Interview
12.08.2015, 02:43 Uhr

Facebook: "Bewegtbild wird immer wichtiger"

Ein knappes halbes Jahr ist Marianne Dölz jetzt Facebook-Chefin von Deutschland. Ein Gespräch über Wirkungsnachweise, Video-Werbung und künftige Pläne.
Facebook-Chefin Marianne Dölz
Mariane Dölz: Facebook-Chefin Deutschland
(Quelle: Facebook)
Frau Dölz, wie oft sind Sie eigentlich selbst auf Facebook aktiv?
Marianne Dölz: Mehrfach täglich, vielleicht 25 oder 30 Mal. Für mich ist Facebook ja nicht nur die Plattform, über die ich mich mit Freunden und Familie verbinde, sondern auch Arbeitsmittel, also eine Plattform, auf der wir uns weltweit über verschiedenste Themen austauschen. Die Kommunikation über Facebook hat für mich den gleichen, wenn nicht sogar ­einen höheren Stellenwert als über Mail.
 
Haben Sie auch Unternehmen geliked?
Dölz: Sehr viele und manche schon sehr lange, beispielsweise das Start-up Fincallorca. Die haben aktuell eine fantastische Kam­pagne auf Facebook, auf der sie Videos von traumhaften Fincas auf Mallorca posten, die sie mithilfe von Drohnen aufnehmen. ­Diese Kampagne funktioniert. Knapp 80 Prozent ihres Website-Traffics und 21 Prozent ihres Umsatzes kommen von Facebook.

Arbeiten die meisten Marken so gut mit ­Facebook?

Dölz: Das ist so unterschiedlich wie die Kommunikationsziele, die Marken auf ­Facebook verfolgen. Wir haben traditionell viele E-Commerce-Unternehmen, die unsere Plattform sehr gut verstanden haben. Die nutzen Facebook sehr effizient und erzielen mit unserer Reichweite und unseren Targeting- und Retargeting-Möglichkeiten sehr gute Ergebnisse.
 
Und die Markenartikler?
Dölz: Bei Marken aus dem Konsumgüterbereich haben wir eine etwas grössere Spreizung. Da gibt es Unternehmen mit einer ausgeprägten digitalen Agenda wie beispielsweise Nestlé, die Facebook-Werbung für verschiedene Marken optimal einbinden. Es gibt aber auch Unternehmen, bei denen noch viel Unsicherheit und Informationsbedarf besteht.

Sind die Zeiten vorbei, in denen vor allem Social KPIs wie Fans und Likes als ultimative Facebook-Währung galten?
Dölz: Definitiv! Und auch wenn Engagement und Likes nach wie vor für einige Marken wichtig sind, so sprechen wir mit dem Grossteil unserer Kunden heute vor allem über andere Wirkungsnachweise. Die Diskussion über echte Business-KPIs tritt in den Vordergrund.
Welche Wirkungsnachweise sind das?
Dölz: Das kommt auf die Zielsetzung der Kampagne an. Geht es darum, ein neues Produkt bekannt zu machen, oder darum, Reichweite aufzubauen? Geht es darum, Zielgruppen anzusprechen, die über andere Kanäle nicht erreicht werden konnten, oder für ein Unternehmen Menschen auf den Online-Shop zu leiten und damit eher klassische Abverkaufsziele zu verfolgen? Wenn ein Werbungtreibender klar definiert, welche Geschäftsziele er verfolgt, können wir ihn dabei unterstützen, die Kam­pagne auf Facebook relevant zu machen und den Erfolg anhand von etablierten Kennzahlen zu messen. Dazu arbeiten wir mit Partnern wie der GfK oder Nielsen zusammen.

Wie gefragt ist in diesem ­Zusammenhang Video-Werbung?
Dölz: Der Video-Konsum der Menschen auf Facebook ist im letzten Jahr in Deutschland exponenziell angestiegen. Noch vor ein paar Jahren hat man eher kurze Texte gepostet, dann kamen Bilder dazu und jetzt sind es verstärkt Videos, die Menschen teilen. Die gleiche Entwicklung sehen wir bei Werbungtreibenden. Bewegtbild wird immer wichtiger. In nicht allzu ferner Zukunft wird es dann Virtual Reality sein, sodass die Menschen mit den Videos auch interagieren, sich beispielsweise innerhalb eines ­Videos in 360 Grad bewegen können.

