Influencer Karl Ess 29.01.2018, 09:01 Uhr

"Wir hatten Monate, in denen wir über 500.000 Euro Umsatz gemacht haben"

Der Influencer, Kraftsportler und Unternehmer Karl Ess spricht in unserem Interview über den Erfolg von "Bodywork360", seine vegane Ernährungsweise, schädliche Proteine und seinen Vortrag auf der Internet World Expo.
Influencer, Kraftsportler und Unternehmer: Karl Ess
Seit seinem ersten Clip auf YouTube im April 2012 hat Karl Ess einen kometenhaften Aufstieg hingelegt: Mit mehr als 166.000 Instagram Followern, über 700.000 Facebook Fans, fast 400.000 YouTube-Abonnenten und über 130 Millionen Videoaufrufen gilt der 28-Jährige als der Star der veganen Fitness-Szene. Ess spricht auch auf unserer Internet World Expo am 6. und 7. März.
 
Fitness-YouTuber gibt es wie Sand am Meer. Wie lassen sich diejenigen, die wirklich mit ihren kostenpflichtigen Programmen weiterhelfen können und wollen, von denen unterscheiden, die etwas erzählen, was keinen echten Mehrwert bietet? 
Karl Ess: Auf YouTube habe ich den Vorteil, schon einmal kostenlos testen zu können, ob das, was die mir da erzählen, funktioniert. Ich würde zwei Strategien verfolgen, weil ich persönlich auch aus anderen Branchen kostenpflichtig Online-Kurse, Bücher etc. gekauft habe von Leuten, die in den sozialen Medien präsent sind: Zum einen schaue ich mir erst einmal an, was die Leute erreicht haben und was sie mir versprechen beizubringen. Zum anderen teste ich die kostenlosen Informationen aus und überprüfe, ob diese auch entsprechend weiterhelfen. Und wenn das so ist, sprich ich sehe Ergebnisse, kann ich mir schon relativ sicher sein, dass ich etwas für mein Geld bekomme, wenn ich etwas kostenpflichtig kaufe.
 
Du hast damals auch "klein" angefangen mit deinen YouTube-Videos, da konnte ich als Verbraucher natürlich schwer beurteilen, ob das richtig ist, was du mir erzählst. Zumal es auch damals schon einige Fitness-YouTuber gab.
Ess: Als ich damit angefangen habe, gab es in Deutschland nur sehr wenige. Das waren damals sogar nur ein anderer und ich. Natürlich gibt es jetzt auch immer wieder neue Fitness-YouTuber. Aber wenn ich etwas Neues ausprobiere, dann bin ich so etwas wie ein Testobjekt - genau so, wie das bei einem Tesla der Fall war.   
 
Was ist an Deinem "Bodywork360" besonders und vielleicht auch anders?
Ess: An meinen Kursen ist tatsächlich noch einmal einiges anders. Ich ernähre mich anders im Vergleich zu den meisten Fitnessportlern/Bodybuildern. Die gehen wirklich von der Optik aus, also wie muss ich mich ernähren, um eine gewisse Optik zu erzielen. Dann holen sie sich oft Jahrzehnte altes Wissen von Leuten, die Steroide konsumieren. Und schauen dabei darauf, wer am krassesten aussieht und wer dies und das gesagt hat. Wenn einer Steroide konsumiert und der andere nicht, dann sind das unterschiedliche Herangehensweisen, was die Ernährung betrifft. Ich gehe von wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen aus. Bei mir ist die oberste Priorität Leistungsfähigkeit, Gesundheit und Wohlbefinden, und deswegen ernähre ich mich pflanzlich und sehr kohlenhydrathaltig. Die meisten Fitnesssportler oder Bodybuilder essen viel Fleisch und sehr proteinlastig. Das heisst, dass mein Ziel schon einmal anders ist als bei 90 Prozent. Das tatsächliche Training unterscheidet sich auch noch einmal: Ich habe mir meine Herangehensweise in den USA bei den American-Football-Spielen abgeschaut. In dem Sport steckt noch mehr Geld als im Fussball, das heisst, ein Profi-Footballspieler kann auch mal gerne mehr Geld verdienen als ein Profi-Fussballer. Deswegen gehen die Amerikaner sehr wissenschaftlich und leistungsorientiert ran. In meinem Training geht um ein Ganzkörpertraining und einen 2er Split, und die meisten Bodybuilder empfehlen 5er Splits und Isolationsübungen. Ich trainiere funktional und ganzheitlich.
 
