Online-Marktplätze 16.02.2020, 07:46 Uhr

StockX: Wo der Markt den Preis bestimmt

Der Marktplatz StockX ist angetreten, die Welt des Handels zu revolutionieren. Investoren gefällt die Idee und auch Brands finden immer mehr Geschmack an dem innovativen Konzept aus Detroit, wie Europa-Chef Derek Morrison gegenüber INTERNET WORLD BUSINESS erklärt.
Derek Morrison ist Europa-Chef von StockX.
(Quelle: StockX)
StockX ist gegenwärtig eines der spannendsten Modelle im Online-Handel. Der Online-Marktplatz für edle Sneaker und anderen Luxus-Lifestyle wie ange­sagte Streetwear, Luxusuhren und Handtaschen durfte sich gerade nicht nur über eine Milliardenbewertung freuen, sondern zeigt auch, welche Bedeutung die Plattform für die Branche bereits hat.
Brands wie Nike, Adidas, Louis Vuitton und ­Supreme lancieren neue Produkte inzwischen direkt auf der Plattform, um ihre Fans anzusprechen. Für sie hat StockX ein neues Format für Produkt-Launches ­geschaffen: das "Initial Public Offering". Dabei können die Kunden anonym einen Preisvorschlag für ein Produkt machen. Dabei sehen sie nur, wie viele andere Gebote abgegeben wurden, aber nicht deren Höhe. Der höchste Vorschlag gewinnt.
Was das für Brands bedeutet, erklärt der Europa-Chef von StockX, Derek Morrison - im Interview auf internetworld.de und am 10. März um 13.30 Uhr persönlich auf der TrendArena der Fachmesse INTERNET WORLD BUSINESS.
Können Sie jemandem, der StockX noch nicht kennt, erklären, wie Ihre Plattform funktioniert?
Derek Morrison:
Unser Konzept funktioniert wie eine Börse. Wir haben die Börse nicht erfunden, aber wir glauben, dass sie ein sehr innovativer Weg ist, wie man Käufer und Verkäufer zusammenbringt und beiden Seiten Zugang, Transparenz und Authentizität garantiert. Auf Marktplätzen wie eBay müssen sich Nutzer durch Tausende von Listings wühlen, um das Produkt zu finden, das sie suchen. Sie sehen verschiedene Preise, es gibt keine wirkliche Konsistenz und schon gar keine Führung. Wir haben ­alles auf einer zentralisierten Produktseite konsolidiert. So können die Käufer ihre Lieblingsprodukte schneller finden.
Wie funktioniert das genau?
Morrison:
Wenn Sie ein Verkäufer sind, gehen Sie zur Produktseite und listen Ihr Anfangsgebot. Oder Sie akzeptieren das Gebot eines Käufers für ein bestimmtes Produkt. Dann müssen Sie nicht mehr warten, bis ein Käufer zu ihnen kommt. Nach dem Kaufabschluss schickt der Verkäufer das Produkt zu uns. Wir prüfen es auf Echtheit, verpacken es und schicken es dem Käufer.
Sie nutzen das Format der "Holländischen Auktion", bei dem die Käufer vorab Gebote abgeben. Was ist der Hintergrund?
Morrison:
Wir nennen das IPOs, also ­"Initial Public Offerings". Das ist eine ­echte Chance, die Handelswelt zu restrukturieren - nicht nur für Sneakers, sondern für alle Arten von Produkten mit limitierten Stückzahlen.
Mit welchen Marken haben Sie schon ­zusammengearbeitet?
Morrison:
Vor Kurzem veranstalteten wir einen IPO mit Adidas Maker Lab. Drei ­Designer haben 333 Paare des Adidas-­Modells "Campus 80" neu überarbeitet. Es war klar, dass nicht mehr als diese 333 Paare auf den Markt kommen werden. Um den Preis jedes Sneakers zu bestimmen, nutzten wir einen einzigartigen ­Pricing-Mechanismus namens "Blind Auction" (Anm. der Redaktion: Bei Blind Auctions geben Interessenten Gebote für ein Produkt ab, ohne zu sehen, was ­andere bieten). So kamen wir zu ­jedem Sneaker in jeder Grösse zu unterschiedlichen Clearing-Preisen. Wir liessen den Markt den Preis bestimmen mit dem Wissen, dass es eine weltweite Nachfrage für dieses Produkt geben würde. Für ­diese 333 Schuhe wurden Tausende von Geboten abgegeben. Viel Arbeit floss in das Storytelling für das Produkt und die Aktion wurde zu ­einem unglaublichen Erfolg. Es ein demokratischer und wirklich revolutionärer Weg, wie Produkte auf den Markt kommen sollten.

