbeschränkungen, die oftmals Online Pure Player benachteiligen, stehen seit geraumer Zeit in der Kritik nicht nur der betroffenen Händler, sondern auch von Verbraucherschützern. "Wir möchten nicht nur als Instrumentarium eines Selektivvertriebs wahrgenommen werden", erklärt dazu Authorized.by-Gründer Felix Nottensteiner. "Unsere Siegel können von einer Marke vergeben werden unabhängig davon, wie deren Vertriebspolitik gestaltet ist. Auch im Rahmen einer liberalen Vertriebsregelung macht es Sinn, die Händler mit Authorized.by zu kennzeichnen."

Amazon hat die Produkte im Visier

Die ab sofort auch in Deutschland verfügbare, von Amazon im Kampf gegen Plagiate favorisierte Lösung namens Transparency setzt im Unterschied zu Authorized.by auf der Produktebene an. Mit Transparency erstellen Markeninhaber eindeutige Codes, die sie auf ihren Produkten anbringen. Kunden, Markeninhaber, Amazon und weitere Akteure der Lieferkette können so jede Produkteinheit eindeutig identifizieren. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass nur echte Produkte den Kunden erreichen. Für Transparency, das bisher nur in den USA verfügbar war, hat Amazon eine eigene Unternehmenseinheit aufgebaut. An dem Programm nehmen bereits mehr als 4.000 Marken teil, die bislang 300 Millionen Produktcodes generiert haben und damit nach Angaben von Amazon verhindern konnten, dass 250.000 Fälschungen von Transparency-fähigen Produkten die Kunden erreichten.
Ecom-Berater Hübner erkennt die hinter Transparency stehenden Bemühungen von Amazon an, bleibt aber skeptisch: "Ich glaube, dass Amazon den deutschen Markt falsch einschätzt, was die Bereitschaft der Hersteller betrifft, an Transparency teilzunehmen: zum einen wegen der Kosten und dem damit verbundenen Aufwand, aber auch, weil mit der Teilnahme an Transparency die kompletten Produktionsdaten offengelegt werden."

Die Verfahren lassen sich kombinieren

Für den Berater wäre eine Kombination von Transparency und Authorized.by die vielversprechendste Lösung im Kampf gegen Produktfälschungen. "Die Modelle widersprechen einander nicht und stehen zueinander nicht in Konkurrenz. Es sind unterschiedliche Wege aufgrund der unterschiedlichen Konzeption der Marktplätze." Ideal wäre es, wenn ein unabhängiger Anbieter wie Authorized.by den Schutz vor Plagiaten sowohl auf Händler- wie auch auf Produktebene gewährleisten könnte.
"Wir testen für den Schutz vor Fälschungen auch die Blockchain-Technologie": Felix Nottensteiner, Geschäftsführer Authorized.by
Quelle: Authorized.by
Hübner formuliert damit eine Idee, mit der sich auch Authorized.by-Gründer Nottensteiner beschäftigt: "Aus unserer Sicht wäre es eine ergänzende Lösung, dass ein Hersteller zusätzlich die Authentizität seiner physischen Produkte markiert. Wir arbeiten dazu an einer entsprechenden Kombination und testen dafür verschiedene Verfahren - unter anderem auch die Blockchain-Technologie."
Der Gründer des Autorisierungsunternehmens weist aber darauf hin, dass es selbst bei den besten technischen Lösungen Bereiche gebe, in denen eine vollständige Sicherheit vor Fälschungen nur schwer möglich ist. "Eine Herausforderung ist, dass der digitale Zwilling mit dem physischen Produkt exakt parallel koexistieren muss - eine nur schwer zu bewältigende Aufgabe."
Zum anderen stelle sich selbst bei einer vollständig geschlossenen Verfolgungskette die Frage, wie gross die Aussagekraft eines Labels auf der Verpackung ist, wenn beispielsweise einzelne Komponenten eines Produkts gefälscht oder durch andere Bauteile ersetzt wurden. Die Fantasie der Fälscher ist gross und gerade Online-Marktplätze befinden sich hier in einem ständigen Wettkampf.



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