Entscheidend sind letztlich Erfolg und Fortschritt.
Ess: Mit meinem Trainingsprogramm gibt es eine ziemlich hohe Erfolgsquote. In den letzten zehn Jahren, seitdem ich Fitnesstrainer bin, kam immer wieder die Frage bei mir auf: Warum ist es nur eine Person von zehn, die Resultate erzielt? Bei "Bodywork360" liegt die Erfolgsquote zwischen 60 und 80 Prozent. Mit solchen Ergebnissen bleibst du natürlich im Markt. Du bleibst im Markt, wenn du Testimonials zeigen kannst. Natürlich ist es nicht komplett uneigennützig, wenn ich sage: Ich möchte so viele gute Ergebnisse wie möglich erzielen.  
 
Die Werbung für Fitnessprogramme findet mittlerweile auch im TV statt. Hinter denen von Fitnessqueen Sophia Thiel und Moderator Daniel Aminati steckt die Pro-7-Tochter 7NXT aus Berlin. Für wie glaubwürdig hältst Du diese Unternehmung?
Ess: Das kann sich jeder selbst denken. If you can't say anything nice, dont't say anything at all (Anm. d. Red.: zu übersetzen mit "Wenn du nichts Nettes sagen kannst, sag lieber gar nichts"). Aber gut, wahrscheinlich gibt es schon einige Leute, die durch solche Fitnessprogramme motiviert werden, die da auch was mitnehmen, die sich mehr bewegen und besser ernähren. Ob das wirklich jetzt die effektivsten Programme sind, sei einmal dahingestellt. 
 
Du hast es vorhin schon angedeutet: Du lebst vegan, und das seit 2011. Gab es ein Schlüsselerlebnis, das Dich zu dieser Ernährungsweise gebracht hat? 
Ess: Ja, gab es. Mein Opa mütterlicherseits hatte zum zweiten Mal einen Herzinfarkt. Er hat den auch wieder überlebt, aber der Arzt hat ihm gesagt: Wenn du dich weiterhin so ernährst, dann ist bald Ende. Er hat dann ein Buch gelesen, das "Don't eat your heart out" hiess (Anm. d. Red.: ein Kochbuch für unter anderem cholesterinarme Gerichte). Mir war das Ganze auf gesundheitlicher Ebene schon recht früh bewusst, aber ich dachte immer noch: Ich muss trotzdem Fleisch essen, das schmeckt einfach gut. Es ist ja bei den meisten Menschen so: Eigentlich wissen sie, dass sie etwas verändern müssen, aber sie machen es trotzdem nicht. Was bzw. wer mich wirklich dazu bewegt hat, mich vegan zu ernähren, war Eric von Sydow. Der hat ein paar wirklich interessante Bücher über Hypnose und Persönlichkeitsentwicklung geschrieben. Das ist ein rundum extrem cooler Typ - auch, was Bodybuilding betrifft. Wenn man den googelt, dann sieht man, was er für eine heftige Optik hat. Auf seiner Website habe ich unter "Empfohlene Bücher" mehrere über vegane Ernährung gefunden, die von Ärzten geschrieben wurden. Und dann habe ich nachgeforscht und mir gedacht: Was, so ernährt der sich? Der bedient einfach gar nicht dieses vegane Klischee - kein Öko-Fritze, voll aufs Business fokussiert. Und das musste ich einfach ausprobieren.    
 
Was hältst Du grundsätzlich von Sportnahrung für Kraft-/Fitnesssportler - allen voran dem Whey-Protein? 
Ess: Den Begriff Sportnahrung finde ich schon ein bisschen schwierig. Der passendere ist für mich Nahrungsergänzungsmittel. Nahrung bedeutet ja, dass ich mich grösstenteils davon ernähren kann. Nahrungsergänzungsmittel sollten vielleicht fünf Prozent der Ernährung ausmachen. Ich bin davon zum einen ein grosser Befürworter, zum anderen aber auch ein grosser Gegner. Ich betreibe selbst eine eigene Nahrungsergänzungsmittelfirma (Anm. d. Red.: mit drei anderen Fitness-YouTubern und einem Kompagnon), die Profuel heisst und rein vegan ist. Die Sache ist die: Es gibt einen riesigen Unterschied in der Qualität. Aber bevor wir über die Qualität sprechen, müssen wir uns erst einmal fragen: Welches Nahrungsergänzungsmittel ist wirklich sinnvoll, und braucht der Körper dieses? Manche sind essentiell, manche aber auch schädlich. Wichtig sind dabei vor allem die Qualität, die Herkunft und die Verarbeitung. Nehmen wir etwa mal Vitamin B12, D3 oder Magnesium - das kannst du in einer biologisch aufnehmbaren Form haben oder in einer, in der es dein Körper fast gar nicht verwerten kann. Du kannst diese auf einer organischen oder einer komplett synthetischen Basis haben. Vitamin C beispielsweise kann ich aus der Hagebutte oder Acerolakirsche extrahieren oder synthetisch im Labor aus Ascorbinsäure herstellen. Und das ist ja irreführend für den Konsumenten: Beide Male darf man laut Gesetz auf die Verpackung Vitamin C draufschreiben. Aber das synthetisch hergestellte kann der Körper so gut wie gar nicht absorbieren, und beim anderen merkt man, wenn man es zwei- oder dreimal am Tag bei einer Erkältung nimmt, einen spürbar positiven Effekt.
 
