Test 29.04.2020, 10:50 Uhr

Final Fantasy VII Remake

Das Warten hat sich gelohnt! - Benjamin Braun, Games.ch
Das Remake von Final Fantasy VII im Test
(Quelle: Games.ch)
Ursprünglich sollte das Remake von "Final Fantasy VII" bereits vor rund vier Jahren erscheinen. Square Enix nahm sich jedoch deutlich mehr Zeit, damit die Neuauflage des PlayStation-Klassikers insbesondere den hohen Ansprüchen der Serienfans gerecht wird. Ob den japanischen Entwicklern dies gelingt und ihr zuschlagen solltet, haben wir vorab für euch herausgefunden.
Nun ist es endlich soweit! Auf die Erstankündigung des echten Remakes zu "Final Fantasy VII" im Juni 2015 folgt beinahe fünf Jahre später der finale Release. Die Neuinterpretation von Clouds Abenteuer erzählt dabei nicht seine gesamte Geschichte, bereichert das Rollenspielerlebnis jedoch mit vollständiger Sprachausgabe, mehr erzählerischem Tiefgang und neuer Technik. Doch lebt das Werk trotz der Neuerungen vornehmlich von den nostalgischen Erinnerungen an das Original? Oder kann Clouds Reise in Gänze überzeugen? Wir haben uns für euch vorab ins Spiel gestürzt und verraten euch, wo die Stärken und die Schwächen des Remakes liegen.

Starke Neuinterpretation

Final Fantasy VII Remake
Quelle: Games.ch
Das Remake von "Final Fantasy VII" erzählt zunächst einmal im Kern dieselbe Geschichte wie das PlayStation-Original von 1997. In der Rolle von Hauptfigur Cloud betätigt ihr euch in der Stadt Midgar als Söldner und arbeitet mit der Widerstandsbewegung Avalanche und deren Anführer Barret zusammen. Gemeinsam bekämpft ihr den Grosskonzern Shinra, der die Bevölkerung ausbeutet und mit seinen Bohrungen nach der Ressource Mako droht, die ganze Welt ins Chaos zu stürzen. Ehemals war Cloud selbst ein Mitglied von Shinra. Vom anfangs arroganten und regelrecht freudlosen Söldner wandelt er sich aber mehr und mehr zu einem Helden der Bewegung, während er zu den anderen Avalanche-Mitgliedern und der ihm schon aus Kindertagen bekannten Tifa zunehmend eine emotionale Beziehung aufbaut.
Das Remake erzählt dabei tatsächlich nur einen Teil der Geschichte des Originals, das sich auch um einen persönlichen Verlust Clouds und seine angeblich längst verstorbene Nemesis Sephiroth dreht. Obgleich aber ein Teil der Story erst in möglichen Folgeteilen erzählt werden könnte, gibt es auch eine Reihe von Ergänzungen. So wird eben gerade Clouds Wandel vom Söldner zum Heroen wesentlich ausführlicher und nachvollziehbarer in den Haupt- und Nebenmissionen beleuchtet. Atmosphärisch profitiert das Abenteuer, in dem ihr unter anderem selbstverständlich auch auf Blumenfrau Aerith und etliche weitere alte Bekannte trefft, aber vor allem durch die Sprachausgabe. Denn während das Original überwiegend in Form von unvertonten Textboxen erzählt wurde, sind die Dialoge nun vollständig vertont. Und Sprachausgabe gibt es nicht nur auf Japanisch und Englisch: Auch auf Deutsch erwartet euch ein vollständiges und, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, exzellentes Voiceover. Schade ist nur, dass wir ausserhalb der Haupt- und Nebenmission nur selten etwa mit anderen Bewohnern der Slums sprechen dürfen. Die Nebenfiguren dienen vornehmlich als nicht oder nur eingeschränkt interaktive Kulisse.
Das tut der Stimmung jedoch kaum einen Abbruch, da sie primär von der einnehmenden Charakterzeichnung der Hauptprotagonisten lebt und gleichzeitig vom grossartigen Soundtrack profitiert. Zudem gibt es immer wieder unglaublich tolle Momente zwischen Cloud und den anderen Beteiligten. Besonders positiv wird uns wohl die Szene in Erinnerung bleiben, in der Cloud mit Aerith Blumen für ein Waisenhaus in deren Slum-Bezirk sammelt und der scheinbar emotionslose Ex-Soldat Shinras dem Charme seiner naiv anmutenden Begleiterin nicht widerstehen kann.

