Marktplatz-Haftung  19.08.2019, 06:42 Uhr

"Jeder Kioskbetreiber wird stärker überwacht als ein Online-Marktplatz"

Die bayerische Staatsregierung will Online-Marktplätze stärker für die Handlungen ihrer Dritthändler in die Pflicht nehmen. Ein entsprechender Antrag wurde jetzt im Bundesrat eingebracht. Das Ziel: Die Marktüberwachung im E-Commerce verbessern.
Bayerischer Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger
(Quelle: © StMWi)
Der Bundesrat soll eine Haftung von Amazon für die Handlungen seiner Marktplatz-Händler auf den Weg bringen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat Anfang der Woche auf Beschluss der Bayerischen Staatsregierung einen entsprechenden Antrag in der Länderkammer eingebracht. Mit der Marktplatzhaftung sollen Plattformen wie Amazon und eBay dazu verpflichtet werden, für das rechtskonforme Handeln ihrer Dritthändler einzustehen - also beispielsweise auch für die Erfüllung europäischer Standards hinsichtlich Verpackung oder Entsorgung. Wir haben beim bayerischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, dessen Ministerium den Antrag ausgearbeitet hat, nach den Hintergründen und Erfolgschancen der Initiative gefragt.
Herr Aiwanger, als Anlass für den Antrag 345/19, mit dem die bayerische Staatsregierung eine weitreichendere Haftung von Online-Marktplätzen für ihre Dritthändler anstrebt, wird die wachsende Zahl an E-Commerce-Sendungen aus China genannt, die eine Überwachung des Online-Markts erschweren würden. Warum sind speziell die chinesischen Importe ein Problem für die Marktüberwachung?
Hubert Aiwanger: Es geht nicht nur um chinesische Online-Händler, sondern generell um Online-Händler insbesondere aus Drittstaaten. Mengenmässig sind aber Händler aus China mit weitem Abstand die grösste Gruppe.
 
Warum ist das ein Thema für den Bundesrat? Inwiefern sind speziell die Bundesländer von Problemen der Marktüberwachung - die ja für den gesamten europäischen Raum zutreffen - betroffen?
Aiwanger: Die Probleme betreffen unseres Erachtens letztlich ganz Deutschland, ja die ganze EU. Aber angesichts der Dynamik im Online-Handel geschieht einfach zu wenig und darauf wollten wir aufmerksam machen. Die Marktüberwachung ist in Deutschland zum grossen Teil Ländersache und verfügt teilweise nicht ausreichend über Instrumente und Ressourcen, um gerade den grenzüberschreitenden Online-Handel wirksam zu überwachen. Hier muss nachgebessert werden, gerade auch im Interesse unserer heimischen Händler und Hersteller, die viel strenger überwacht werden. Darauf haben uns einige Unternehmen auch hingewiesen und ein Tätigwerden des Staates angemahnt. Es kann nicht sein, dass jeder Kioskbetreiber in Deutschland strenger überwacht wird als ein Online-Marktplatz, auf dem Milliarden umgesetzt werden, einfach weil der Kiosk sich leichter überwachen lässt.
 
Der Antrag zielt darauf ab, dass der Bundesrat auf die Bundesregierung einwirkt, um diese zur Ergreifung wirksamer Massnahmen zu bewegen. Wie könnten diese Massnahmen aussehen? Was könnte bzw. sollte die Bundesregierung konkret tun, um deutsche und europäische Händler vor chinesischen Importen, die sich nicht an die hierzulande gültigen Regularien halten zu schützen?
Aiwanger: Wichtig ist zunächst, dass die Bundesregierung das Problem überhaupt erkennt und zeitnah nach Lösungen sucht oder sich auf EU-Ebene entsprechend einsetzt. Wir machen auch den konkreten Vorschlag, die Haftung der Online-Plattformen wesentlich auszuweiten. Wer einen digitalen Marktplatz eröffnet, der muss auch aufpassen, wer sich darauf tummelt und dass die Marktteilnehmer auf seinem Marktplatz die Gesetze einhalten. Das muss eine Kommune, die auch nur einen Weihnachtsmarkt veranstaltet, übrigens auch tun. Das kann man umso mehr von internationalen Online-Marktplatzbetreibern verlangen, bei denen das Gefahrenpotenzial viel grösser ist.
 
