Revolution auf dem Acker 18.09.2019, 12:23 Uhr

Die Landwirtschaft wird digital

Die Agrarwirtschaft ist zum Vorreiter der digitalen Transformation geworden. Die Beispiele reichen von Robotern auf dem Acker über KI im Kuhstall bis hin zur Blockchain in der Eierproduktion.
(Quelle: shutterstock.com/MONOPOLY919)
Die Landwirtschaft hat aufgrund der Produktion von Lebensmitteln für eine wachsende Weltbevölkerung eine enorme gesellschaftliche Bedeutung. Diese Aufgabe kann sie nur mit einem kontinuierlich steigenden Wachstum erfüllen. Strukturell hat sich im Agrarbereich in den vergangenen Jahrzehnten viel getan.
So lag der Anteil der in der deutschen Land- und Forstwirtschaft Erwerbstätigen nach Angaben des Deutschen Bauernverbands (DBV) zu Beginn des vorherigen Jahrhunderts noch bei rund 38 Prozent. Anfang der 50er-Jahre war er bereits auf 24 Prozent gesunken. 2017 hat er dann den zuletzt erfassten Tiefpunkt von 1,4 Prozent erreicht. Neben der zunehmenden Industrialisierung ist auch die rasante Entwicklung des Dienstleistungssektors für diese Veränderungen mitverantwortlich.
Moderne Landwirtschaft: Nur eine Minderheit verweigert sich der Digitalisierung ihres Wirtschaftszweigs.
Quelle: Bitkom, n = 521; rundungsbedingt nicht 100 Prozent
Trotz des Rückgangs bei den Beschäftigten in der Landwirtschaft weisen die Landwirte beeindruckende Produktionssteigerungen vor. So lag etwa der Hektarertrag für Weizen vor gut 100 Jahren noch bei rund 1,8 Tonnen. In den Jahren 2010 bis 2015 betrug er mit durchschnittlich 7,7 Tonnen mehr als das Vierfache. Die Landwirtschaft ist aber auch von der Zunahme extremer Wetterverhältnisse und dem Klimawandel betroffen. Das macht fortlaufende Anpassungen der Produktionsverfahren nötig.
Dem Präsidenten des Deutschen Bauernverbands (DBV) Joachim Rukwied zufolge geht die Entwicklung jetzt eindeutig in Richtung Digitalisierung. Mit moderner Sensortechnik und der Nutzung Künstlicher Intelligenz könne "eine neue Dimension von Ressourcen-Schonung und Tierwohl erreicht werden, die zugleich die Wettbewerbsfähigkeit sichert", schreibt Rukwied im Vorwort des aktuellen "Situationsberichts 2018/19".
Als wesentliche Voraussetzungen der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit nennt er eine leistungsfähige digitale In­frastruktur auf dem Land sowie einen Ausbau der Glasfaser- und Mobilfunknetze. "Wir Bauern brauchen dringend ein flächendeckendes, hochleistungsfähiges Breitbandnetz, auch um den steigenden Anforderungen beim Klima- und Umweltschutz gerecht zu werden", betont Rukwied.

Schnelle Datenverbindungen

Eine besondere Rolle für die Digitalisierung auf dem Land kommt dem Mobilfunkstandard der fünften Generation (5G) zu. Erste Praxisversuche sind bereits angelaufen. So hat Thomas Schmidt, Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft in Sachsen, Mitte Juni dieses Jahres ein 5G-Testfeld am Lehr- und Versuchsgut Köllitsch eröffnet, das zum grössten in Europa werden soll. "Mit dem Start des sächsischen Test- und Demonstrationsfeldes bringen wir 5G-Technologien in Landwirtschaft und Umwelt in den ländlichen Raum", so Schmidt. Unter anderem sollen in Köllitsch "der Nutzen von schnellen Datenverbindungen für die digitale Landwirtschaft und den ländlichen Raum erforscht und deren Vorteile herausgestellt werden".
Nach Angaben von Schmidt wird das Testfeld nach und nach auf eine Fläche von bis zu 2.000 Quadratkilometern ausgebaut. Das entspricht etwa 80 Prozent der Fläche des Saarlands. Experten des Landesamts für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) werden den Aufbau begleiten und analysieren. Ihre Messergebnisse sollen online gestellt und öffentlich zugänglich gemacht werden. Das LfULG wird in Köllitsch vor allem in den Bereichen Pflanzenbau, Tierhaltung, Umwelttechnologie, Nachhaltigkeit sowie Natur- und Klimaschutz forschen. Beteiligt sind ausserdem die Technische Universität Dresden mit dem Institut für Naturstofftechnik und der Professur für Agrarsystemtechnik, die Vodafone-Stiftungsprofessur für mobile Nachrichtensysteme, die Fraunhofer-Gesellschaft mit drei Instituten und das 5G Lab Germany. Die Teilnehmer beabsichtigen auch, neue Sensoren für die Bodenanalyse und die Automatisierung zu entwickeln. Ein Agricultural Dataspace (ADS) soll eine übergreifende Datennutzung gewährleisten.