Mehrwert statt Verzicht

Final Fantasy VII Remake
Quelle: Games.ch
Es gibt gewiss, vor allem im spielerischen Bereich, auch Elemente des Originals, auf die Square Enix im Remake teilweise oder gar komplett verzichtet. So fehlen zum Beispiel ein paar der Minispiele des Originals, die entweder nicht oder nur in stark abgewandelter Form in die Neuauflage gefunden haben. Es ist unterm Strich aber nicht der Verlust in einem, sondern der Gewinn in anderen Bereichen, der sich bemerkbar macht. So gut das Original auch war und ist, so bietet das neue "Final Fantasy VII" doch eine erheblich grössere Abwechslung und Vielfalt. Hier helfen wir Aerith mittels riesiger mechanischer Hände über einen Parcours, dort liefern wir uns eine spektakuläre Motorradsequenz mit Mitstreiterin Jessie oder beteiligen uns an fordernden Arenakämpfen.
 Aber es sind vor allem die kleinen Momente in den (grösstenteils) optionalen Nebenmissionen. Die ständigen Dialoge zwischen Cloud und seinem aktuellen Begleiter (die Party besteht stets maximal aus drei Leuten), auch wenn sie gelegentlich weniger stark künstlich unsere Bewegungsgeschwindigkeit mindern müssten. Aber sukzessiv zu erkennen, dass Cloud ein Herz hat, wenn er etwa für lumpige 3 Gil einen Kampfauftrag für die Kinder eines Waisenhauses annimmt, entschädigt für alles, was das Remake auf der anderen Seite aussparen mag.
Trotz der Massen an Dialogen gelingt es Square Enix zudem viel besser als in den teils stark dialoglastigen Vorgängern, eine individuelle Beziehung zu den Akteuren aufzubauen, eben auch, da die Charakterzeichnung deutlich griffiger und nachvollziehbarer ist. Sehr gelungen ist dabei indes der Humor, egal ob in den anfänglichen Streitgesprächen mit Kanonenarm-Begleiter Barret oder dem leicht verfressenen Avalanche-Mitglied Wedge, der beim Abendessen bei Jessies Mutter gern noch einen Nachschlag selbstgemachter Pizza hätte. 

Modern oder klassisch

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Quelle: Games.ch
Square Enix war sich von Beginn an bewusst darüber, dass die Mixtur aus Echtzeit-Action und taktischen Elementen gerade Anhängern des Originals ein Dorn im Auge sein könnte. Deshalb haben die Macher neben dem neuen Standardsystem (und einer in den Kämpfen anspruchsarmen Story-Variante) einen klassischen Spielmodus integriert. Wer möchte, kann die Scharmützel mit Monstern und menschlichen Gegnern also in einer ähnlichen Form wie im Original erleben. Im neuen Modus gelingt Square Enix derweil ein sehr guter Kompromiss aus dem klassischen Spielprinzip und einem erhöhten Actionfokus. Konkret teilt ihr in Echtzeit mit Clouds Schwert, Tifas Handschuhen oder Barrets Knarren aktiv Schaden aus und bewegt euch frei über den aktuellen Kampfschauplatz. Ihr ladet mit euren Angriffen, aber auch Blockaden und Ausweichmanövern jedoch gleichzeitig eure ATB-Leiste auf, die euch den Einsatz von Verbrauchsobjekten oder Magie erlaubt.
Schon im normalen Modus könnt ihr die Kämpfe zur Auswahl der Items und Fähigkeiten auf Knopfdruck quasi pausieren (tatsächlich verlangsamt ihr sie lediglich massiv) und euch ohne nennenswerten Zeitdruck für einen speziellen Angriff mit eurer Hauptwaffe, den Wurf einer Handgranate oder eines Heilmittels zur Wiederherstellung von Trefferpunkten oder die Bereinigung negativer Statuseffekte entscheiden. Das ist für Kenner des Originals anfangs, trotz sehr ähnlicher Versatzstücke, etwas gewöhnungsbedürftig, auch weil eine im falschen Moment ausgelöste Aktion häufiger fehlschlägt, falls ein Gegner euch dabei unterbricht. Alles in allem aber profitieren die Kämpfe dadurch sehr in puncto Tempo. Gerade im Zusammenspiel mit den für jeden steuerbaren Charakter festlegbaren Kurzbefehlen sorgt Square Enix für einen dynamischeren Ablauf, der dennoch taktisch fordern ist.

