Web-Plattform 10.11.2016, 15:16 Uhr

Kommunikationslösungen integrieren WebRTC

Der WebRTC-Standard ermöglicht die geräteübergreifende Kommunikation direkt im Browser. com! professional zeigt, wie vehement die Technologie die Business-Kommunikation verändert.
(Quelle: Foto: Shutterstock / Inna Sergiienko)
Eine barrierefreie Kommunikation, direkt über den Browser, unabhängig vom Endgerät oder von einer bestimmten Kommunikationsplattform: Diese Vision treibt die Entwicklung von WebRTC (Web Realtime Communication) voran. Damit hat WebRTC das Zeug, die Kommunikation im B2B-Segment – und damit den Markt für Unified Communication and Collaboration – dramatisch zu verändern. „Für die Benutzer von UC-/UCC-Lösungen stellt sich ein wahrer Zoo von Clients und User Interfaces dar“, sagt Jürgen Städing, Chief Product Officer von Nfon. Die UCC-Kommunikation in den Browser zu verlagern, den die User ohnehin schon einen Grossteil ihrer Zeit nutzen, sei deshalb absolut konsequent und sinnvoll, so Städing weiter. Allerdings, schränkt er ein, sei WebRTC heute in den Medien stärker verbreitet als beim Anwender.

Hemmnisse für WebRTC

Dies liegt zum einen am Widerstand der Browserhersteller, zusammenzuarbeiten – und WebRTC zu unterstützen. Treiber von WebRTC ist aktuell Goo­gle mit Chrome, aber auch Mozilla und Opera haben die Technologie angenommen. Jedoch warten viele auf Apples Adaption für Safari. „Erste Indizien, dass Apple sich ernsthaft mit WebRTC beschäftigt, sind schon bekannt. Sobald Apple dies offiziell bestätigt, wird das ein entscheidender Schritt in Richtung flächenweiter Adap­tion sein“, erklärt Bianca Allery, Marketingmanagerin bei dem UCC-Hersteller 3CX.
“„Sobald Apple sich mit WebRTC beschäftigt, wird dies den Markt ­vorantreiben.“„
Bianca Allery
Marketingmanagerin bei 3CX
Microsoft wiederum hat seinen neuen Browser Edge mit einem Gegenentwurf zu WebRTC ausgestattet: ORTC, Object Real-time Communications. „ORTC wird sich im Gegensatz zu WebRTC – sofern die übrigen Browserhersteller an einem Strang ziehen – kaum durchsetzen“, glaubt Jörg Schwerdtner, Head of Design MLE DACH bei Mitel. Und auch Axel Albrecht, Sales Engineer beim Videokonferenz-Spezialisten BlueJeans, hat da seine Zweifel. „Das grosse Problem liegt darin, dass sich der Edge-Browser noch nicht flächendeckend durchgesetzt hat“, erklärt er. Der Browser laufe nur auf Windows 10 und nicht auf Windows 7 oder 8. Die meisten Unternehmen hätten aber noch Windows 7 im Einsatz und würden erst in den nächsten zwei bis drei Jahren auf Windows 10 umsteigen.
„Goo­gle ist mit WebRTC einfach schon weit voraus, sodass es für Microsoft gerade im Enterprise-Bereich schwierig wird, ORTC als Standard zu etablieren“, so Albrecht. Andere erwarten dagegen, dass WebRTC und ORTC sich annähern, ja sogar zusammenwachsen. Zu ihnen gehört Stefan Ried, CTO bei Unify. „Wir erwarten eine einheitliche WebRTC-Unterstützung über alle Browser inklusive Microsoft in den nächsten sechs bis zwölf Monaten“, so seine Prognose.
Und er betont: „Das Zusammenwachsen ist ein wichtiger Schritt in Richtung nahtlose Echtzeitkommunikation.“ Doch an eine vollständige Kompatibilität glaubt auch er nicht, diese werde auch künftig nur über technische Zwischenschritte wie Plug-ins möglich sein.

Der Standard fehlt

Neben den unterschiedlichen Ansätzen der Browser-Hersteller gibt es noch eine weitere Hürde: Noch immer befindet sich WebRTC im Standar­disierungsprozess im World Wide Web Consortium (W3C). Eigentlich sollte der Prozess im zweiten Quartal dieses Jahres abgeschlossen sein, doch dieser Termin wurde nicht gehalten. Raphael Bossek, Head of Product Management bei Estos, rechnet nun mit einer Fertigstellung der Spezifikationen (WebRTC 1.0) bis Ende des Jahres.
“„Wir erwarten eine ­einheitliche Unter­stützung von WebRTC über alle Browser.“„
Stefan Ried
CTO bei Unify
Wenn das geschehen ist, wird sich der Testaufwand für die Hersteller reduzieren und die Kompatibilität über die Browservarianten hinweg erhöhen – so die Meinung etlicher Anbieter. Innovaphone-Vorstand Dagmar Geer etwa betont: „Die fehlende Standardisierung ist im Moment ein wenig lästig, weil immer neue Entwicklungsschritte hinzukommen, auf die man schnell reagieren muss.“ Dadurch werde aber nicht notwendigerweise der Erfolg behindert, als Hersteller müsse man einfach flexibel und schnell sein.
Trotz dieser Hemmnisse gibt es mittlerweile kaum einen Hersteller im UCC-Umfeld, der kein WebRTC-Angebot im Programm hat – oder zumindest an den ­Plänen für eine entsprechende Lösung arbeitet (siehe Kasten).