Digitalisierungs-Initiativen

Quelle: DBV
Auch auf Bundesebene gibt es Initiativen, um die Digitalisierung der Landwortschaft voranzutreiben. Ein im Mai von CDU/CSU und SPD eingereichter Antrag mit dem Titel "Chancen der Digitalisierung nutzen - Offener Zugang und standardisierte Datenformate für eine zukunftsfähige Landwirtschaft 4.0" unterstreicht die Bedeutung der Landwirtschaft. "Sie sichert mit der Erzeugung von Nahrungsmitteln das Überleben der Menschen", heisst es dort unter anderem. Auch künftig werde sie "qualitativ hochwertige, sichere, gesunde und bezahlbare Produkte hervorbringen, die auf eine umweltfreundliche und tiergerechte Weise erzeugt werden".
Das Ziel müsse sein, "die Landwirte mit präzisen Informationen und datenbasiertem Wissen über Tiere, Pflanzen und Bodenbeschaffenheit zu versorgen". Die Koalitionsparteien wollen eine gemeinsame Ackerbaustrategie für die Landwirtschaft entwickeln, die die Chancen der Digitalisierung verbessern und die Dominanz einzelner glo­baler IT-Unternehmen im Bereich der Landtechnik verhindern soll. Um dies zu erreichen, fordern sie universelle offene Datenmanagementsysteme und standardisierte Datenformate, die möglichst europaweit kompatibel sind.

Unabhängigkeit der deutschen Agrarwirtschaft

Eine Unabhängigkeit der deutschen Agrarwirtschaft von multinationalen Konzernen schwebt auch 29 regionalen Raiffeisen-Organisationen vor, die in den kommenden Jahren eine digitale Handelsplattform für den Agrarhandel aufbauen wollen. Zur Erfüllung dieser Aufgabe haben sie das Unternehmen Raiffeisen-NetWorld mit Sitz in Köln gegründet und zwölf Millionen Euro bereitgestellt. "Die Digitalisierung des ländlichen Raums hört nicht bei Glasfaserkabeln auf", erklärt Andreas Bauer, Geschäftsführer von Raiffeisen-NetWorld.
Mit dem Aufbau einer eigenen digitalen Handelsplattform sollen die Raiffeisen-Genossenschaften zu IT-Unternehmen werden. Auf diese Weise liessen sich nicht nur wirtschaftliche Vorteile sichern, sondern vor allem auch die Hoheit über ihre Daten. Andreas Bauer: "Angesichts der Datenkonzentration durch wenige globale Megakonzerne, die von Saatgut über Dünge- und Pflanzenschutzmittel bis zum Handel mit dem Endprodukt die gesamte Wertschöpfungskette kontrollieren wollen, [ist dies] eine dringend benötigte Massnahme zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft."
Auch den Koalitionsparteien schwebt eine "Agrar-Master-Plattform" vor, die als zentrale Schnittstelle Dienstleistungen für die Landwirte zur Verfügung stellen soll. Damit soll unter anderem herausgefunden werden, welche Daten von wem in welcher Form bereitgestellt werden können, wie ihre Organisation und Pflege erfolgen kann und mit welchen Schwierigkeiten bei der Umsetzung zu rechnen ist.
Damit wollen die Parteien die Landwirte von einfachen Aufgaben entlasten und gleichzeitig die Produktivität, die Produktqualität sowie die Sicherheit der Prozesse erhöhen. Die Autoren des erwähnten Antrags wissen allerdings auch, dass geklärt werden muss, was mit den von den Bauern auf ihren Feldern und in ihren Ställen gesammelten Daten geschieht, wie sie verarbeitet werden und wer darauf Zugriff erhält - und wer nicht. Der Datenschutz wird also auch in der Landwirtschaft immer wichtiger. Auch soll vermieden werden, dass Daten mehrfach eingegeben werden müssen.
Darüber hi­naus wollen die beteiligten Parteien, dass Dienstleister, Verwaltung und Landwirte direkt miteinander kommunizieren und so "bestehende und neue Geschäftsmodelle untereinander digital abwickeln" können. Dies soll den Zeit- und Kostenaufwand auf beiden Seiten reduzieren. So sollen die Landwirte in ihrer täglichen Arbeit unterstützt und der Schutz der natürlichen Grundlagen und der Tiere gefördert werden. Gleichzeitig wird ein reibungsloser Datenaustausch zwischen den Produkten verschiedener Hersteller angestrebt.
Wie aber sehen nun konkrete Projekte aus, bei denen die Digitalisierung in der Landwirtschaft bereits vorangeschritten ist?