"Wir prüfen jedes Produkt sorgfältig"

Ausser der Preisfindung: Was unterscheidet StockX sonst noch von Amazon, eBay und Co?
Morrison:
Unsere Authentifizierungsservices. Wir prüfen jedes Produkt sorgfältig - von der Verpackung bis zur Grösse -, bevor wir es an die Käufer ausliefern. Darüber hinaus können Nutzer auf der Website zu jedem Produkt alle Daten und die gesamte Historie auf der Produktdetailseite sehen. Bei StockX geht es vor allem um Zugang zu den Produkten. Manchmal ist es verdammt schwer, bestimmte Produkte in die Hand zu bekommen, wenn man nicht jemanden in der Branche kennt, der vor allen anderen Zugriff darauf hat. Wir haben fast 100.000 Produkte auf unserer Seite und mehr als 50.000 SKUs (Stock Keeping Unit) in der Kategorie Sneakers. Sie können bei uns Deals für Produkte finden, die es nirgendwo sonst gibt. 
Womit verdient StockX sein Geld?
Morrison:
Wir berechnen eine kleine Provision. Diese variiert je nach Produktkategorie. Die höchste Rate liegt bei 14,5 Prozent für Handtaschen, im Schnitt sind es 9,5 Prozent. Mit diesen Gebühren finanzieren wir den Prüfprozess unserer Produkte. Denn das ist sehr zeitaufwendig. Wir haben Tausende von Transaktionen jeden Tag.
Können Sie uns ein paar Zahlen zu Käufern oder Verkäufern nennen?
Morrison:
Aktuell erwirtschaften wir rund drei Viertel unseres Umsatzes mit Sneakern. Der deutsche Markt ist für uns sehr relevant. Es ist einer der grössten Märkte in Europa und die Heimat von Adidas und Puma. Deutschland trägt seit Langem ­einen wesentlichen Teil zur Sneaker-Kultur und zum Sneaker-Markt bei.
Welche Preise erzielen Sie für die Schuhe auf Ihrer Plattform?
Morrison:
Der "Adidas Yeezy 350" ist sehr beliebt. Der verkauft sich mit rund 100 Euro Gewinn. Der Handelspreis liegt je nach Land bei rund 180 Euro. Die Marke Jordan liegt im Handel bei Preisen von rund 129 Euro. Auf der StockX-Plattform können die Preise schnell auf 250 Euro klettern. Und ein Schuh von Travis Scott, der im Laden 160 Euro kostet, wird auf der Plattform auch mal für 600 oder 1.000 Euro verkauft. Es gibt Hunderte von Schuhen, die man mit rund 50 Euro Gewinn verkauft. Den Rekord für den teuersten Sneaker in Deutschland hält der "Nike Dunk Low SB" mit 12.000 Euro. Weltweit liegt der Rekord bei 26.000 Euro für den "Back to the ­Future Air Mag" von Nike. Zu dieser Zeit gab es den Sneaker nicht offiziell auf dem Markt, deswegen konnte der Verkäufer einen derart hohen Preis erzielen.