Bekanntlich siehst du den Grossteil des Whey-Proteins, was sich so auf dem Markt befindet, für den Körper als schädlich an.
Ess: Ja. Ich wiege 90 kg, somit brauche ich 90 g Protein pro Tag. Wenn ich meine Kalorien täglich esse, die ich essen sollte, dann ist es fast unmöglich, unter diese 90 g zu kommen. Wenn ich jetzt noch täglich wie empfohlen auf einen Proteinshake noch drei Shakes zu mir nehmen würde, also noch einmal 90 g insgesamt, dann muss das ja irgendwo hin. Der Körper hat Glykogenspeicher für Kohlenhydrate und Fett, aber für Protein hat er ausser der Muskulatur eben keine. Und der Körper braucht maximal ein, zwei oder drei Gramm Protein extra, um seine Muskulatur zu erhalten oder sogar aufzubauen. Alles andere muss die Niere oder Leber abbauen, und das bedeutet natürlich Arbeit. Das kann für Nierensteine und alles Mögliche sorgen. Zum einen werden also deine Organe belastet und zum anderen ist diese zu hohe Proteinzufuhr säurebildend. Dann sind in den Proteinen oft suboptimale künstliche Süssstoffe enthalten. Ich höre so oft von Leuten, die solche Shakes konsumieren, sie bekämen davon Blähungen, Durchfall. Das liegt an der oftmals enthaltenen Lactose und dem Casein. Zudem sind häufig noch künstliche Vitamine mit dabei und und und. Ich habe Leuten schon so oft gesagt, sie sollen aufhören, diese Whey-Shakes zu konsumieren. Auf einmal hatten die weniger Pickel, weniger Durchfall, der Schweissgeruch war nicht mehr so aggressiv-negativ,
 
Du hast 2013 die Fitnessbekleidungsmarke Gym Aesthetics mit ins Leben gerufen. Bist du darin noch als Gesellschafter und Teilhaber involviert?
Ess: Wir waren vier Gründer und haben uns vor einem Jahr entschlossen, die Marke an unseren chinesischen Produzenten und Lieferanten, der eine Holding Group mit 12.000 Mitarbeitern hat, zu verkaufen. In Deutschland gibt es nach wie vor einen Sitz (Anm. d. Red.: in Stuttgart), weil das natürlich nach wie vor ein wichtiger Markt ist. Wir haben die Marke vier Jahre richtig gut aufgebaut, ich war dabei unter anderem für das Marketing zuständig. An sich habe ich jetzt mit der Marke nichts mehr zu tun, kann aber sagen, dass das von all den Fitnessbekleidungsmarken, die es da draussen gibt, qualitativ mit Abstand die beste ist. Egal, in welches Fitnessstudio in Deutschland ich reingelaufen bin - ich habe mindestens immer einen gesehen, der ein Shirt der Marke getragen hat. Die war schon wirklich gross. Wir hatten Monate, in denen wir über 500.000 Euro Umsatz gemacht haben.
 
Sie war wirklich gross?
Ess: Ja. Seitdem sich auch die Marketingleute in Deutschland aus dem Unternehmen verabschiedet haben, ist das Wachstum um bestimmt 70 Prozent abgeflacht. Das Marketing ist nun mal das wichtigste.
 
Du bist in diesem Jahr einer der Sprecher auf der Internet World Expo (6./7. März) in München. Worum wird es in deinem Vortrag gehen?
Ess: Dort wird es um das Thema Online-Unternehmertum gehen. Sprich: Wie kann man Social Media und den Online-Kanal als Unternehmer nutzen. Ich sehe, dass wahnsinnig viele Unternehmen noch nicht ihr volles Potential im Online Marketing nutzen. Zum Glück habe ich da sehr früh meine ersten Fehler gemacht, vor denen ich die Zuhörer meines Vortrages gerne bewahren möchte. Es gibt also einiges zu erzählen aus bald sechs Jahren YouTube-, Influencer- und Unternehmer-Knowhow. Ich freue mich darauf!




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