Arbeitspapier 09.06.2016, 16:30 Uhr

Dt. Kartellamt will Digitalwirtschaft besser im Blick haben

Facebook ist bereits im Visier des Bundeskartellamts, andere Tech-Unternehmen könnten folgen. Ein neues Arbeitspapier soll den Weg weisen, wie die Wettbewerbshüter künftig mit der New Economy umgehen können.
(Quelle: Shutterstock.com/Jerry Sliwowski)
Die Zeiten wandeln sich - und mit ihnen die Wirtschaft. In einer Welt, in der die wertvollsten Unternehmen hauptsächlich mit nicht-physischen Gütern handeln und Google, Apple und Facebook heissen, ändert sich der Wettbewerb. Und damit muss auch das deutsche Kartellamt umdenken. Um angemessen auf die neuen Herausforderungen im Umgang mit der Digitalwirtschaft reagieren zu können, hat es deshalb Anfang 2015 einen Think Tank eröffnet.
Der sollte nicht nur den Stand der Dinge von Plattformen und Netzwerken im Internet darstellen, sondern auch Prüfkonzepte entwickeln, um besser auf die Veränderungen reagieren zu können. "Die Internetwirtschaft tickt anders. Netzwerkeffekte fördern grosse und marktmächtige Unternehmen, die die digitale Wirtschaft prägen. Die Platzhirsche nutzen 'Big Data' und können dadurch einen Wettbewerbsvorsprung erlangen, den neue Unternehmen nur schwer aufholen", sagt Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts.
Internetunternehmen wie Google und Facebook sind auch auf nationaler und europäischer Ebene tätig. Allerdings verhalten sich diese oft so, dass Fragen aufkommen, wie schädlich, zulässig oder regulierungsbedürftig sie sind, so die Wettbewerbshüter. Schon im März hat das Kartellamt ein Ermittlungsverfahren gegen Facebook eingeleitet. Es könnte nicht das einzige gegen einen Digitalriesen bleiben.

Auch nicht-monetärer Austausch soll als Markt gelten

Grundsätzlich empfindet das Amt die Instrumente, die ihm zur Verfügung stehen, als ausreichend, um auch die Unternehmen der neuen Welt hinsichtlich Marktmacht und Wettbewerbsverstösse beurteilen zu können. Einige Ergänzungen wünscht man sich in Bonn allerdings doch. Zum einen soll auch eine Austauschbeziehung, die nicht auf finanziellen Leistungen beruht, von den Wettbewerbshütern untersucht werden können. Nach aktueller nationaler Rechtsprechung gelten solche Beziehungen nämlich nicht als Markt. Besonders im Internet, wo es sehr häufig nicht um die Bezahlung mit Geld, sondern um eine Bezahlung mit Daten geht, müsse eine neue Betrachtung des Markt-Begriffs her.
Auch bei Übernahmen sieht das Kartellamt Handlungsbedarf. Kleine Start-ups mit geringem Umsatz würden oft von grossen Tech-Unternehmen geschluckt. Wegen des Schwellenwerts für die Fusionskontrolle laufen solche Übernahem aber bislang unter dem Radar der Marktwächter. Gesamtwirtschaftlich betrachtet könnten jedoch auch solche Akquisitionen zu einer unerwünschten Behinderung des Wettbewerbs führen, besonders in der Digitalwirtschaft, wo Innovationskraft langfristig gesehen oft lukrativer sein kann als ein hoher Umsatz.

Exklusive Herrschaft über Daten kann Marktzutrittsschranke darstellen

Ausserdem sollen die Marktmachtbedingungen angepasst werden. Denn Faktoren wie Netzwerkeffekte, also der Effekt, dass eine Plattform mit Nutzern auch an Nutzen und damit wiederum an Nutzern gewinnt, können zur Monopolisierung führen. Ausserdem sollen Vorteile, die eine Plattform durch ihre Grösse hat, Nutzungsformen der User (werden mehrere oder nur die eine Plattform genutzt?) und das generelle Innovationspotenzial digitaler Märkte in die Betrachung miteinfliessen. Der Zugang zu Daten, wenn sie Bestandteil eines digitalen Produkts sind, soll auch eine Rolle für die Beurteilung der Marktmacht spielen. Wenn eine exklusive Herrschaft über Daten besteht, kann diese auch eine Marktzutrittsschranke darstellen. Auch bei dem Ermittlungsverfahren gegen Facebook geht es dem Kartellamt um Daten, insbesondere um die Nutzungsbedingungen des Zuckerberg-Imperiums.
Laut Mundt geht es aber nicht nur darum, Marktmachtmissbrauch zu vermeiden. Die "konsequente Durchsetzung des Wettbewerbsrechts" leiste auch "einen entscheidenden Beitrag zum Erhalt der Dynamik des Internets".



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