"Kein wirklicher Vorteil gegenüber Hobbyverkäufern"

Welche Faktoren haben den grössten Einfluss auf die Preise?
Morrison:
Angebot und Nachfrage. Jeden Tag kommende Tausende neuer Schuhe auf den Markt. Die meisten werden getragen, nur wenige kommen in den Wiederverkauf. Mit der Zeit werden die verfügbaren ungetragenen Paare immer weniger. Damit steigt ihr Wert. Darüber hinaus ist auch der Einfluss des Designers, der mit einer Marke kooperiert, sehr wichtig. ­Beispiele sind Travis Scott für Nike oder ­Kanye West für Adidas Yeezy. Auch ­Pharrell Williams und andere Stars wecken mit ihren Designs bei Sneaker-Fans Begehrlichkeiten.
Wer bietet denn Produkte über StockX an? Sind das eher Privatpersonen oder Händler und Brands?
Morrison:
Wir haben ein Businessmodell geschaffen, das es jedem ermöglicht, sehr einfach Produkte zu verkaufen. Unternehmen haben - anders als bei eBay - keinen wirklichen Vorteil gegenüber Hobby­verkäufern. Wir haben keine Seller-Ratings und wir haben keine Store-Accounts auf dem Marktplatz. Es gibt professionelle Verkäufer, aber die sind definitiv nicht der dominierende Part unserer Plattform. Wir haben wirklich hart daran gearbeitet, möglichst alle Verkaufsbarrieren zu beseitigen. Es gibt keinen bestimmten Verkäufertyp - und im Kern verkauft man über die Plattform anonym.
War es schwer, Marken davon zu überzeugen, mit Ihnen zu kooperieren?
Morrison:
Es ist wirklich eine grosse ­Herausforderung, eine Marke mit einer so langen Geschichte wie Adidas davon zu überzeugen, einen Schuh ohne Preisetikett auf den Markt zu bringen. Wir gehen unsere Partnerschaften mit Integrität und einer Vision für die Zukunft an. Und unser Wachstum über die Zeit bestätigt unseren Ansatz, den die Brands respek­tieren. So können wir das nächste Level ­erreichen, mehr IPOs kreieren und mehr mit diesen speziellen Produkten arbeiten. Was wir mit den Brands gemeinsam haben, ist der Wunsch, dem Kunden ein Erlebnis zu ­bieten. Auf unserer Plattform müssen sie nicht warten, bis ein Käufer zu ihnen in den Laden kommt. Wir haben Millionen von Unique Visitors jeden Monat, mehr als jeder klassische Brick & Mortar-Store pro Monat zählt. Diese Reichweite im Markt und die Möglichkeit, sofort zu verkaufen, ist für jeden, der diese Produkte ­anbietet, eine echte Chance.
Wie wichtig ist für Sie eine stationäre Präsenz?
Morrison:
Unglaublich wichtig. Wir sind in Europa Sponsor der "Sneakerness" in Köln. Und wir haben vor Weihnachten einen Pop-up-Store in London eröffnet. Wir haben ein komplexes ­Geschäftsmodell, deswegen ist es für uns essenziell, unsere Käufer und Verkäufer im echten Leben zu treffen und ihnen die Plattform zu erklären. Während immer mehr Brands digitale Kanäle nutzen, ­suchen wir nach Wegen, wie wir die Leute im echten Leben erreichen.
Welche Ziele haben Sie für Deutschland - und was sind die kritischen Punkte für das Erreichen dieser Ziele?
Morrison:
Deutschland ist ein riesiger Markt. Das sehen wir natürlich als ­unglaubliche Chance für uns. Deswegen arbeiten wir weiter daran, eine lokale ­Experience zu schaffen, die für den deutschen Konsumenten einzigartig ist. Wir haben unsere Plattform gerade in deutscher Sprache lokalisiert. Der deutsche Markt trägt durch seine Geschichte viel zur Community bei und wir hoffen, uns mit unseren Investitionen im Land dem als würdig zu erweisen.



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