Von Anfang an emotionalisieren

Google hat mit sanftem Druck die Kreativen zur Produktion von Videos gezwungen, die den User sofort vereinnahmen, ansonsten darf er wegklicken. Was unternehmen Sie in dieser Richtung?
Dölz: Aus vielen Studien wissen wir, dass Menschen die Inhalte nutzen, die für sie ­relevant sind. Es geht also darum, die Menschen von Anfang an zu emotionalisieren. Grundsätzlich gilt: Innerhalb der ersten drei Sekunden muss der Content so interessant sein, dass das Video weiter angeschaut wird.
 
Google sucht seit einigen Monaten die Nähe zu den Kreativen, um dort das Bewusstsein für digitale Kampagnen zu schärfen. Gibt es bei Ihnen auch entsprechende Initiativen?
Dölz: Ja. Wir haben beispielsweise ein sehr praxisorientiertes Ausbildungsprogramm namens Blueprint entwickelt. Das ist ein Workshop, in dem Mitarbeiter aus Kreativ- und Media-Agenturen mit Kollegen von Facebook zusammenkommen und fiktive Cases erarbeiten. Wir planen gerade wieder eine Reihe dieser Tagesseminare für das zweite Halbjahr 2015.
Es gibt Branchenexperten, die die These vertreten, dass Mobile nie ein relevanter Werbekanal werden wird. Die geringen Umsätze, die damit bislang erzielt werden, scheinen diese These zu bestätigen.
Dölz: In unserer Branche gibt es ja viele Experten. Ich kann nur festhalten: Wir haben 27 Millionen Nutzer in Deutschland, 17 Millionen von ihnen nutzen täglich ihr mobiles Endgerät, um auf Facebook zuzugreifen. In manchen Zielgruppen hat die mobile Mediennutzung die TV-Nutzung bereits überholt. Mobile ist also keine Technologie, sondern ein Konsumentenverhalten. Die Diskussion scheint mir deshalb ein wenig müssig, da hat uns das Verhalten der Menschen inzwischen überholt. Was aber ohne Frage eine Herausforderung ist: eine vernünftige Kommunikation auf Mobile Devices hinzubekommen.

Und: Gelingt das Facebook?
Dölz: Auf jeden Fall. Denn unsere Werbeformate sind im Newsfeed integriert. Wir haben keine Display Ads, die sich plötzlich in den Vordergrund schieben. Die Konfrontation mit der Werbeanzeige ist auf Facebook grundlegend anders als bei ­anderen Werbekanälen.

Für den Messenger-Dienst Whatsapp gilt ja eine "No Ads Policy". Bedeutet das im Umkehrschluss, dass eines Tages Werbung auf dem Facebook Messenger kommt?
Dölz: Dazu kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nichts sagen. Grundsätzlich können wir uns aber vorstellen, den Facebook Messenger für die Kommunikation zwischen Unternehmen und Kunde zu öffnen, quasi als Echtzeitkundenservice. Erste Tests in diese Richtung laufen bereits.

Welche Trends werden Facebook in den nächsten Monaten sonst noch prägen?
Dölz: Werbungtreibende aus dem Performance-Bereich werden Facebook künftig verstärkt zum Branding nutzen und umgekehrt. Das ist eine interessante Entwicklung, denn mit der zunehmenden Digitalisierung von Geschäftsmodellen machen sich auch immer mehr Marken im Netz Konkurrenz. Beim ­E-Commerce ist beispielsweise die Gefahr, den Kunden an die Konkurrenz zu verlieren, viel grösser als im stationären Handel. Das bedeutet: Der Markenaufbau im Web und damit entsprechende Branding-Kampagnen werden immer wichtiger. Bei der Kaufentscheidung ist nicht mehr der Preis das alleinige Kaufkriterium, auch die Marke wird zum entscheidenden Faktor. Brandformance-Kampagnen werden deshalb in Zukunft stark gefragt sein.




Das könnte Sie auch interessieren