Marktreport 30.05.2015, 17:45 Uhr

Smartphone-Hersteller: Alles hängt von China ab

Der weltweite Smartphone-Markt wächst nach allen Prognosen auch dieses Jahr weiter, doch ausgerechnet im einstigen Boom-Land China kämpfen viele Hersteller mit grossen Absatzproblemen.
Shanghai mit einem Smartphone fotografiert
(Quelle: shutterstock/fongfong)
Krise, welche Krise? Eigentlich hatten viele Marktbeobachter ein langsames Ende des Smartphone-Booms in Europa längst erwartet. Denn im Grunde sollte der Markt gesättigt sein und in die Phase eines soliden, aber nicht mehr so stark wachsenden Absatzes übergehen.
Doch die Zahlen für Deutschland zeigen ein anderes Bild: Laut GfK konnten auch im Januar und Februar 2015 gegenüber dem Vorjahr 12 und 15 Prozent mehr Geräte verkauft werden. Der Dezember 2014 zeigte sogar ein Wachstum um fast 50 Prozent gegenüber 2013.

Das neue Jahr beginnt eher verhalten

Weltweit soll der Anstieg der Verkäufe auch 2015 anhalten, da in vielen Ländern wie Indien der Markt bei weitem noch nicht gesättigt ist. Die Analysten von IDC rechnen mit einem Absatz von 1,4 Milliarden Geräten, was einem Wachstum von 12,2 Prozent entspricht.
Bis 2018 soll die Zahl auf 1,9 Milliarden steigen. Das erste Quartal 2015 zeigte laut Trendforce mit einem Verkauf von 291,2 Millionen Geräten gegenüber 281,5 Millionen im vergleichbaren Vorjahreszeitraum noch einen eher verhaltenen Anstieg, was vor allem am Ende der Wachstumsphase auf dem chinesischen Markt liegt.
Ein Wermutstropfen ist für die Hersteller, dass die Umsätze nicht mit dem Absatz mithalten können. So sieht IDC diese in den nächsten Jahren im Durchschnitt nur noch um jeweils 4,2 Prozent steigen, was gegen die Inflation gerechnet fast einem Nullwachstum entspricht.
Der durchschnittliche Verkaufspreis (ASP) für ein Smartphone von 297 US-Dollar im Jahr 2014 soll bis 2018 auf 241 US-Dollar fallen. Selbst im kaufkräftigen Deutschland stammten laut GfK im Februar 47 Prozent aller verkauften Smartphones aus der Preisklasse unter 300 Euro.
Der anhaltende Preisverfall wird von Marktforschern unter anderem auf den anhaltenden Druck durch die sogenannten B-Brands zurückgeführt. Dazu kommt die immer langsamere Innovation, die die technische Lücke zwischen den Highend-Modellen und der Mittelklasse praktisch geschlossen hat. Selbst Phablets sind mit guter technischer Ausstattung schon für 150 Euro zu haben.

