Künstliche Intelligenz 23.05.2023, 15:15 Uhr

Amazons KI: Wankt der Tech-Riese?

Nach Microsoft und Alphabet (Google) will nun auch Amazon in seinen Produkten und Services «Künstliche Intelligenz» einsetzen. Noch läuft längst nicht alles rund. online PC verrät den aktuellen Stand.
(Quelle: Amazon)
Darum gehts: Amazon plant eine ChatGPT-ähnliche Produktsuche für seinen Webshop zu implementieren. Warums ganz schnell gehen muss, liegt auf der Hand: Microsoft und Google haben vorgelegt, nun droht man ins Hintertreffen zu geraten. Amazons CEO Andy Jassy präzisierte erst im April 2023 die Pläne des E-Commerce-Riesen dazu: «AI ist eine bemerkenswerte Gelegenheit, praktisch jede Kundenerfahrung zu transformieren». Dazu wurden neue Amazon Web Services (kurz AWS = Cloud-Computing-Einheit des Unternehmens) und Dienstleistungen angekündigt, die allesamt auf KI abzielen. Ausserdem wurde auch «Bedrock» präsentiert. Dabei handelt es sich um einen von Amazon vorgestellten AI-as-a-Service-Dienst, welcher den Kunden generative KI auf Basis von Amazon Web Services zur Verfügung stellt. Neben AWS steht aber auch die E-Commerce-Abteilung, also das Händlerportal, sowie auch dessen mögliche Anbindung von Alexa, als Sprachassistentin, im Blickpunkt des Tech-Spezialisten. Die Parole: Beides muss schnellstmöglich auf KI getrimmt und vorangetrieben werden. Hintergrund: Eine generative KI nutzt grosse Datenmengen, um Sprachmodelle zu erstellen, die dabei unterstützen, Texte oder Bilder anhand einer Anfrage zu generieren.
Gerade die Amazon-Suche soll von KI deutlich profitieren
Quelle: PCtipp
Die Konkurrenz im Nacken: Gerade die jüngsten Entwicklungen von Microsoft respektive Google und dem angekündigten AI-Ausbau auf nahezu allen Services zeigen das Potenzial solcher generativen AI-Bots und dürften aufseiten Amazons einmal mehr die Alarmglocken läuten lassen. Ein konkretes Beispiel, was Amazon bevorstehen könnte, erläuterte Bloomberg auf seiner Webseite: «Wenn man Microsofts Bing, die von OpenAIs ChatGPT betrieben wird, auffordert, die fünf besten elektrischen Rasierer anzuzeigen, werden eine Liste von fünf Produkten, einschliesslich Zitaten aus Men's Health und GQ-Bewertungen sowie Links zu den verkaufenden Geschäften angezeigt.» Die gleiche Suche auf Amazon liefert hingegen eine Auflistung von Produkten. Dazu kommt, dass diese von Amazon gelieferten Suchergebnisse von einem hohen Anteil an Anzeigen und anderen gesponserten Inhalten durchsetzt sind. «Und zwar ohne eine enge Bindung zur Suchanfrage», macht die Quelle als klares Defizit der Amazon-Suche aus.

Amazon treibt ihr KI-Zentrum voran

Damit wird klar: Amazon will und braucht schnellstmöglich eine generative, dialogbasierte AI-Produktsuche. Erst dadurch kann eines von Amazons Kerngeschäften, sprich der Einzelhandel, auf ein neues Level gehoben werden.
Andy Jassy: Amazon-Chef
Quelle: Reuters
Wie wichtig dieses Unterfangen ist, macht zudem auch eine Untersuchung von «Jungle Scout», einem Anbieter von Software für Verkäufer, klar: Diese hat ergeben, dass die Amazon-Suchleiste (ganz oben auf der App respektive der Startseite der webbasierten Browser-App) Anlaufstelle Nummer eins geworden ist, um Produkte nicht nur zu suchen, sondern auch einzugrenzen und zu priorisieren. Zudem will das Research-Unternehmen erfahren haben, dass mehr als die Hälfte aller US-Käufer ihre Produktsuche auf Amazon.com starten, was damit über dem Anteil der Google-Shopping-Suche liegt.

