Online-Weinversand 22.04.2019, 11:00 Uhr

Altersprüfung: Jugendschutz beim Weinversand

Viele Online-Weinhändler versenden Wein, ohne das Alter des Bestellers oder Empfängers gründlich zu prüfen. Das könnte sich aufgrund eines Gerichtsurteils bald ändern.
(Quelle: shutterstock.com/focal point)
Aktuell bewegen sich Winzer mit ­Online Shop und Online-Weinversender in einer Grauzone. Denn viele versenden Wein, ohne zu prüfen, ob der Besteller und der Empfänger schon das Mindestalter erreicht haben. Ein noch recht junges Urteil des Landgerichts Bochum vom Januar 2019 könnte das ändern und sorgt für Unruhe im Online-Weinhandel.
Das Landgericht Bochum hatte entschieden, dass die Vorschrift des Paragrafen 9 des Jugendschutzgesetzes auch für den Versandhandel von alkoholischen ­Getränken gilt. Bislang verliessen sich ­Online-Weinhändler auf ein Urteil des Landgerichts Koblenz aus dem Jahr 2007, wonach die im Gesetzestext verwendete Formulierung "sonst in der Öffentlichkeit" nicht für den Online-Handel gilt und deshalb das Alter beim Kauf und beim Versand nicht geprüft zu werden braucht.

Vertrieb von Alkoholika ohne Altersüberprüfung

Das Landgericht Bochum sieht das anders. In dem Streitfall ging es um den Vertrieb von Alkoholika ohne Altersüberprüfung. Das Bochumer Gericht entschied: "Unter den Begriff ­'Öffentlichkeit‘ fällt auch eine Abgabe im Fernabsatz." Denn beim Internet handele es sich um einen virtuellen "öffentlichen Raum". Daraus ergebe sich, dass die beklagte Versandhändlerin sicherstellen müsse, dass die Kunden bei der Bestellung das erforderliche Alter haben. Zudem dürfen die altersbeschränkten Produkte nur an Erwachsene beziehungsweise Personen über 16 Jahre ausgehändigt werden.
Der Hinweis im Online Shop, dass der Vertrieb nur an volljährige Personen erfolge, sei nicht geeignet, Kinder und Jugendliche ohne weitere Überprüfung von der Bestellung abzuhalten. Auch ein Paketaufkleber mit dem Hinweis, dass der Inhalt nur für Personen über 18 Jahre bestimmt ist, reicht nicht aus.

Altersverifikation kann Umsatz beeinträchtigen

Frieder Schelle, Team Leader Legal Consultants bei der Trusted Shops GmbH, ­berichtet, dass viele Online-Weinhändler nun aufmerksam beobachten, ob und wie andere auf dieses Urteil reagieren. Das Kölner Unternehmen Trusted Shops bietet verschiedene Dienstleistungen für ­Online-Shop-Betreiber an, darunter auch Rechtsberatungsleistungen in Zusammenarbeit mit Partnerkanzleien. Deshalb weiss Schelle, was die Online-Händler ­bewegt: "Der erste Online-Versender, der die Altersverifikation einführt, wird ­Umsatzeinbussen haben."
Denn für die Kunden ist die Altersüberprüfung bei der Bestellung eine Hürde. Bei der Zustellung das Alter des Empfängers zu überprüfen, verursacht zusätzliche Kosten, weil der Service als Aufpreis zu den Versandkosten hinzukommt (mehr dazu am Ende des Artikels). Wenn Kunden den Bestellprozess zu umständlich finden, wandern sie möglicherweise zum nächsten Shop ab, der keine ­Altersverifikation verlangt. Schelle von Trusted Shops ist sich sicher, dass die ­"gemütliche Zeit für den Online-Weinhandel vorbei" ist.

Droh-Mails mit verschiedenen Namen

Seit einigen Wochen ­erhalten Winzer mit Online Shops und Händler E-Mails, die sich auf dieses Urteil beziehen. Die Adressaten werden aufgefordert, das Jugendschutzgesetz einzuhalten. Von diesen Mails berichtet auch die Online-Marketing-Agentur Das Team Agentur für Marketing in Neustadt. Winzer mit Online Shops, die eine solche Mail erhalten haben, wandten sich an die Agentur.
In der Mail wird den Winzern ein Verstoss gegen das Jugendschutzgesetz vorgeworfen. Der Absender, der unter verschiedenen Namen ähnliche Mails versendet, behauptet, eine Flasche Wein zu Testzwecken gekauft zu haben. Der Logistikpartner habe die bestellte Flasche einem Minderjährigen übergeben. Der Absender droht damit, vor Gericht zu ziehen, wenn die Massnahmen zum Jugendschutz nicht umgesetzt werden. Unklar ist, ob die Mails in betrügerischer Absicht versendet wurden.
Aktuell sei nicht absehbar, wie sich die Rechtsprechung des Landgerichts ­Bochum auf den Verkauf von Alkohol im Bereich E-Commerce auswirke, schreibt die Agentur Das Team. Dennoch sollten Shop-Betreiber handeln, empfiehlt sie.
Die IT-Recht Kanzlei in München rät ebenfalls dazu, dass Online-Händler bei jedem Kauf sicherstellen, dass eine ­Abgabe an Minderjährige auf dem Versandweg unterbleibt. Eine Altersverifikation nur bei der Bestellung könne die Altersprüfung beim Versand nicht ersetzen. Nach Auffassung der IT-Recht Kanzlei ist eine Kombination aus Alters- und Identitätsprüfung bei der Zustellung erforderlich, bei der eine Übergabe ausschliesslich an den ausgewiesenen Empfänger erfolgt.

Produkte der Versanddienstleister für die Altersüberprüfung

Um das Alter des Empfängers beim Zustellen zu überprüfen, bieten Versanddienstleister verschiedene Produkte an, zum Beispiel:

DHL: Alterssichtprüfung

Quelle: DHL
DHL bietet die "Alterssichtprüfung" und den "Ident-Check" an. Bei der "Alterssichtprüfung" legt der Händler das Mindestalter des Empfängers fest. Das Paket wird nur an den Empfänger oder an Personen im Haushalt übergeben, wenn diese das vorgegebene Mindestalter erreicht haben. Die Kosten betragen 0,99 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer zum Paketpreis.
Der Ident-Check ist etwas teurer und kostet 2,99 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer zum Paketpreis. Beim Ident-Check übergibt der Zusteller die Sendung an den Empfänger persönlich und dokumentiert, dass er sich ausgewiesen hat.

Hermes Identservice

Hermes ermöglicht Versendern mit dem "Identservice", die Identitäts- und Altersprüfung des Empfängers hinzuzubuchen. Der Versender kann Varianten wählen wie Alterskontrolle anhand des Geburtsdatums auf dem Ausweis oder den Abgleich der Ausweis­daten.
Die Kosten für den Identservice variieren je nach Umfang und beginnen bei 1,50 Euro als auf Aufpreis zu den Versandkosten.

DPD: ID-Check

ID-Check bei DPD
Quelle: DPD
DPD bietet keine Altersverifika­tion, sondern einen "ID-Check" als kostenpflichtige Zusatzleistung an. In diesem Fall muss sich der Empfänger an der Haustür mit einem Personalausweis, Pass oder Führerschein ausweisen.
Wenn Versandhändler den ID-Check für ­eine Sendung hinzubuchen wollen, müssen sie zunächst bei DPD ­einen Expressversand aufgeben. Die Extrakosten für das Produkt ID-Check belaufen sich in der ­Regel auf 4,50 Euro pro Sendung.



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