Eine Plattform für viele Anbieter

OEM-Hersteller aus China sind inzwischen in der Lage, den Markt mit günstigen Plattformen zu versorgen, die dann noch mit einem mehr oder weniger bekannten Markennamen versehen werden. Oft sind solche Brands, die eher Vermarktungsorganisationen denn Herstellern entsprechen, nur in einzelnen Ländern tätig.
In Indien gibt es noch viel Potenzial im Smartphone-Markt, lokale Anbieter gewinnen hier immer mehr Marktanteile, während die grossen Namen verlieren
Quelle: shutterstock/Cornfield
Das Paradebeispiel ist Micromax aus Indien, die im vierten Quartal dort sogar den Marktführer Samsung überholen konnten und immerhin rund 4,5 Millionen Geräte absetzten. Der Billiganbieter profitierte dabei von den vielen Kunden, die auf dem Subkontinent erstmals überhaupt ein Smartphone kaufen und dafür meist weniger als 100 US-Dollar ausgeben können.
Der indische Markt ist vom Potenzial her weiter sehr interessant, da dort 2014 laut GfK zwar mehr als 50 Millionen Smartphones, aber immer noch rund 150 Millionen Feature Phones an 1,2 Milliarden Einwohner verkauft wurden.
Viele grosse Hersteller, die ihre Produktion in den letzten Jahren an Auftragsfertiger wie Foxconn oder Compal gegeben haben, müssen nun feststellen, dass aus den gleichen Fabriken die Produkte der Konkurrenz mit ähnlicher Wertigkeit kommen können.
Die Abhängigkeit der meisten kleineren Hersteller von Lieferanten für Komponenten macht zudem jede Möglichkeit, technische Vorsprünge länger zu verteidigen, zunichte. Lediglich Elektronikriesen wie Samsung, LG oder Huawei haben noch das Potenzial, Technologien selbst zu entwickeln und damit Teile wie Displays oder Prozessoren auch im Haus exklusiv zu bauen. 
Auf der Erfolgsspur sind derzeit Anbieter wie Wiko oder Kazam, die dieses Modell grundsätzlich verfolgen und ihre Produkte in China im Auftrag fertigen lassen, aber dazu eigene Weiterentwicklungen und Designs verwenden, um sich von der Masse abzuheben.
Der französische Hersteller Wiko etwa kam innerhalb eines Jahres nach seinem Markteintritt als Senkrechtstarter Anfang 2015 in Deutschland in der Klasse bis 100 Euro auf den dritten Platz und im Segment von 100 bis 200 Euro auf den vierten Platz. Offenbar fühlen sich Kundengruppen, denen ein Markenname egal ist, von genau solchen Produkten mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis angesprochen.
Zu diesen europäischen Anbietern mit ihren asiatischen Produkten gesellen sich starke Player aus China, die eigene Entwicklungen vorantreiben und sich damit sehr gut am Markt behaupten. Sie folgen Erfolgsgeschichten wie jenen von Huawei oder TCL mit seiner Marke Alcatel One Touch, die längst eigene Profile entwickelt haben und damit weltweit eine starke Rolle spielen.
Huawei etwa konnte im ersten Quartal dieses Jahres laut Trendforce den dritten Platz weltweit erobern und in China die Führung übernehmen.
Zu den ambitionierten Aufsteigern gehört Xiaomi, ein Hersteller, der auf dem Heimatmarkt 2014 bereits zeitweise die Spitze der Smartphone-Verkaufscharts anführte und im ersten Quartal dort den dritten Platz belegte.
Der Angriff dieses Unternehmens auf den Weltmarkt wird von der Branche mit grossem Respekt erwartet, steht aber offenbar in Westeuropa noch nicht unmittelbar bevor. Weitere hierzulande unbekannte Stars aus China sind Meizu oder Coolpad.
Eine feste Grösse ist in Asien bereits Lenovo, wobei sich der IT-Gigant nach der Übernahme von Motorola Mobility entschieden hat, in Europa bei Smartphones nur unter dieser Marke aufzutreten.

Auf China kommt es an

Das schiere Volumen des chinesischen Marktes, auf dem letztes Jahr 421 Millionen Geräte – fast ein Viertel aller Smartphones weltweit – verkauft wurden, macht diesen zum entscheidenden Faktor für das Wohl und Wehe der Hersteller.
Für 2015 rechnet IDC dort mit nur zehn Prozent Wachstum, deutlich weniger als in den Vorjahren. Die Analysten führen dies vor allem auf eine geänderte Subventionierungspolitik der Netzbetreiber und eine gewisse Marktsättigung zurück.
Einzelne Hersteller haben darauf bereits reagiert und die Vertriebskanäle angepasst: Huawei versucht zum Beispiel mit der inzwischen auch in Europa gestarteten Marke Honor den kostengünstigen Direktvertrieb per Internet zu forcieren und so die Preise der kleinen Brands zu kontern.
Mit dem Markt im Reich der Mitte kämpfen vor allem die etablierten Marken: So ist Samsung im ersten Quartal in China angesichts der starken Konkurrenz sogar aus den Top Five gefallen.
Auch Sony hat grosse Absatzprobleme in China, was im vergangenen Jahr für Aufruhr im Konzern gesorgt hat. Da fallen die ordentlichen Ergebnisse in Westeuropa und vor allem in Deutschland angesichts der geringeren Marktvolumina wenig ins Gewicht.
Allerdings konnte Samsung dank starker Verkäufe in anderen Weltregionen jüngst wieder zulegen und baute gemäss Trendforce seinen Marktanteil bei den weltweiten Smartphone-Verkäufen im ersten Quartal auf 27,8 Prozent aus, während Apple auf knapp 20 Prozent kam.
Dabei hatten sich die Erzrivalen im vierten Quartal 2014 angesichts des sehr guten Debüts des iPhone 6 fast angenähert. Der ernstzunehmendste Verfolger des Spitzenduos, Huawei, war allerdings auch im ersten Quartal mit sieben Prozent Marktanteil noch weit entfernt.
Lateinamerika ist für die Hersteller ein attraktiver Markt geworden
Entscheidend für die Entwicklung in diesem Jahr werden wohl die Wachstumsmärkte: Denn es gibt noch Weltregionen mit gewaltigen Zuwächsen. Die GfK stellte 2014 mit 59 Prozent mehr Verkäufen Lateinamerika als weltweiten Spitzenreiter fest, wo fast 110 Millionen Smartphones über den Tresen gingen. Von solchen Kaufräuschen können deutsche Verkäufer wohl nur noch träumen.




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