Daniela Engel, Wish 09.09.2019, 15:31 Uhr

"Unser Kunde ist ein Schnäppchen-Jäger aus der Millennial-Generation"

Die Shopping App Wish hat in den letzten Jahren zu einem Überholmanöver auf der rechten Spur angesetzt. Jetzt umgarnt der Marktplatz deutsche Händler.
Daniela Engel, General Manager Europe bei Wish
(Quelle: Wish)
Wish ist das Wunderkind unter den Online-Marktplätzen. 2010 als Shopping App gestartet, hat das Unternehmen mittlerweile einen Jahresumsatz von rund zwei Milliarden US-Dollar und eine Bewertung von 11,2 Milliarden Euro erreicht. Weltweit 90 Millionen Nutzer verwenden die App regelmässig mit dem Ziel, Produkte zu äusserst geringen Preisen zu erwerben.
In ­Zukunft will Wish aber vom Wühltisch-Image weg - und ­umgarnt dafür zurzeit mit Verve europäische Marktplatz-Händler. ­Daniela Engel, General Manager Europe, erklärt das Vorhaben.
Frau Engel, Sie sind Ende letzten Jahres nach Management-Positionen bei Zalando und Wayfair zu Wish gewechselt. Mussten Sie für das Eintauchen in die Schnäppchenwelt von Wish umdenken?
Daniela Engel: Nein, eher nicht. Der Fokus in all meinen Positionen lag auf dem Kunden und seiner Einkaufserfahrung. Das ist auch mein Fokus bei Wish - nur gehen wir das Thema Customer Centricity hier anders an. Wir konzentrieren uns auf den Smartphone User. 90 Prozent unserer Käufe werden über das Smartphone getätigt. Das ist eine neue Art des Shoppings: M-Commerce wächst dreimal so schnell wie E-Commerce. Aber ­M-Commerce ist an dieser Stelle zu kurz gesprungen, denn unsere App funktioniert eher wie eine Social Media App denn wie ein klassischer Online Shop. Es geht um Inspiration, um visuelles Browsing, um Personalisierung, um den bestmöglichen Impulskauf. Das hat mit dem geringeren Preisniveau erst einmal nichts zu tun.
Wie steht Wish aktuell in Europa und in Deutschland da?
Engel: Viele Zahlen kann ich nicht verraten. Aber global gesehen, hat Wish jedes Jahr seit der Gründung seinen Umsatz verdoppelt und letztes Jahr 1,9 Milliarden US-Dollar umgesetzt. Europa ist eine der bedeutendsten Regionen für uns - circa die Hälfte ­unserer Kunden kommt aus Europa - und Deutschland ist hier zusammen mit Frankreich unser wichtigster europäischer Markt. Wir wachsen aktuell in Europa auch sehr stark: Die letzten zwei Jahre ­waren wir in Deutschland die am häufigsten heruntergeladene Shopping App.
Wie sprechen Sie Ihre Kunden an?
Engel: Der Fokus liegt auf Online Marketing. Wir hatten aber auch schon TV-Kampagnen, arbeiten mit Influencern aus unseren wichtigsten lokalen Märkten zusammen und nutzen PR, um auf uns aufmerksam zu machen. International haben wir bereits mit einigen Weltstars wie Neymar und Gareth Bale zusammengearbeitet.
Wie sieht der typische Wish-Kunde in ­Europa aus?
