S/4Hana-Migration 07.02.2019, 11:03 Uhr

Ricola startet mit SAP auf der grünen Wiese

Der Bonbon-Hersteller Ricola hat ein neues ERP-System eingeführt. Das Unternehmen startete dabei auf der grünen Wiese, also bei null. SV Group wählte den Brownfield-Ansatz.
Für SAP R3 endet 2025 die über 30-jährige Lebenszeit
(Quelle: Swisscom/Jörg Knaus)
Für Schweizer SAP-Anwendern stehen grosse Veränderungen an. Sie müssen innerhalb der nächsten Jahre ihre ERP-Systeme erneuern. Denn die aktuelle Version der SAP-Software wird nur noch bis 2025 unterstützt. Um bei der Migration zu helfen, hat Swisscom vor etwa einem Jahr ein Transformationsprogramm lanciert. An diesem nehmen aktuell rund 30 Schweizer Firmen teil, sagte Jörg Knaus, SAP Chief Solution Architect bei Swisscom, an einem Medienanlass in Zürich. Damit würden sich allerdings rund zehn Prozent der SAP-Kunden des Telkos mit dem Release-Wechsel beschäftigen. Ganz zu schweigen von den weiteren knapp 700 Unternehmen in der Schweiz, die eine SAP-Software im Einsatz haben.
Bei der Migration wählen die Unternehmen entweder einen «Greenfield»-Ansatz, bei dem die Daten auf die neue Plattform migriert und die Altsysteme abgeschaltet werden. Für dieses Vorgehen entscheiden sich 38 Prozent der Kunden, sagte Knaus. Eine Mehrheit von 42 Prozent nutzen den «Brownfield»-Ansatz, bei dem neben den Daten auch teilweise Eigenentwicklungen mit in die neue Infrastruktur gezügelt werden. Die übrigen 20 Prozent der Swisscom-Kunden hätten sich noch nicht für eine Migrationsmethode entschieden.

«Ohne SAP kein Ricola»

Der Bonbon-Hersteller Ricola hat sich für eine Greenfield-Migration entschieden, wie CIO Rolf Kohler an dem Anlass sagte. Das im Jahr 1997 eingeführte SAP R3 sei tief in den Herstellprozess integriert: «Ohne SAP produziert Ricola kein einziges Bonbon», sagte er. Das System hätte nach den über 20 Jahren aufwendig aktualisiert werden müssen. Und die Integration von Vertriebsgesellschaft in Italien sowie den USA stand an. Ricola wählte einen Greenfield-Ansatz, um sich einerseits von Altlasten zu befreien, andererseits auch die Chance zu nutzen, die bisherigen Geschäftsprozesse und Stammdaten zu optimieren.
Mithilfe der Swisscom-Methode wurde eine neue SAP-Landschaft aufgebaut. Die Daten mussten aufwendig manuell aus dem R3 exportiert werden, da SAP kein entsprechendes Migrationswerkzeug bereitstellt, kritisierte Kohler. Seine Kritik wurde offenbar vom Hersteller gehört, denn ein Export-Tool ist mittlerweile in der Entwicklung, wie Knaus sagte. Der Import ins neue S/4-System funktionierte dank der verfügbaren SAP-Tools dann gut. Die neuen Server laufen seit Anfang Januar im Rechenzentrum von Ricola. Der CIO musste allerdings nochmals investieren, denn die Infrastruktur wurde durch S/4 komplexer, wie er sagte.

Eines der ersten Brownfield-Projekte

Für einen Brownfield-Ansatz hatte sich der Gastronomie- und Hotelbetreiber SV Group entschieden, sagte der Director Shared Services, Heinz Giezendanner, an dem Anlass. Bereits 2012 hatte das Unternehmen seine SAP-Landschaft neu aufgestellt, Altsysteme abgebaut, ein neues Hauptbuch implementiert und den Betrieb an Swisscom ausgelagert. Dank dieses Szenarios konnte die SV Group als eines der ersten Unternehmen der Schweiz einen Brownfield-Ansatz angehen.
Auf die SAP-Systeme der SV Group haben alle rund 600 Betriebe in der Schweiz, in Deutschland und Österreich Zugriff. Die Lösung besteht laut Giezendanner aus den SAP-Modulen CO (Controlling), FI (Finance) und HR (Human Resources), die über rund 40 Schnittstellen an Umsysteme angeschlossen sind. Weiter sind circa 600 Zusatzentwicklungen implementiert. Die Infrastruktur ist in zwei Rechenzentren installiert und wird von der Swisscom betrieben. Neu werden die Services aus der Swisscom-Cloud geliefert. Wie Giezendanner sagte, war der Go-Live des S/4Hana-Systems im September vergangenen Jahres.
Sowohl Ricola als auch die SV Group haben sich bewusst gegen ein ERP aus der Public Cloud entschieden. Auch wenn beide Unternehmen durchaus offen sind für IT-Lösungen aus der Wolke, wie die IT-Verantwortlichen auf Nachfrage der Computerworld sagten. Der Hauptgrund für den lokalen respektive Betrieb in einem Schweizer Rechenzentrum sind nicht die oftmals angeführten Bedenken wegen des Datenschutzes oder der Sicherheit. Vielmehr seien komplexe Systeme wie ein ERP mit kundenspezifischen Anpassungen ungeeignet für die regelmässigen und automatischen Software-Updates in der Cloud, wie Swisscoms Knaus sagte. Diese Betriebsart eigne sich in erster Linie für Neukunden ohne Legacy.




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