Know-how 17.07.2015, 05:04 Uhr

Kopfhörer-Wissen: Funktionsweise und Unterschiede

Kopfhörer erlauben hochwertigen Musikgenuss unterwegs. Online PC erklärt die Technik - und wie der Schall letztendlich ins Ohr gelangt.
Mann steht mit Kopfhörer auf dem Kopf in einer Ubahnhaltestelle
(Quelle: Beyerdynamic)
Ein technisches Produkt, das bereits seit mehr als 30 Jahren nahezu unverändert auf dem Markt ist, findet man gerade im Bereich Consumer Electronics äusserst selten. Der Akustik-Spezialist Koss hat dieses Kunststück jedoch fertiggebracht und stellt seinen Kopfhörer Porta Pro seit 1984 ohne wirkliche Veränderungen her – mit anhaltendem Erfolg.
Damit ist Koss allerdings die grosse Ausnahme, denn gerade in den vergangenen Jahren sind die meisten Hersteller dazu übergegangen, Kopfhörermodellen bereits nach einem oder zwei Jahren einen Nachfolger zu spendieren. Im Gegensatz zu Smartphones­ und Tablets halten sich hier die technologischen Neuerungen aber in Grenzen, oft werden nur Nuancen verbessert.
Das liegt vor allem daran, dass die Funktionsweise eines Kopfhörers seit mehr als hundert Jahren beinahe dieselbe ist, die Möglichkeiten, zusätzliche Features in ein Gerät zu packen, sind ausserdem begrenzt. Doch wie funktioniert ein Kopfhörer genau und wie kommt es zu Preisunterschieden von mehreren Hundert Euro?

Kopfhörer: Auf die Grösse kommt es an

Heute kommen im normalen Endkundenbereich fast ausschliesslich Kopfhörer mit BA-Schallwandler und solche mit elektrodynamischer Funktionsweise zum Einsatz, abhängig von der Bauart. Die elektrostatisch arbeitenden Highend-Modelle seien an dieser Stelle ausgeklammert. Bei In-Ears – also Geräten, bei denen die Kopfhörer direkt im Ohr sitzen – wird die BA-Schallwandler-Tech­nologie verwendet.
BA steht dabei für Balanced Armature. Bei solchen Head­phones be­finden sich im Gehäuse jedes Ohrhörers ein oder mehrere Permanentmagnete, in deren Inneren ein Anker frei gelagert ist. Wird die ebenfalls verbaute Spule nun mit Strom versorgt, ändert der magnetische Anker seine Position im ausgewogenen (balanced) Magnetfeld der Permanent­magneten. Diese Änderung der Position wird direkt an die Membran weiterge­geben, wo dann die Schallwellen erzeugt werden.
Der Vorteil dieser Bauweise liegt vor allem darin, dass die Membran bereits mit sehr geringen Strömen zum Schwingen gebracht werden kann, etwa beim Einsatz mit mobilen Geräten wie iPod oder Smartphone. Nachteilig macht sich die sehr geringe Bassleistung bemerkbar, weshalb bei In-Ears die Ohrstöpsel mit einer Gummihülle versehen sind, die Aussenschall fernhalten soll.
Offenkundig wird dies beispielsweise, wenn man einen In-Ear-Kopfhörer mit Gummihülle mit einem (ebenfalls dieser Kopfhörerkategorie zuzuordnenden) Ear-Bud vergleicht, der einfach ins Ohr „gehängt“ wird. Prominentestes Beispiel dürften hier die dem iPhone beiliegenden Geräte sein.
Durch die fehlende Abschirmung ist die Wiedergabe tiefer Frequenzen bei Ear-Buds um einiges geringer als bei den geschlossenen In-Ears. Jedoch ist gerade dieses Gefühl des Abgeschottetseins von der Aussenwelt nicht jedermanns Sache, weshalb viele Kunden lieber zu den Ear-Buds greifen. Doch auch bei In-Ears ist die komplette Abdichtung nicht immer garantiert, da jedes Ohr anders geformt ist. Deshalb legen die meisten Hersteller solchen Geräten bis zu drei unterschiedliche Ohrstöpsel zum Auswechseln bei. Wer das nötige Kleingeld hat, kann sich auch individuelle Adapter beim Spezialisten anfertigen lassen.
Bei grösseren Kopfhörern, die als On-Ears auf der Ohrmuschel aufliegen oder als Over-Ears diese komplett umschliessen, werden die Schallwellen elektrodynamisch erzeugt. Von der Bauart her kommen diese Geräte herkömmlichen Lautsprechern sehr nahe, natürlich mit deutlich verkleinerten Komponenten.
An der Rückseite der Schallmembran ist eine Ringspule befestigt, die im Feld eines Dauermagneten schwebt. Wird die Ringspule (auch Tauchspule genannt) nun mit Strom versorgt, ändert sie ihre Position im Magnetfeld und die Membran beginnt entsprechend zu schwingen und Schallwellen zu erzeugen.

