Ämter und Betriebe verstehen Mundart

Parlamentsdebatten auf Mundart

In zwölf Kantonen debattieren die Parlamentarier teilweise oder vollständig auf Mundart. Von den Reden werden typischerweise Wortprotokolle erstellt. Einige Parlamente beschränken sich aufgrund des hohen Aufwands auf Beschlussprotokolle. Denn das Transkribieren von Dialekten bedeutet einen erheblichen Mehraufwand. Statt sechs Stunden Tippzeit pro einer Stunde dauert das Verschriftlichen von Mundartdebatten bis zu neun Stunden.
Diverse Deutschschweizer Parlamente haben sich in den vergangenen Jahren dazu entschieden, die Protokollierung zu digitalisieren. Jüngstes Beispiel ist der Glarner Landrat. Die Ratsdebatten werden seit November 2021 online live übertragen. Neu können die Sitzungen auf der Website «gl.recapp.ch» auch nachträglich angeschaut und nach Stichworten durchsucht werden. Dafür transkribiert die Software des Anbieters Recapp die Tonaufnahmen der Debatten automatisch und macht sie durchsuchbar. Die Software ist laut Kanton «weitgehend» in der Lage, die im Landrat gesprochene Mundart ins Schriftdeutsche zu übersetzen, und unterstützt so die Protokollierung der Ratsdebatten. Die automatische Transkription ermöglicht Effizienzgewinne, wobei gemäss Kanton eine Schluss­redaktion weiterhin unerlässlich ist. So bleibt das schriftliche, vom Landratsbüro genehmigte Verlaufs­protokoll trotz der Sitzungsaufnahmen massgebend.
Die Luzerner Gemeinde Emmen und Pratteln im Baselbiet haben schon einige Monate mehr Erfahrung mit den digitalen Protokollen. Allerdings verzichten sie auf Videoaufnahmen. Die zwei Gemeinden verfügen vielmehr über ein Tonarchiv aller Einwohnerratssitzungen seit März 2021. Dafür nutzen sie jeweils ebenfalls die Technologie von Recapp: Die Software transkribiert die Sitzungs­aufnahmen automatisch. Das Modul «kanparl» dient dann zum Überarbeiten des Sitzungsprotokolls. Auf der Plattform «shareparl» sind letztendlich die Sitzungsaufnahmen zentral hinterlegt und können beliebig beispielsweise nach Sprechern, Datum oder auch nach Stichworten in den gesprochenen Inhalten durchsucht werden.

Strassenverkehrsamt mit «VoiceBot»

Die Mitarbeitenden des Strassenverkehrsamts Aargau erreichen täglich mehrere Hundert telefonische Anfragen. Dabei handelt es sich grösstenteils um Standardfragen, auf die es eine Standardantwort gibt. Zur Unterstützung bei der Bewältigung dieser Anfragenflut hat das Strassenverkehrsamt zusammen mit dem IT-Dienstleister AdNovum und dem Spezialisten Spitch einen Sprachroboter entwickelt. Der «VoiceBot» weiss aktuell auf 23 Fragen eine Antwort. Diese repräsentieren 30 bis 40 Prozent aller Anrufe. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Anruferin oder der Anrufer die Frage auf Dialekt oder Hochdeutsch stellt. Der Roboter versteht beide Sprachen. Sind während der Dienstzeit alle Leitungen besetzt, können die Kundinnen und Kunden wählen, ob sie warten oder ihre Frage dem «VoiceBot» stellen wollen. Ausserhalb der Öffnungszeiten wird die Kundschaft direkt mit dem Roboter verbunden. «In den vergangenen sechs Monaten haben rund 16 000 Personen dem ‹VoiceBot› mindestens eine Frage gestellt», berichtet Sandro Fanti, Leiter Fachservices und Personal des Strassenverkehrsamts Aargau. «Wir registrieren mittlerweile eine steigende Nutzungsrate: Von anfänglich 32 Prozent sind es heute bereits 51 Prozent der Anrufer, die sich mit dem Roboter verbinden lassen.»
“Kunden sind teils überrascht, wie gut der Roboter sie versteht„
Sandro Fanti, Strassenverkehrsamt Aargau
Fanti und seine Kollegen erachten die Entwicklung als «sehr erfreulich», da es ungewohnt ist, mit einem Roboter zu interagieren. Die Reaktionen der Kundschaft sind unterschiedlich. «Vereinzelt erwähnen Kundinnen und Kunden, dass sie sehr positiv überrascht waren über die Qualität der Antwort und wie gut der Roboter sie versteht», so der Verantwortliche. Es gebe jedoch auch Rückmeldungen, dass der «VoiceBot» die Fragen nicht beantworten könne oder sie nicht richtig verstehe. Dann leite der Roboter den Anrufenden an einen Mitarbeiter weiter.
Für das Strassenverkehrsamt Aargau bietet die Technologie grosses Potenzial für die Digitalisierung von Prozessen, führt Fanti aus. Der Roboter werde nun konti­nuierlich mit weiteren Sprachakzenten trainiert sowie um zusätzliche Fragen und Antworten ergänzt. «Dank des ‹VoiceBot› können wir die in den letzten Jahren stark gestiegene Nachfrage nach unseren Dienstleistungen besser bewältigen», resümiert der Fachstellenleiter.




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