Die gläserne Kuh

Moocall: Der Sensor am Schwanz einer trächtigen Kuh gibt per SMS oder E-Mail Bescheid, wenn die Geburt losgeht.
Quelle: Moocall
Schon seit Längerem sammeln Milchviehhalter alle verfügbaren Daten zur Milchleistung, der Abstammung der Tiere und zu ihrem Gesundheitszustand. Neu ist, dass diese Daten mit der Digi­talisierung verstärkt zusammengeführt und ausgewertet werden können.
Ausserdem kommen durch moderne Sensoren neue Daten hinzu, die bislang überhaupt nicht erfasst werden konnten. So ist es heute beispielsweise möglich, mit Hilfe eines speziellen Abkalbsensors namens Moocall die Bewegungen des Kuhschwanzes zu messen. Die Kontraktionen vor der Geburt eines Kalbs lösen bestimmte Schwanzbewegungen aus. Etwa eine Stunde vor der voraussichtlichen Kalbung sendet Moocall eine SMS auf das Mobiltelefon des Landwirts. Alternativ kann auch eine E-Mail verschickt oder eine App genutzt werden, in der dann eine Meldung erscheint.
So kann der Bauer anderen Tätigkeiten nachgehen oder auch nachts ruhig schlafen. Wenn eine Geburt bevorsteht, wird er informiert und kann selbst Hilfestellung leisten oder gegebenenfalls den Tierarzt anrufen.
Andere Sensoren erkennen automatisch, ob sich eine Kuh in der Brunst befindet. Wenn es so weit ist, kann sie besamt werden. Ohne eine solche Besamung bekommt die Kuh kein Kalb und liefert keine Milch. Schon lange wird die Befruchtung in der Landwirtschaft nicht mehr von männlichen Tieren übernommen. Stattdessen beziehen die Bauern tiefgekühltes Sperma von Hochleistungsstieren, das dem weiblichen Tier mit einer Pipette zugeführt wird.
Auf dem Markt gibt es Sensoren, die zum Beispiel am Fuss, am Hals, im Ohr oder auch im Pansen des Tieres arbeiten. Die Sensoren messen die Aktivitäten der Kuh, also etwa wie viele Schritte sie macht, wann sie frisst und wann sie wiederkäut, welche Körpertemperatur sie hat und wie hoch der pH-Wert im Pansen ist.