Vorbereitung ist alles

Final Fantasy VII Remake
Quelle: Games.ch
Um Erfolg im Kampf zu haben, müsst ihr eine Reihe von Faktoren berücksichtigen. Das gilt primär für die Stärken und Schwächen der etlichen Feindgattungen, die ihr bereits früh mittels eines Analyse-Geräts in Erfahrung bringen könnt. Manche Widersacher sind gegen Feuer oder Blitze quasi immun, andere könnt ihr damit recht schnell in einen Schockzustand versetzen, wodurch ihr sie für einen gewissen Zeitraum praktisch ohne Gegenwehr bekämpfen könnt. Welche Fähigkeiten ihr im Kampf nutzen könnt, hängt einerseits von eurer Waffenstufe ab, die ihr sozusagen per Learning-by-doing-Prinzip verbessert und die dabei erhaltenen Waffenpunkte etwa in erhöhten physischen Schaden oder einen Bonus für die Wirkung von Elementarmagie umsetzt. Das wichtigste Element aber bleiben die sogenannten Materia, mit denen ihr die Waffen der Helden, später aber auch andere Objekte wie Ringe erweitert. Nur dadurch dürft ihr auch verschiedene Formen der Elementarmagie mit in die Schlacht nehmen oder nach dessen Aufladung die Unterstützung des gewählten Ifrit aktivieren, die besonders starken Feuer-, Eis- oder andersartigen Schaden verursachen können. Ebenfalls nicht zu verachten sind Materia, die die Aufladung eurer Limit-Attacke beschleunigen, die erheblichen Schaden verursacht und auch unabhängig von der Aufladung der ATB-Leiste funktioniert.
Das Charaktersystem ist dabei sehr motivierend geraten, zumal ihr auch im aktuellen Kapitel gerade nicht steuerbare Helden nach allgemeinen Fortschritten aufwerten könnt. Es handelt sich nämlich um einen relativ zeitaufwendigen Prozess, weshalb es mehr Sinn ergibt, die Fortschritte immer wieder mal gleich für alle und nicht nur für die aktive Party umzusetzen. Neue Materia findet ihr dabei einerseits in quasi jedem Einsatzgebiet und könnt selbige, genauso wie neue Rüstungen, Waffen oder Accessoires, ebenso gegen Geld bei Händlern erwerben. Manche aber sind nur durch Kampfherausforderungen bei Charakter Chadley erhältlich - oder sonst erst deutlich später. Bei ihm schaltet ihr im Rahmen von VR-Challenges zudem neue Esper-Typen im Kampf frei, mächtige Wesen, die gerade in kritischen Kampfsituationen (weitreichend) aktiv an eurer Seite agieren.