Die Hersteller sind bereit

Nfon etwa hat aktuell ein WebRTC-Modul für Projektkunden im Programm, mittelfristig könnte ein eigenes WebRTC-Angebot dazukommen. Mehr wollte der Münchner IP-­Centrex-Anbieter bislang nicht verraten. Einen deutlichen Schritt weiter sind die meisten UCC- und Videokonferenz-Hersteller: Das Gros bietet Add-ons auf Basis von WebRTC an, meist im Umfeld von Video- und Audiokonferenzen sowie für Collaboration – die Zusammenarbeit in Teams.
Dazu gehört Innovaphone, das seine Lösung erst kürzlich auf den Markt gebracht hat. Innovaphone hat WebRTC über den browserbasierten UC-Client my­PBX in seine VoIP-Anlage inte­griert. Damit können Mitarbeiter einen Arbeitsplatz in der PBX herstellen. Ein Call-me-Button auf Basis eines kostenlosen Javascripts soll zudem die Kommunikation mit Kunden erleichtern. Dieser wird auf der Webseite von Unternehmen implementiert, Besucher dieser Webseite können mit einem Klick telefonisch, per Video oder E-Mail mit dem Gesprächspartner in Kontakt treten. Voraussetzung ist, dass das Unternehmen eine Innovaphone PBX im Einsatz hat oder ein Gateway des Herstellers.
3CX hat vor zwei Jahren den italienischen WebRTC-Spezialisten E-Works übernommen und dessen Webkonferenz­lösung ins eigene Angebot integriert. 3CX WebMeeting ermöglicht virtuelle Meetings und kann in die UC-Lösung von 3CX eingebunden oder als On-Premise-Lösung im 3CX WebMeeting Server eingesetzt werden.
Zu den WebRTC-Vorreitern gehört Unify mit Circuit, das seit November 2014 auf dem Markt ist. Laut CTO Stefan Ried haben weltweit eine halbe Million Benutzer einen kommerziellen Zugang zum Collaboration-Dienst des Münchner Anbieters gekauft. Der Hersteller bietet Circuit in vier Paketen an – vom kostenlosen Free Pack­age für kleine Teams bis zum Enter­prise Package für 15 Euro pro Monat und Nutzer.
In den Startlöchern steht die „UC as a Service“-Lösung Rainbow von Alcatel-Lucent Enterprise, die zu grossen Teilen auf WebRTC basiert. Rainbow kann einerseits als Stand­alone-Produkt eingesetzt werden, andererseits aber auch in Verbindung zum installierten Kommunikationssystem von Alcatel-Lucent Enterprise. Die Beispiele zeigen: Der Markt ist in Bewegung, Lösungen gibt es viele – jetzt fehlt nur noch die breite Akzeptanz der Nutzer.

Fazit

Die Echtzeitkommunikation über den Browser könnte die Art und Weise, wie wir telefonieren, chatten, ja arbeiten, auf eine neue Stufe heben. Denn bislang scheitert echte Collaboration, vor allem über Unternehmensgrenzen hinweg, oftmals an den Plattformen. In vielen Firmen ist es beispielsweise nicht möglich, dass Anwender Plug-ins für diese Tools ­installieren. Dies wäre bei WebRTC nicht nötig, zumindest in der Theorie. In der Praxis funktioniert das nicht immer, und auch die Interoperabilität der Lösungen ist häufig nicht gegeben. Bis dies nicht gelöst ist, ist WebRTC ein Hype, kein Standard.
WebRTC bei UCC-Herstellern
Unternehmen WebRTC-Angebot
3CX WebMeeting (Konferenzlösung)
Alcatel-Lucent Enterprise OpenTouch Communications Suite, Rainbow (UC as a Service, Launch folgt in Kürze)
Avaya WebRTC SnapIn
BlueJeans Integration von WebRTC in Videokommunikation
Cisco Collaboration-Anwendung Spark
Estos ProCall LiveChat (Konferenzlösung)
Innovaphone UC-Client myPBX sowie in Verbindung mit einem VoIP-Gateway von Innovaphone
Lifesize Add-on zu Lifesize Cloud Web App
Mitel Erweiterung der Collaboration-Lösung MiCollab
Panasonic UC Pro (Collaboration-Lösung)
Polycom RealPresence Websuite (Konferenzlösung)
ShoreTel Konferenzlösung sowie CTI-Client
Unify Collaboration-Lösung Circuit
Voiceworks webbasierte Unified Communication Suite
Wildix WebRTC Kite (Chat, Sprach- und Videoanruf, Desktop-Sharing oder Dateiübertragung)
WebRTC bei UCC-Herstellern
Unternehmen WebRTC-Angebot
3CX WebMeeting (Konferenzlösung)
Alcatel-Lucent Enterprise OpenTouch Communications Suite, Rainbow (UC as a Service, Launch folgt in Kürze)
Avaya WebRTC SnapIn
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Estos ProCall LiveChat (Konferenzlösung)
Innovaphone UC-Client myPBX sowie in Verbindung mit einem VoIP-Gateway von Innovaphone
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Mitel Erweiterung der Collaboration-Lösung MiCollab
Panasonic UC Pro (Collaboration-Lösung)
Polycom RealPresence Websuite (Konferenzlösung)
ShoreTel Konferenzlösung sowie CTI-Client
Unify Collaboration-Lösung Circuit
Voiceworks webbasierte Unified Communication Suite
Wildix WebRTC Kite (Chat, Sprach- und Videoanruf, Desktop-Sharing oder Dateiübertragung)



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