Engel: Grundsätzlich ist unser Kunde eher preissensibel, ein Schnäppchen-Jäger aus der Millennial-Generation, also zwischen 18 und 35 Jahren. Meist steht ein mittleres bis geringes Einkommen zur Verfügung. Zudem ist er sehr Social-Media-affin und lässt sich gern inspirieren. Bei einer Kundenbefragung hat einer unserer Nutzer kürzlich ausgesagt: Bei Wish würde man sich fühlen wie ein Kind in einem Spielzeugladen. Das fasst es gut zusammen, ­finde ich: Auf Wish zu shoppen, macht ­unseren Kunden Spass, sie verbringen deshalb im Schnitt 20 Minuten mit Browsing. Die beliebtesten Kategorien sind Mode, Gadgets und Freizeitartikel, aber tatsächlich sind wir sehr breit aufgestellt.
Wie sieht es denn auf Händlerseite in ­Europa für Sie aus?
Engel: Global betrachtet, kommen natürlich die meisten unserer Händler noch aus China. Wir haben aber schon rund 3.000 Händler aus Europa auf unserer Plattform. Das möchten wir in der Zukunft deutlich steigern.
Was für Händler hätten Sie denn gern auf der Plattform?
Engel: Wir freuen uns über jeden, der gern bei uns verkaufen ­möchte. Es gibt keine Restriktionen. Bei unseren jetzt aktiven Händlern ist vom kleinen Einzelhändler bis zur grossen Kette alles dabei. Auch beim Sortiment gibt es keine Einschränkung. Aber die Händler müssen sich natürlich darüber klar sein, welche Kunden sie bei uns erreichen: Mobile-­affine, sehr visuell shoppende Schnäppchenjäger mit Lust auf Inspiration. Diese Zielgruppe ist über andere Kanäle nicht so einfach zu erreichen wie bei uns - und auf die fokussieren wir uns.
Das zeigt Ihre App - dort sieht es eher aus wie auf Instagram als wie auf Amazon: viele Bilder, kaum Produktbeschreibungen. Wie kommen Ihre Händler damit zurecht?
Engel: Tatsächlich gibt es auch auf unseren Produktdetailseiten Verlinkungen zu ausführlicheren Beschreibungstexten. Aber grund­sätzlich haben Sie schon recht: Für sehr lange und ausführliche Produktbeschreibungen reicht der Platz oft nicht aus - und in der Regel sind bei uns visuell starke Produkte, deren Story man ihnen auf einen Blick ansehen kann, besser aufgehoben. Wir arbeiten aber gerade daran, den globalen Anmeldeprozess und die Formulare zur Produkteinstellung auf unserem Marktplatz zu lokalisieren, damit wir langfristig stärker mit den Händlern zusammenarbeiten zu können. Davon erhoffen wir uns Feedback zu unseren Prozessen.
Wie läuft denn der Verkauf auf Wish für Händler ab?
Engel: Händler müssen sich bei uns mit Gewerbeschein und Personalausweis registrieren. Die Bewerbung wird vom Team geprüft und danach bekommt der Händler Zugang zu unserem Marktplatz und kann seine Produkte dann über eine Intranet-Merchant-Seite, über eine CSV-Liste, eine API hochladen. Der Bezahlprozess läuft über uns. Da arbeiten wir in Deutschland mit Klarna zusammen, was bedeutet, dass der Kunde per Rechnung, per PayPal oder per Sofortüberweisung bezahlen kann. Wir zahlen den Merchant dann ­jeweils zum 1. und 15. eines Monats aus. Der Kundensupport liegt auch bei uns.
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Quelle: IWC