Verarbeitung der Daten

Die dabei anfallenden Daten werden in einer Datenbank gesammelt und grafisch aufbereitet. Da­raus lassen sich dann Einschätzungen über den Beginn der Brunst, eine bevorstehende Kalbung und insgesamt über den Gesundheitszustand der vernetzten Kuh ableiten. Ein Tier, das sich zum Beispiel deutlich weniger bewegt als normalerweise und eine erhöhte Temperatur aufweist, hat sich eventuell eine Infektion an einer Klaue zugezogen. Sämtliche Abweichungen vom Normalzustand können als Indikatoren verwendet werden. Mit einer Leitfähigkeitsmessung der erzeugten Milch im Melkstand lassen sich sogar Kühe mit Euterentzündung erkennen.
Aber nicht nur am oder im Tier werden heutzutage Daten erhoben. Nach Aussage von Karen Gralla nutzen bereits mehr als 15 Prozent der Landwirte mindestens eine Stall­kamera, um das Geschehen im Stall etwa mit einem Live-Feed auf ihrem Smartphone beobachten zu können. Gralla ist Global Key Account Manager bei der Kleffmann Group, einem Unternehmen mit Sitz im nordrhein-westfälischen Lüdinghausen, das auf Marktforschung und Consulting-Dienstleistungen im Agrarsektor spezialisiert ist.
Schwanzwurzel und Hüfthöcker: Kameras für den Body Condition Score (BCS) erkennen, ob die Kuh in einem guten Zustand ist.
Quelle:
DeLaval
Betriebe mit mehr als 200 Rindern nutzen laut Gralla sogar schon zu knapp 28 Prozent Kameras in ihrem Stall. Diese werden entweder per WLAN oder integrierter SIM-Karte mit dem Internet verbunden, sodass sie ihre Daten drahtlos übertragen können.
Weitere Massnahmen, die allerdings noch keine sehr weite Verbreitung gefunden haben, sind vernetzte Waagen zur kontinuierlichen Gewichtsüberwachung. 7,6 Prozent der Betriebe benutzen laut Gralla derzeit eine solche Waage, weitere 2,3 Prozent planen deren Einsatz. Diese Zahlen wurden auf der „Digital Farming Conference“ im Mai dieses Jahres in Berlin vorgestellt und entstammen der aktuellen „Smart Farming“-Studie der Kleffmann Group.
Ebenfalls noch wenig verbreitet sind nach Grallas Angaben Techniken zum automatisierten Erfassen des sogenannten Body Condition Scores (BCS). Nur 0,6 Prozent der Landwirte setzen etwa schon 3D-fähige TOF-Kameras (Time of Flight) für diesen Zweck ein, weitere 1,5 Prozent erwägen immerhin eine Investition in diesem Bereich. BCS ist eine Methode, mit der bestimmte Körperregionen der Tiere zum Beispiel durch Abtasten und Betrachten beurteilt werden. Das Ergebnis wird in einem BC-Score angegeben, der sich zwischen 1 und 5 bewegt. Ein Wert von 1 bedeutet, dass das Tier extrem abgemagert ist und über keine Körperfettreserven verfügt. Am anderen Ende der Skala befinden sich Tiere mit einer Bewertung von 5. Sie bedeutet, dass sie viel zu fett sind. Der BC-Score hat eine direkte Auswirkung auf die Fütterung, die so an den tatsächlichen Bedarf der Tiere angepasst werden kann. Der Body Condition Score ist damit ein wichtiger Wert für ein automatisiertes und effizientes Management des Viehbestands.

Digital im Stall

Quelle: Kleffmann Group
Der Stall gehört auch nach einer Erhebung des Digitalverbands Bitkom zu den landwirtschaftlichen Bereichen, in denen die Digitalisierung am weitesten fortgeschritten ist. So versorgt heute bereits jeder zweite Landwirt (51 Prozent) seine Tiere mit einer digitalen, an das jeweilige Individuum angepassten Fütterung. Dafür verwenden die Betriebe in der Regel vernetzte Fütterungsautomaten, die eine alters- und leistungsoptimierte Ernährung des einzelnen Tiers ermöglichen. Ausserdem können diese Geräte den Landwirt alarmieren, wenn es bei der Fütterung Probleme gibt. So lassen sich etwa Tiere schneller identifizieren und behandeln, die aufgrund einer Erkrankung weniger fressen.