Technisch unter den Möglichkeiten

Final Fantasy VII Remake
Quelle: Games.ch
Square Enix tut gewiss einiges dafür, um die Inszenierung der Handlung, aber auch die der Kämpfe auf ein Niveau zu hieven, das dem Jahr 2020 gerecht wird. Das gelingt insgesamt auch ziemlich gut mittels cineastisch dargebotener Zwischensequenzen in Spielgrafik, satter Effekte in den Schlachten und grössenteils lebensechter Animationen. Das Spiel kann eine Reihe meist kleinerer technischer Defizite jedoch nicht verleugnen. Das betrifft gar nicht so sehr die Haare der Charaktere, die qualitativ zu den übrigen Details der Charaktere deutlich abfallen. In den überschaubar grossen Ladezonen aber wäre eine höhere Texturqualität der Umgebungen wohl problemlos möglich gewesen. Es scheint weniger ein Problem beim Streaming der Welt zu sein, denn Türen, Felsen und etwa das Schild von Tifas Bar Seventh Heaven sehen selbst dann, wenn wir minutenlang daneben stehen bleiben, immer noch so grob aus, wie man das nur in einem Spiel von vor zehn Jahren kritiklos hätte hinnehmen können.
Final Fantasy VII Remake
Quelle: Games.ch
Während das der Atmosphäre letztlich allenfalls begrenzt abträglich ist, zeigt das Remake von "Final Fantasy VII" aber noch andere Schwächen. Da wären zum einen die meist extrem grobpixeligen Bitmaps, die weiter entfernte Objekte nur unzeitgemäss darstellen. Wollen wir den Dialog mit einem Nebenauftraggeber beginnen, dauert die Aktivierung auch gern mal 30 Sekunden, da das Spiel offenbar nicht schneller in der Lage ist, die dafür notwendigen Daten zu laden. Wie gesagt: Diese und andere Schwächen stören letztlich allenfalls geringfügig und könnten mit dem in unserer Fassung noch nicht integrierten Day-One-Patch auch noch bereinigt werden. Technisch bekleckert sich Square Enix gerade aufgrund des ehemals deutlich früher geplanten Launches mit derlei Macken allerdings nicht. Alles in allem würden wir dem "Vorgänger" "Final Fantasy XV" sogar eine insgesamt bessere technische Umsetzung attestieren.

Fazit

Ja, das Remake von "Final Fantasy VII" erzählt nicht die komplette Geschichte von Cloud und nimmt sich so manche Freiheit bei der Neuinterpretation des Klassikers. Das allerdings sollte Fans des Originals keinesfalls abhalten. Ganz im Gegenteil! Es bleibt dieselbe Story, aber sie gewinnt, auch dank der vollständigen Sprachausgabe, eine noch grössere Tiefe. Wenn euch Tifa oder Aerith schon damals sehr ans Herz gewachsen sind, werdet ihr sie im Remake noch viel mehr lieben. Selbst was das veränderte Kampfsystem anbetrifft, das ihr zudem auf Wunsch in einer sehr klassischen Variante angehen könnt, gelingt es Square Enix exzellent, einen Spagat zwischen einem Mehr an Action und gleichzeitiger Beibehaltung der taktischen Finessen zu finden.
Spielerisch, erzählerisch oder bei der Inszenierung genügt das Remake jedenfalls höchsten Ansprüchen und sollte deshalb bei keinem PS4-Besitzer in der Sammlung fehlen. Der einzige Wermutstropfen und auch der Grund, weshalb das Spiel keine absolute Topwertung erhält, liegt in der technischen Umsetzung begründet. Denn vor allem bei der Texturqualität muss man teils von faulen Kompromissen sprechen, die einem Spiel von 2020 einfach nicht angemessen sind. Sollten euch die technischen Mankos vom Kauf abhalten? Keineswegs! **Es ist und bleibt ein faszinierendes, anspruchsvolles und lohnenswertes Rollenspielerlebnis**, von dem ihr nur keine Perfektion in allen Bereichen erwarten dürft.

Zweitfazit von Roger 

Endlich wieder ein "Final Fantasy"-Titel nach meinem Gusto. Nachdem mich "Final Fantasy XIII" (2010) spielerisch sehr enttäuschte - für mich ein reines Press-X-to-continue-Spiel - besinnt sich Square Enix auf seine alten Stärken: Packende Kämpfe, modern und doch nach bekannter Struktur. Abgesehen von einigen sehr verwaschenen Texturen (was hat sich die Grafikabteilung hier nur gedacht?) überzeugt auch das Design. Sicher, technisch wäre wohl mehr möglich gewesen. Für mich ist die Optik dennoch sehr gelungen und modern - und doch erkennt man die Wurzeln des Originals, das vor fast einem Vierteljahrhundert erschienen ist. **Ein klarer Pflichtkauf für jeden "Final Fantasy"-Fan.**



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