31.07.2013, 00:00 Uhr

Deutschen Händlern droht wegen Null-Euro-Handys immense Steuernachzahlung

Könnten Sie auf einen Schlag 300.000 Euro ans Finanzamt nachzahlen? Wohl eher nicht, denn auf ein solches Szenario stellt man sich in der Regel nicht ein, wenn man in den vergangenen Jahren stets eine ordentliche Steuererklärung abgeliefert und seinen Steueranteil an den Fiskus abgeführt hat. Trotzdem könnte es im kommenden Jahr für viele Mobilfunkhändler um die pure Existenz gehen, wenn der Bundesfinanzhof (BFH) in München sein Urteil über die Nachbesteuerung der sogenannten Null-Euro-Handys fällt.
Der Hintergrund: Verkauft ein Händler seinem Kunden einen Mobilfunkvertrag, so bekommt er eine Vermittlungsprovision vom entsprechenden Mobilfunkanbieter. Nimmt der Kunde auch noch ein Handy dazu, fällt die Provision ein wenig höher aus. Der Kunde bekommt dann Angebote wie zum Beispiel das Gratis-Handy, das er in der Realität, wie alle wissen, über die erhöhte Grundgebühr seines Vertrags ?abzahlt".

Nun wollen findige Finanzbeamte in Baden-Württemberg aber herausgefunden haben, dass dieses seit Jahren gängige Verfahren einen eklatanten Fehler aufweist, durch den dem Staat Umsatzsteuereinnahmen entgehen. Wenn es nach ihnen geht, so müssten die Händler auf das Null-Euro-Handy die Umsatzsteuer für den ursprünglichen Kaufpreis abführen.

Welche Summen auf einen Händler zukommen könnten, rechnet Hans-Jürgen Witfeld, Vertriebschef von Herweck, vor: ?Nehmen wir an, ein Händler hat im Jahr 500 iPhones mit Verträgen oder VVL für null oder einen Euro verkauft. Wenn die Finanzverwaltung mit ihrer Ansicht Recht erhält, müsste er die Umsatzsteuer aus 500 mal 629 Euro zahlen. Das wären also aus 314.500 Euro 50.000 Euro."

Hinzu kommt, dass die Nachzahlung wohl nicht nur ein Jahr beträfe, sondern bis zu sechs Jahre. ?Ich kenne in Deutschland ganz wenige Händler, die das stemmen könnten", sagt Witfeld. Aetka-Vorstand Uwe Bauer erklärt: ?Sollte es so weit kommen und rückwirkend ausgelegt sein, wäre es für viele unserer Partner existenzbedrohend."
Bereits im Jahr 2008 entschied das Finanzgericht Baden-Württemberg in einem entsprechenden Fall gegen einen Händler, 2012 wiederum gab es vom selben Gericht ein weiteres Urteil, wonach die Händler nicht zur Kasse gebeten werden dürfen, da die Umsatzsteuer mit den Abgaben, die der Kunde durch die erhöhte Grundgebühr zahle, abgedeckt sei. Andernfalls käme es zu einer Doppelbesteuerung. Das genaue Urteil nebst Begründung von 2008 finden Sie hier, das Urteil von 2012 ist hier nachzulesen.

Dieses Urteil liegt nun dem BFH zur Überprüfung vor. ?Die vom Vermittler gegenüber dem Mobilfunkunternehmen erbrachte Vermittlungsleistung wird bisher schon in vollem Umfang besteuert", heisst es diesbezüglich vom VATM. Darüber hinaus unterliege die Lieferung der Handys an den Händler der Umsatzbesteuerung und auch alle Zahlungen des Endkunden im Rahmen seines Mobilfunkvertrags seien der Umsatzsteuer unterworfen. ?Es gibt folglich keinen unversteuerten Endverbrauch", so die Erklärung des VATM.

Die von der deutschen Telecom Handel befragten Anbieter äusserten sich grösstenteils zurückhaltend, E-Plus und Mobilcom-Debitel wollten keine Stellung beziehen und verwiesen darauf, dass die Entscheidung des BFH erst 2014 zu erwarten sei. In der Vodafone-Zentrale sieht man dem Fall ?interessiert, aber relativ gelassen entgegen". Bei der Telekom geht man davon aus, dass ?die Mehrzahl der Händler die Geräte für mindestens einen Euro verkauft hat" und somit von dem Fall gar nicht betroffen sei. Schliesslich gehe es in dem Verfahren ausschliesslich um ?Gratis-Handys und andere unentgeltlich abgegebene Elektronikartikel".

Ob der BFH diese Einschätzung teilen wird, darf aber zumindest angezweifelt werden, zumal es sich bei dem einen Euro nur um einen symbolischen Preis handelt. Dominik Ossada, Rechtsanwalt aus Braunschweig, verweist hier auf den sogenannten Gestaltungsmissbrauch, da dieser Preis nur aus steuerlichen Gründen verwendet werde. Telefónica Deutschland sieht seine Händler und sich selbst von dem Fall nicht betroffen, da man bereits seit geraumer Zeit keine subventionierten Geräte mehr anbiete, sondern sie den Kunden über O2 My Handy auf Raten verkaufe.

"Die versuchte Abgrenzung zwischen unentgeltlicher Wertabgabe (null Euro), symbolischem Kaufpreis (1,00 Euro) und verbilligtem Entgelt wirft nicht lösbare Fragen auf", heisst es vom VATM. "Die in diesem Geschäft tätigen Unternehmen können und müssen doch zu Recht Rechtssicherheit zu den Steuerfolgen ihrer Umsätze haben", fordert der Verband. Insofern sei es dringend zu wünschen, dass die Finanzverwaltung klar stellt, dass 1-Euro-Handys nicht betroffen sind.

Folgen für den Handel

Wie der BFH urteilen wird, ist vollkommen offen. Auch muss das Bundesfinanzministerium im Anschluss daran erst einmal festlegen, welche generellen Auswirkungen diese Entscheidung haben wird. Von Seiten des BFH hiess es auf Nachfrage der Redaktion, dass es sich bei dem aktuellen Fall um ein ?Musterklageverfahren" handle ? also um einen ?Fall, der weitere Fälle nach sich ziehen könnte".

Rechtsanwalt Ossada erachtet das im Jahr 2012 gefällte Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg zu Gunsten des Handels als ?gut begründet". Eine anderslautende Entscheidung seitens des Münchner BFH wäre seiner Ansicht nach ?mit der Zielrichtung des Umsatzsteuerrechts und den europarechtlichen Grundlagen nicht vereinbar".(ph/th)



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