Blockchain rettet Küken

Andere digitale Techniken wie die Blockchain spielen in der Landwirtschaft ebenfalls schon eine Rolle.
So hat zum Beispiel der Handelskonzern Rewe das System Respeggt entwickeln lassen, mit dem der Schlupf männlicher Küken verhindert werden soll. Durch ein endokrinologisches Verfahren kann damit vor dem Schlüpfen das Geschlecht der Küken bestimmt werden. Anschliessend werden die untersuchten Eier in männliche und weibliche Bruteier sortiert. Nur die weiblichen Eier werden zum Schlüpfen gebracht. Diese Tiere werden anschliessend als Legehühner genutzt, die zum Beispiel Eier für den Verkauf in Rewe- und Penny-Supermärkten produzieren. Die männlichen Eier werden direkt verarbeitet, etwa zu Viehfutter. Auf diese Weise wird erreicht, dass keine männlichen Küken mehr getötet werden müssen, wie es in der Eiererzeugung bislang üblich ist. Nach Angaben der Rewe Group werden in Deutschland jährlich etwa 45 Millionen männliche Küken getötet. Die dabei verwendeten Methoden wie etwa das Schreddern sind umstritten. Viele Verbraucher sind deswegen bereit, für "Eier ohne Küken­töten" mehr zu bezahlen.
Blockchain für Küken-Eier: Distributed Ledger Technology (DLT) sorgt für eine lückenlose Lieferkette. Äusserlich kaum zu unterscheidende Produkte lassen sich fälschungssicher identifizieren.
Quelle: Rewe Group
Das Besondere am Respeggt-System ist, dass die später von den weiblichen Tieren gelegten Eier markiert werden, sodass sie weder absichtlich noch unabsichtlich mit anderen, günstiger erzeugten Eiern vertauscht werden können. Dafür wird eine lückenlose Kontrolle der Lieferkette benötigt, die mit Hilfe von Distributed Ledger Technology (DLT) umgesetzt wurde.
Ein Distributed Ledger ist eine verteilte Datenbank zur Erfassung und Dokumentation von Transaktionen, wie sie so ähnlich auch in der Blockchain verwendet wird. Auf diese Weise lassen sich auch äusserlich kaum zu unterscheidende Produkte wie Eier fälschungssicher identifizieren und auseinanderhalten.
Die für das Respeggt-System eingesetzte Technik wurde von dem Regensburger Start-up Youki entwickelt. Martin Stoussavljewitsch, einer der Gründer und CEO des Unternehmens, hat sie auf der "Digital Farming Conference" in Berlin vorgestellt. Nach seinen Angaben können die Respeggt-Eier mit einem Aufpreis von zwei bis drei Cent pro Ei verkauft werden. Aufgrund der jährlich in Deutschland etwa 15 Milliarden produzierten Eier sieht er ein potenzielles Markt­­vo­lumen für das System von bis zu 400 Millionen Euro. Der von Youki entwickelte Distributed Ledger lasse sich ausserdem auch in anderen Erzeugungssektoren der Landwirtschaft anwenden.

Roboter auf dem Feld

Aussaat mit Schwarm-Technologie: Fendt arbeitet beim Projekt Xaver an kleinen Roboter-Fahrzeugen, die cloudgesteuert beispielsweise Mais autonom aussähen.
Quelle: Fendt
Moderne Landmaschinen, mit denen die Bodenbearbeitung, die Aussaat, die Pflanzenpflege und die Ernte digital unterstützt werden, nutzen bereits vier von zehn Landwirten (39 Prozent). Auch Roboter sind laut Bitkom schon im Einsatz - bei 8 Prozent aller Betriebe. Bei den Tierhaltern sind es sogar schon 37 Prozent, die von Robotern zum Beispiel den Stall säubern oder die Kühe melken lassen.
Einer der digitalen Vorreiter in diesem Bereich ist das Traditionsunternehmen Fendt. Mit dem Projekt Xaver testet der Landmaschinenhersteller kleine Roboter-Fahrzeuge, die gemeinsam auf dem Feld unterwegs sind und zum Beispiel Mais autonom und effizient aussähen. Möglichst wenige verbaute Sensoren und ein einfacher Aufbau sollen die Roboter zuverlässig und robust genug für den Einsatz auf dem Acker machen. Die Roboter-Schwärme werden über die Cloud überwacht und navigieren satellitengestützt über das Feld. Die Planung der Aussaat erledigt der Landwirt dabei über ein Tablet.
Bereits verfügbar ist das System FendtONE. Es soll für eine nahtlose Verbindung von Büro und Landmaschine sorgen. So lässt sich zum Beispiel jederzeit der Zustand des Landmaschinen-Fuhrparks mobil auf dem Smartphone überwachen. Auch stehen jederzeit Positions- und Maschinendaten oder Fehler-Codes zur Verfügung.
Andere Landmaschinenhersteller setzen ebenfalls bereits auf Smart Farming. Zum Beispiel bietet John Deere das Online-Portal MyJohnDeere an, eine Art Einsatzzentrale, die dem Landwirt einen Überblick über den gesamten Betrieb bietet - von der Ferndiagnose seiner Maschinen über einen Überblick der Felder samt Wetter­radar bis hin zur Verwaltung von Aufträgen. Der Zugriff auf die Daten erfolgt über das Web oder auf dem Smartphone oder Tablet.