Im Antrag wird vom Bundesrat die Einführung einer Haftung der Betreiber von E-Commerce-Plattformen gefordert. Wie soll diese Haftung aussehen?
Aiwanger: Die Haftung sollte die Einhaltung aller gesetzlicher Bestimmungen umfassen, die dem Verbraucher- und Umweltschutz dienen und zu einem fairen Wettbewerb beitragen. Ein Beispiel: Seit Jahresanfang 2019 gilt in Deutschland das Verpackungsgesetz, das jedes Unternehmen, das Verpackungen in Umlauf bringt, verpflichtet, sich registrieren zu lassen und dann auch für die in Umlauf gebrachten Verpackungen Gebühren zu zahlen. Das gilt für den kleinsten Online-Händler genauso wie für bäuerliche Direktvermarkter oder die Industrie, ansonsten drohen Bussgelder bis zu 200.000 Euro und Abmahnungen. Nach unseren Stichproben halten sich deutsche Online-Händler etwa auf dem Amazon-Marketplace weitgehend an das Gesetz, bei ausländischen Online-Marktplatzhändlern sieht das deutlich anders aus. Das ist aber ein unfairer Wettbewerbsvorteil und kann auch umweltpolitisch nicht gewollt sein. Da werden Waren um die halbe Welt geschifft und danach werden die Verpackungen natürlich hier in Deutschland entsorgt, ohne dass der ausländische Händler im Gegensatz zum einheimischen Händler hierfür Gebühren bezahlt. Und wir reden hier von deutlich über 100 Millionen Sendungen im Jahr, die hier auf diesem Weg ins Land kommen.
 
Im Antrag heisst es, die Marktplätze sollten zu "aufsichtlichen Massnahmen" gezwungen werden. Gibt damit der Staat nicht seine regulierende Aufsichtspflicht an ein Privatunternehmen ab?
Aiwanger: Die Haftung von Privatunternehmen und ihre Verpflichtung für die Einhaltung von Gesetzen im Rahmen ihrer Tätigkeit Sorge zu tragen, ist nun wahrlich nichts Neues im deutschen und europäischen Recht. Wir verpflichten etwa Banken und Güterhändler seit Jahren strengstens auf mögliche Geldwäschefälle zu achten und diese zu melden. Bei der Umsatzsteuer wurde die Haftung der Online-Plattformen Anfang 2019 eingeführt, weil man gesehen hat, dass Online-Händler aus Drittstaaten systematisch keine Umsatzsteuer abgeführt haben. Seitdem läuft es deutlich besser. Und vom Händler vor Ort erwarten wir auch, dass er keine gefälschte oder gesundheitsschädliche Ware oder Hehlerware verkauft, auch wenn sie ihm von dritter Seite angeboten wird. Wir wollen ausserdem ja nicht nur eine Haftung der Plattformen, sondern auch eine Stärkung und Modernisierung der Marktüberwachung, etwa durch den Einsatz automatisierter Suchprogramme.
 
Was erwarten Sie sich von der Initiative? Wie wird die Reaktion im Bundesrat ausfallen?
Aiwanger: Ich hoffe natürlich auf Zustimmung der anderen Länder. Und natürlich hoffe ich auch, dass die Bundesregierung unsere Anregung aufgreift und tätig wird. Mit dem Verhalten der grossen Plattformen beschäftigen sich derzeit ja bereits viele, zum Beispiel beim Thema fairer Umgang der Plattformen mit Marktplatz-Händlern. Das alles ist vom Ziel her richtig und notwendig. Wir richten den Fokus auf einen weiteren Aspekt, der bislang noch nicht ausreichend berücksichtigt wird. Online-Handel und insbesondere die Plattformen haben aus dem früheren rein nationalen Wirtschaftszweig Einzelhandel ein mehr und mehr internationales Geschäft mit gewaltigen, aber kleinteiligen und deshalb schwer zu überwachenden Export- und Importströmen gemacht. Das alles ist in Ordnung, wenn die Regeln eines fairen Wettbewerbs und des Verbraucher-und Umweltschutzes von allen gleichermassen eingehalten werden. Da dies faktisch nicht so ist, müssen die Regeln und Gesetze nachjustiert werden, wo das nötig ist. Das muss letztlich auf Bundes- oder noch besser auf EU-Ebene geschehen, aber wir können und müssen hier als Bundesland auch mal einen Anstoss geben, wenn wir sehen, dass etwas schiefläuft.



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