Mitspracherecht bei Retouren und Erstattungen

Und der Retourenprozess? Haben die Händler bei der Akzeptanz von Retouren bzw. von Erstattungen ein Mitspracherecht?
Engel: Wenn ein Händler sich bei Wish anmeldet, stimmt er bestimmten Policies zum Thema Retouren zu. Diese Richtlinien sind sehr kundenorientiert. Wir bieten Käufern, die einen falschen oder defekten ­Artikel erhalten, eine vollständige Rück­erstattung an. Wir wollen aber auch fair gegenüber unseren Händlern sein. Sofern ein Händler ein Produkt nicht aus Versehen versandt hat oder der gelieferte Artikel beschädigt oder defekt ist, muss der Verbraucher die Rücksendekosten tragen. 
Sie wollen nicht nur mit Händlern, sondern auch vermehrt mit Marken zusammen­arbeiten …
Engel: Ja, aktuell sind wir im Gespräch mit verschiedenen Markenherstellern. Parallel arbeiten wir daran, die Plattform stärker darauf auszurichten, unseren Kunden klarer zu kommunizieren, welche Markenprodukte auf der Plattform überhaupt zu finden sind. Das steckt aber alles noch ziemlich in den Kinderschuhen.

Ein Hindernis bei Verhandlungen mit Marken dürfte der hohe Prozentsatz von Markenfälschungen auf Ihrer Plattform sein. Wie gehen Sie mit diesem Problem um?
Engel: Wir nehmen das Thema intern sehr ernst. Tatsächlich sind wir über jeden Hinweis auf ein gefälschtes Produkt dankbar. Deshalb gibt es auch das Brand Protection Program, bei dem sich die Rechteinhaber direkt an uns wenden können, um Fälschungen löschen zu lassen. Das Team, das sich um das Programm kümmert, arbeitet aber nicht nur reaktiv, sondern scannt die Plattform auch selbst auf Fälschungen, um sie proaktiv zu löschen. Trotzdem kommt es weiterhin vor, dass solche Fakes auf Wish auftauchen. Wir gehen dagegen vor.
Wie?
Engel: Zu unseren Händler-Policies ­gehört auch ein Abschnitt zum Thema Produktfälschung, aus dem klar hervorgeht, dass wir das nicht akzeptieren. Händler, die trotzdem Produkt-Fakes auf Wish verkaufen, müssen mit hohen Geldstrafen oder auch mit einer Vollsperrung ihres Händleraccounts rechnen.
Wie effektiv arbeitet das Brand Protection Program?
Engel: Die Anzahl unserer Teilnehmer wächst stetig. Wenn uns ein Rechteinhaber kontaktiert und uns die entsprechenden Dokumente zum Schutz geistigen Eigentums vorlegt, wie etwa eine Markeneintragung, reagieren wir innerhalb von maximal 48 Stunden. Ziel ist es, unsere Plattform frei von Fälschungen zu halten.
Ein Problem für Käufer aus Europa sind die auf Wish wenig transparent vermittelten Versandgebühren. Aktuell sieht der Kunde beides erst spät im Checkout-Prozess.
Engel: Versandgebühren sieht unser Käufer tatsächlich erst im Checkout. Aktuell arbeiten wir an einer Lösung, um Versandkosten stärker zu bündeln, indem wir beispielsweise mehrere Produkte in einem Paket zusammenfassen. Das würde die Kosten für den Kunden deutlich senken.
Und was ist mit den langen Versandzeiten?
Engel: Die Lieferzeit der Artikel hängt von vielen Faktoren ab: der Lieferadresse, der Verfügbarkeit des Artikels und dem Spediteur, um nur ein paar zu nennen. Im ­Moment können wir daher die endgültige Lieferzeit erst dann anzeigen, wenn wir ­einen Überblick über die gesamte Bestellung haben. Wir arbeiten aber daran, unsere Lieferdienste zu beschleunigen und zu verbessern.
Noch grösser ist das Problem der Intransparenz beim Thema Zollgebühren. Bei manchen Produkten, die von ausserhalb der EU importiert werden, erlebt Ihr Kunde am Zoll eine böse Überraschung. Suchen Sie hier auch nach einer Lösung?
Engel: Wir verstehen uns grundsätzlich als Plattform und sehen hier die Informationspflicht aufseiten der Verkäufer. Aber natürlich sehen wir, dass die aktuellen Prozesse für Kunden unattraktiv sein können, deshalb arbeiten wir auch an ­einer Lösung, um die Zollkosten direkt im Bestellprozess transparenter zu ­machen. Das wird gerade getestet. Eine andere Lösung ist natürlich, den Anteil an Händlern aus Europa anzuheben - denn bei denen fällt das Problem Zoll­gebühren ja nicht an.
Werden Sie europäische Händler und ihre Produkte dann im Stream gesondert kennzeichnen - als zollfreie Produkte mit kurzen Versandzeiten?
Engel: Aktuell gibt es keine Pläne, das ­besonders zu kennzeichnen. Das wäre aber sicher eine gute Idee.

Mit der zu Jahresanfang gestarteten Initiative Wish Local versuchen Sie, lokale Händler als Lieferpartner für sich zu gewinnen: Kunden sollen ihre Wish-Bestellungen in ­lokalen Läden abholen können. Wie ist das Programm bisher gelaufen?
Engel: Bisher ist das Feedback recht ­positiv. 215 Shops sind aktuell bei dem Programm angemeldet, und diese Zahl wächst stetig. Es gibt also ein reges Inte­resse seitens der Händler. Auch auf Kundenseite sehen wir wachsendes Interesse. Bisher sind wir sehr zufrieden mit dem Programm.




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