Notwendige Rahmenbedingungen

Die Digitalisierung auf dem Acker und im Stall bedeutet einen enormen Fortschritt für die landwirtschaftliche Praxis, den Umweltschutz und das Tierwohl, zeigen sich Bitkom-Geschäftsführer Bernhard Rohleder und DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken in einer Stellungnahme überzeugt. "Die Landwirtschaft steht derzeit vor riesigen Herausforderungen: hoher Preisdruck, harte internationale Konkurrenz, weltwirtschaftliche Zwänge sowie steigende Anforderungen an die Qualität von Lebensmitteln und Umweltschutz. Eine effiziente und ressourcenschonende Bewirtschaftung ist deshalb wichtiger denn je. Dabei helfen digitale Technologien." Nun sei allerdings die Politik auf EU-, Bundes- und Landesebene gefordert, "die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, um dieses Potenzial weiter auszuschöpfen".
Betrachtet man Zahlen von DLG-Agrifuture Insights, einer auf Marktanalysen spezialisierten Tochter der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG), dann liegen die deutschen Landwirte in vielen Bereichen hinter ihren Kollegen in anderen Ländern zurück, wenn es um die Umsetzung der Digitalisierung geht. So sind beispielsweise in Polen weit mehr Feldroboter im Einsatz, in Russland werden viel mehr Telemetrie-Dienstleistungen und mehr Cloud-Software genutzt, während die Niederländer führend im Einsatz von elektronischen Farm-Management-Systemen sind. Nur bei sogenannten elektronischen Ackerschlagkarteien liegen deutsche Landwirte bislang vorn. Sie dienen zur genauen Erfassung des Aufwands im Ackerbau und helfen bei der Dokumentation der getroffenen Massnahmen.

Ausblick

Die Frage nach dem Stand der Digitalisierung in der Landwirtschaft hat Karen Gralla von der Kleffmann Group in ihrer Präsentation auf der "Digital Farming Conference" auf den Punkt gebracht: "Je mehr Rinder der Landwirt hat, desto digitalisierter ist er." Die Integration der vielen Datenquellen bleibe dabei eine der grössten Herausforderungen. Viele Landwirte nutzten bislang nur einen kleinen Teil der ihnen zur Verfügung stehenden Funktionen. Hinzu kämen Probleme mit fehlenden Schnittstellen, sodass noch nicht alle anfallenden Sensordaten ausgewertet werden können.
In vielen Bereichen ist die Landwirtschaft aber durchaus  ein Vorreiter der Digitalisierung. Roboter, Cloud-Lösungen, mobile Anwendungen, Künstliche Intelligenz, Blockchain-Technologie und 5G-Projekte sind Themen, die eine grosse Rolle spielen.
Die von Bitkom befragten Praktiker sehen die Digitalisierung ebenfalls überwiegend als grosse Chance. Auf die Frage nach den wichtigsten Vorteilen der Digitalisierung nennen vier von zehn Befragten (39 Prozent) die körperliche Entlastung, die diese mit sich bringe. Fast ebenso viele sehen die effizientere Produktion (37 Prozent) und die Zeitersparnis (36 Prozent) als grosse Vorteile. 31 Prozent nannten zudem eine geringere Belastung der Umwelt. Bis 2030 rechnen die meisten damit, dass der Einsatz von autonomen Feldrobotern, Drohnen sowie von fahrerlosen Traktoren zunehmen wird.
Zudem gehen viele davon aus, dass etwa durch Webcams in Ställen der Kontakt zum Verbraucher enger wird, der so das Geschehen auf dem Hof aus der Ferne beobachten kann. Der Einsatz digitaler Techniken hat also auch das Potenzial, die Akzeptanz der modernen Landwirtschaft bei den Konsumenten zu erhöhen.




Das könnte Sie auch interessieren