Kopfhörer: Low-Budget oder Highend-Gerät

Die Membran besteht bei allen Kopfhörern, egal welcher Bauart, meist aus Zellulose, Kunststoff oder in manchen Fällen sogar aus nichtmagnetischem Metall wie etwa Aluminium. Aber auch Papier wird – wie auch bei stationären Lautsprechern – verwendet.
Der Aufbau eines Over- oder On-Ear-Kopfhörers entspricht weitestgehend dem eines normalen Standardlautsprechers
Quelle: diez artwork/Shutterstock
Denon beispielsweise setzt bei seinen Over-Ear-Headphones AH-MM400 eine Mischung aus Papier und Kevlar ein, und Apple stattete seine Ear-Buds mit dem Modellwechsel 2012 mit einer Papier- anstatt einer Kunststoffmembran aus. Problematisch ist in diesem Zusammenhang allerdings die Anfälligkeit für Feuchtigkeit, weshalb Papier bei Sport-Kopfhörern von vornherein ausscheidet.
Die grossen Unterschiede bei den Preisen ergeben sich bei den verbauten Materialien, etwa bei den Magneten oder den in den Spulen gewickelten Drähten. Neben der Reinheit der Metalle, die Einfluss auf die Leitfähigkeit hat, ist auch die Festigkeit der Membran ausschlaggebend, wie gut ein Kopfhörer klingt.
Letztlich muss aber auch die gesamte Abstimmung eines Headphones passen, damit die zugespielte Musik möglichst originalgetreu wiedergegeben wird. Allerdings verändern viele Hersteller ihre Geräte so, dass beispielsweise Bassfrequenzen stärker präsent sind. Das hängt in erster Linie mit der Zielgruppe zusammen, die angesprochen werden soll.
Bestes Beispiel hier sind die bei Jugendlichen äusserst beliebten Beats-Kopfhörer, die nicht wegen ihrer linearen Wiedergabe gekauft werden, sondern wegen der basslastigen Auslegung. Audiophile Käufer schätzen dagegen eine möglichst originalgetreue Klangkulisse, ohne irgendwelche Veränderungen in den Frequenzbereichen. Hier hat sich der Begriff Studiokopfhörer inzwischen auch im Endkunden-Segment etabliert, die Preise für gute Geräte beginnen schon bei etwas mehr als 100 Euro und gehen bis in den vierstelligen Bereich.
Grundsätzlich gilt jedoch: Die vom Kopfhörer wiedergegebene Musik kann immer nur so gut klingen wie das zugespielte Material und der Zuspieler es zulassen. Ein 128-KBit/s-MP3 klingt auch auf einem 1.000-Euro-Gerät schlecht, und sogar schlechter als auf einem billigen Kopfhörer, da gute Headphones Schwächen einer Aufnahme viel schonungsloser wiedergeben.
Doch auch wer eine verlustfrei komprimierte FLAC-Datei mit einem grossen Highend-Over-Ear an seinem iPhone anhört, wird enttäuscht, da der Digital-Analog-Wandler im Apple-Smartphone zu schwachbrüstig für die grossen Treiber des Kopfhörers ist und somit viele Audioinformationen verloren gehen. Abhilfe gibt es hier in Form von portablen Mini-Verstärkern wie etwa dem A200p vom Heilbronner Hersteller Beyerdynamic.



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