An der ETH Zürich 09.03.2020, 18:20 Uhr

Längste Mikrowellen-Quantenverbindung

ETH-​Physiker haben die mit fünf Metern bisher längste Mikrowellen-​Quantenverbindung demonstriert. Sie eignet sich sowohl für zukünftige Quantencomputer-​Netzwerke als auch für Experimente der quantenphysikalischen Grundlagenforschung.
Die ETH-​Quantenverbindung im Labor von Andreas Wallraff. Das Rohr in der Mitte enthält den stark gekühlten Wellenleiter, der mittels Mikrowellen-​Photonen die beiden Quanten-​Chips in ihren Kryostaten verbindet.
(Quelle: Heidi Hostettler/ETH Zürich)
Zusammenarbeit ist alles – auch in der Quantenwelt. Um in Zukunft leistungsfähige Quantencomputer bauen zu können, wird es nötig sein, mehrere kleinere Quantenrechner zu einer Art Cluster oder lokalem Netzwerk (LAN) zusammenzuschliessen. Da solche Rechner mit quantenmechanischen Überlagerungszuständen arbeiten, welche die logischen Werte «0» und «1» gleichzeitig enthalten, sollten die Verbindungen zwischen ihnen ebenfalls «Quanten-​Verbindungen» sein.
Die mit fünf Metern bisher längste auf Mikrowellen basierende Quantenverbindung steht nun seit Kurzem im Labor von Andreas Wallraff, Professor am Quantum Device Lab der ETH Zürich. Ihre Ergebnisse wollten die Forscher in diesen Tagen auf dem Jahrestreffen der American Physical Society in Denver vorstellen. Wegen der aktuellen Epidemie-​Lage wurde diese Konferenz kurzfristig abgesagt. Stattdessen berichteten die Wissenschaftler nun im Rahmen einer virtuellen Ersatzkonferenz über ihre Resultate.
«Das ist schon ein Meilenstein für uns», erklärt Wallraff, «denn damit können wir zeigen, dass Quanten-​LAN prinzipiell möglich sind. In den nächsten 10 bis 20 Jahren werden Quantencomputer darauf wohl zunehmend angewiesen sein.» Derzeit gibt es  zwar Computer mit einigen Dutzend Quanten-​Bits oder Qubits, aber mehrere Hunderttausend davon lassen sich in den bestehenden Apparaturen kaum unterbringen. Das liegt unter anderem daran, dass auf supraleitenden elektrischen Schwingkreisen basierende Qubits, wie sie in den Quanten-​Chips in Wallraffs Labor (und auch von IBM und Google) benutzt werden, auf Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt von -​273,15 Grad Celsius abgekühlt werden müssen. Dadurch werden thermische Störungen unterdrückt, die dazu führen würden, dass die Quantenzustände ihren Überlagerungscharakter verlieren – dies wird als Dekohärenz bezeichnet – und damit Fehler in den Quantenrechnungen auftreten.

Extreme Kälte gegen Dekohärenz

«Die Herausforderung war nun, zwei solche supraleitenden Quanten-​Chips über mehrere Meter so zu verbinden, dass Überlagerungszustände zwischen ihnen mit möglichst geringer Dekohärenz ausgetauscht werden können», sagt Philipp Kurpiers, ein ehemaliger Doktorand in Wallraffs Arbeitsgruppe. Dies geschieht in Form von Mikrowellen-​Photonen, die von einem supraleitenden Schwingkreis ausgesandt und von einem anderen empfangen werden. Dazwischen fliegen sie durch einen Wellenleiter, also einen wenige Zentimeter breiten Hohlraum aus Metall, der ebenfalls stark abgekühlt werden muss, damit die Quantenzustände der Photonen nicht beeinflusst werden.
Die Physiker Philipp Kurpiers, Paul Magnard, Josua Schär und Simon Storz (von links nach rechts) vor der Quantenverbindung. Rechts und links im Hintergrund sind die beiden Kryostaten zu sehen.
Quelle: Heidi Hostettler/ETH Zürich
Jeder der beiden Quanten-​Chips wird dabei in einem Kryostaten (einem extrem leistungsfähigen Kühlschrank) mit Hilfe von komprimiertem und flüssigem Helium über mehrere Tage auf wenige Hundertstel Grad über dem absoluten Nullpunkt abgekühlt. Der fünf Meter lange Wellenleiter, der die Quantenverbindung herstellt, wurde dazu mit einer Ummantelung aus mehreren Lagen Kupferblech versehen. Jede dieser Lagen dient als Wärme-​Schutzschild für die verschiedenen Temperaturstufen des Kryostaten: -​223 Grad, -​269 Grad, -​272 Grad und schliesslich – 273,1 Grad. Insgesamt wiegen alleine diese Wärmeschilde gut eine Vierteltonne.

Kein «Table Top»-​Experiment

«Dies ist also eindeutig kein ‹Table Top›-​Experiment mehr, das man auf einer kleinen Werkbank aufbauen kann», sagt Wallraff. «Da steckt viel Entwicklungsarbeit drin, und die ETH ist ein idealer Ort, um eine so anspruchsvolle Apparatur zu bauen. Es ist so etwas wie ein Mini-​Cern, das wir erst über Jahre bauen mussten, um nun endlich interessante Sachen damit zu tun». Ausser den drei Doktoranden, die die Experimente ausführten, waren mehrere Ingenieure und Techniker in den Werkstätten der ETH und des Paul-​Scherrer-Instituts (PSI) an der Herstellung und am Aufbau der Quantenverbindung beteiligt.
Die ETH-​Physiker konnten nicht nur zeigen, dass die Quantenverbindung ausreichend abgekühlt werden kann, sondern auch, dass sich mit ihr tatsächlich Quanteninformation zwischen zwei Quanten-​Chips zuverlässig übertragen lässt. Dazu stellen sie über die Quantenverbindung einen Verschränkungszustand zwischen den beiden Chips her. Solche Verschränkungszustände, bei denen eine Messung an einem Qubit augenblicklich das Messergebnis an einem anderen Qubit beeinflusst, eignen sich auch für Tests der quantenmechanischen Grundlagenforschung. Bei solchen Bell-​Tests müssen die Qubits ausreichend weit voneinander entfernt sein, damit jegliche Informationsübertragung mit Lichtgeschwindigkeit ausgeschlossen werden kann.
Während Wallraff und seine Mitarbeiter Quantenexperimente mit der neuen Verbindung durchführen, haben sie schon mit der Arbeit an noch längeren Quantenverbindungen begonnen. Bereits vor einem Jahr konnten sie eine zehn Meter lange Verbindung ausreichend abkühlen, ohne allerdings Quantenexperimente damit zu machen. Nun arbeiten sie an einer 30-​Meter-Quantenverbindung, für die eigens ein Raum an der ETH hergerichtet wurde.
Dieser Artikel ist zunächst auf ETH-News erschienen.

Autor(in) Oliver Morsch, ETH News




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