26.09.2011, 00:00 Uhr

So ist das iPad-Hotel in London

Unsere Schwester-Publikation Mobile Next war in London. Hier ein cooler Erfahrungsbericht aus einem High-Tech-Hotel:  

To leave or not to leave? Diese Frage wird sich so mancher Gast stellen, wenn er nach der ersten Nacht im Eccleston Square Hotel erwacht. Müde blinzelnd streift der Blick zunächst die Bettdecke aus ägyptischer Baumwolle, dann die handgefertigten Lehnstühle, die hellen Seidentapeten und die Designer-Kleiderschränke aus dunklem Edelholz. Schliesslich ruhen die Augen auf ihm, und Erinnerungen an die vergangene Nacht werden wach. Ein wahrhaft sündiges Vergnügen ? und was für eine üppige Grösse!

Hach, wenn ein Heimkinoabend doch immer so spassig wäre wie auf diesem 46-Zoll-3D-Plasmaschirm. Statt sich ins quirlige Nachtleben Londons zu stürzen, hatte man es sich mit ein paar 3D-Blu-ray-Blockbustern gemütlich gemacht. Schuldgefühle? Nö. Schliesslich sind die 14 Quadratmeter des Standardzimmers, das einer Yachtkabine nachempfunden ist, wie ein Entertainment-Kokon gestaltet. Warum sonst, bitte sehr, sind die leckeren Snacks und Spirituosen in der Minibar so günstig? Statt Touristen mit gehobenem Ambiente von der Stange abzuspeisen, lullen die Hoteliers sie bewusst in digitale Versuchungen und provozieren zum selbstverordneten Hausarrest. Raus ins vibrierende Leben einer Metropole voller kulinarischer Genüsse (oh ja!), Theater und Shopping-Optionen ? oder lieber per iPad zunächst eine Massage buchen und dann ein TV-Dinner aufs Zimmer ordern?

Hm. Vielleicht wenigstens ein paar Fotos im Freien? Schliesslich übernachtet man nicht alle Tage mitten in einem der vornehmsten Viertel von London. In Belgravia, in der City of Westminster, gibt es kein neureiches Bling-Bling und keine Unternehmergattinnen in klobigen SUVs. Dafür ehrwürdige Adelshäuser. Buckingham Palace läge südwestlich vom Boutique-Hotel, die schicke Saatchi-Galerie ist zehn Fussminuten entfernt und vielleicht gelänge unterwegs gar ein Schnappschuss von Superstar Madonna in Jogginghosen. Die Popikone wohnt nämlich gleich um die Ecke, nahe des Bryanston Square. Notfalls täte es auch Ex-Premier Tony Blair, der am Connaught Square residiert.

Sightseeing ist optional

Vielleicht tut es auch ein schnelles Beweisfoto vor der Fassade des weissen gregorianischen Herrenhauses, in dem das Eccleston Square eingezogen ist? ?Zwei Türen weiter vom ehemaligen Haus von Winston Churchill?, wie Olivia Byrne, die 23-jährige Hotelmanagerin und Besitzerin erzählt. ?Es gibt auch Quellen, die behaupten, Queen Victoria habe in ihrer Jugend hier gelebt.? Der erfahrene Fernsehzuschauer nickt an dieser Stelle wissend, denn er kennt die Gegend aus der 70er-Serie ?Das Haus am Eaton Place?.

Nach so viel verbalem Sightseeing rasch wieder aufs Hightech-Zimmer. Es regnet ohnehin gerade. Und dort gibt es noch einiges zu entdecken. Freies WLAN, iPod-Dockingstation? Das sind längst Standards im gehobenen Übernachtungssegment und nicht der Rede wert. Viel spannender wird es, wenn man per Hand über das iPad2 fährt, das es beim Check-in für jeden Gast gibt.

Das Eccleston Square ist übrigens das erste Hotel in Europa, bei dem Apples Zauber-Flachmann zur Grundausstattung gehört. Mit ihm sind nahezu alle Belange des Aufenthaltes abruf- und beeinflussbar. Einmal auf den Roomservice-Button gedrückt und ? Tadaa! ? ein Teegedeck nebst gebutterter Scones wird eilig aufs Zimmer gebracht. Ein weiterer Fingerdruck und ? Tusch! ? der persönliche Fitness-Trainer hilft dabei, den Nachmittagssnack wieder abzutrainieren.
?Interactive Customer Experience? nennen das die Eccleston-Macher und ihr Technikpartner Intelity. Ob Vorhänge, Klimaanlage, Zimmerservice, Reservierungen im Gourmet-Restaurant ?Bistrot on the Square?, Stunden beim Personal Trainer oder ein Spa-Termin ? alles ist nur eine Fingerbewegung entfernt.

Eine Mobile-App lässt viele dieser Funktionen sogar vom eigenen Smartphone aus zu. Nur passend für ein Konzept, bei dem per Tweet ein Hotelzimmer reserviert werden kann, denn natürlich sind die Angestellten, etwa an der Rezeption, auch über soziale Kanäle wie Facebook, Twitter sowie den Hotel-Blog erreichbar.

Matratzen zum Kleinwagenpreis

Genug gefachsimpelt, auf ins Marmorbad. Die Bäder besitzen ?intelligente? Duschglaswände, die auf Knopfdruck milchig und blickdicht werden. Rasch noch den zweiten Fernseher hinter dem beheizten, dampfresistenten Spiegel ein- und ausgeschaltet ? die vielen Features appelieren gnadenlos an den Spieltrieb.
Rasch noch ein cineastisches Meisterwerk aus der Blu-ray-Thek ausgesucht und ab aufs 14.000 Euro teure Bett, das in jedem der 39 Zimmer im Mittelpunkt steht. Der schwedische Hersteller Hästens lässt es aus handverlesenem Rosshaar und handgeknüpftem Leinen fertigen, angeblich fliessen 160 Stunden Handarbeit in jede Matratze. Man kann sogar Massageprogramme zuschalten. Und ein mysteriöses ?Mind Spa TV?. Lieber noch ein lässiger Wisch über das iPad, damit ein digitales ?Bitte nicht stören? vor der Tür aufleuchtet. Geschafft. Wer braucht eigentlich das  ?draussen?? (ph/m-next)



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