Amazon sucht KI-Experten und solche, dies werden wollen
Quelle: Amazon

Gesucht werden KI-Experten

Um dieses «Defizit» zu beseitigen, geht Amazon gleich mehrfach in die Offensive. Zum einen klassisch mit Stellenausschreibungen. Diese und andere wurden jüngst auf ihrem firmeneigenen «Job-Board», ausgeschrieben. Im Detail wird dort ein leitender Software-Entwicklungsingenieur für die Amazon-Search-Sparte (=Suchmaschine) zur personalisierten Produktsuche, deren Vergleich und Einordnung gesucht. Die zweite Stellenausschreibung wird noch konkreter: Hier werden hochqualifizierte Mitarbeiter gesucht, die «Teil von Amazons neuer AI-Initiative wird, um sogenannte Deep-Learning-Technologien in deren Module und Services zu integrieren.» Da passt auch die Aussage von Amazons Pressesprecherin Keri Bertolino, «erheblich in generative AI in allen Geschäftsbereichen investieren» zu wollen. Zweitens baut Amazon, laut eines nicht näher genannten «Insiders», ein weiteres Team auf, das KI-Tools zur Erstellung von Fotos und Videos für Werbekampagnen einsetzen will. Das zumindest berichtet die englischsprachige Webseite «The Information».

Fazit: Es steht viel auf dem Spiel

Man hört die Konkurrenz schon an die Türe klopfen. Die bisherigen Cash-Cow-Sparten könnten im Zuge von KI plötzlich ins Wanken geraten. Konkret: Im E-Commerce-Geschäft könnten Käufer mit Webshops, die auf AI-basierte Tools setzen, nicht nur deutlich schneller ans Ziel geführt, sondern auch umfassender informiert werden. Bisher hat Amazon zwar noch den Nimbus auf das Geschäft. Fasst KI aber auch nur annähernd schnell Fuss in diesem Segment, dürfte Amazon rasch Ungemach drohen. Da ist es schlicht und einfach wichtig, den Zug nicht zu verpassen.
Daniel Bader, Stv. Chefredaktor PCtipp
Quelle: PCtipp
Auch die AWS-Sparte unter erhöhtem Druck:
Genauso Obacht walten lassen sollte Amazon bei ihrer AWS-Sparte. Denn die Amazon Web Services (AWS) bieten mit mehr als 200 Services sehr umfangreiche Funktionen, die in Rechenzentren rund um den Globus bereitgestellt werden. AWS ist damit die weltweit umfassendste und am häufigsten genutzte Cloud. Ein Erfolg für Amazon ist deshalb umso wichtiger, da sich so die spürbar schwindende Nachfrage an Cloud-Diensten auffangen lassen könnte. Hier müssen allerdings die KI-Tools und Dienstleistungen noch zeigen, ob sie sich in den Workflow eines Unternehmens nahtlos einbinden lassen, diesen automatisieren und dadurch den gesamten Prozess beschleunigen, so wie es die AWS-Webseite von Amazon den Kunden bereits jetzt verspricht.
Der signifikante Unterschied zu den KI-Bemühungen von Microsoft und Alphabet: Während Microsoft mit OpenAI immer enger verzahnt ist, investiert Google in die externe KI-Plattform «Anthropic», so die Webseite it-times.de, immense Summen! Amazon kocht, um es salopp zu formulieren, sein eigenes Süppchen und setzt auf hausinternes Know-how. Das muss nicht schlecht sein. Ihr Ansatz: Unternehmen ein auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenes KI-Modell/Tool oder gleich umfassende Dienstleistungen aus eigener Hand zur Verfügung zu stellen. Damit will Amazon nicht nur deutlich weniger Reibungsverluste aufweisen, sondern auch sicherer sein, da die KI-Modelle exklusiv auf die Kundendaten trainiert werden. «Damit», so weiss Amazon, «ist gewährleistet, dass die Daten im Zuge der KI-Implementierung nicht mit anderen Unternehmen geteilt werden.»



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