Digitalisierung 07.09.2020, 08:27 Uhr

HSG: Fortbildungsbedarf bei Banken gross

Bei Schweizer Banken verorten Experten von der Universität St. Gallen HSG einen grossen Fortbildungsbedarf bei der Digitalisierung. Sie geben sechs Empfehlungen ab.
Professor Walter Brenner hat mit HCL die Schwachstellen der Schweizer Finanzbranche analysiert
(Quelle: HSG)
Der Finanzdienstleistungssektor in der Schweiz hat grossen Nachholbedarf bei der Digitalisierung. Gemäss dem Beratungsunternehmen Deloitte ist fast die Hälfte aller derzeitigen Arbeitsplätze prinzipiell automatisierbar. Die Angestellten werden durch Software-Algorithmen ersetzt. Allerdings fehlen die IT-Spezialisten, die diese Programme schreiben können. Und zusätzlich wünschen die Konsumenten, dass Banking so einfach und schnell funktioniert wie ein WhatsApp-Chat. Dieses Bedürfnis haben Neo-Banken erkannt, womit der Wettbewerbsdruck auf die Schweizer Traditionshäuser wächst. Eine scheinbar aussichtslose Situation.
Das Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen HSG will gemeinsam mit dem IT-Dienstleister HCL Technologies den einheimischen Finanzdienstleistern eine Hand bieten. Die Experten rund um Institutsdirektor Professor Walter Brenner haben in Interviews mit Branchen-Insidern ermittelt, welche Massnahmen die Banken und Versicherungen ergreifen sollten, um zukunftsfähig zu bleiben. In der Dokumentation «Future Trends and Requirementsin Educating and Re-Educating the Workforce in the Financial Industry» kommen sie allerdings zu dem Schluss: Einen Königsweg gibt es nicht.
Die Unternehmen müssen vielmehr viele verschiedene Fortbildungen zugleich anstossen. Laut den HSG-Spezialisten sollten sich die Verantwortlichen an folgenden sechs Erfolgsfaktoren orientieren:
  1. Das Kundenerlebnis ist der wichtigste Motor des Wandels in der Finanzindustrie, so die Experten. Mittlerweile werden die Konsumenten immer anspruchsvoller – auch aufgrund der Erfahrungen aus anderen Branchen. Und die Kunden werden mächtiger, denn die neuen Wettbewerber locken mit tiefen Wechselhürden. So muss bei der Umgestaltung interner Prozesse die zentrale Frage lauten: Inwiefern beeinflussen sie das Kundenerlebnis positiv?
  2. Das Vereinfachen der Anwendungslandschaft ist für Finanzunternehmen unumgänglich, um die Markteinführung neuer Services zu beschleunigen. Die Firmen haben im Laufe der Jahre viele Anwendungen in ihre bestehende IT-Landschaft eingebettet, was nun zu Ineffizienz und Verlangsamung führt. Jedoch sind IT-Altlasten ein Hindernis für eine schnelle Markteinführung und eine gute Kundenerfahrung. Nach Angaben von Brenner erschwert die Legacy es den Unternehmen auch, mit neuen Marktteilnehmern zu konkurrieren. Denn die neuen Akteure können ihre Anwendungslandschaft von Grund auf kundenorientiert aufbauen.
  3. Der Erwerb digitaler Skills ist unabdingbar in einer Zeit, in der jede Interaktion digital wird. Die Finanzunternehmen müssen ihre Mitarbeiter darauf vorbereiten, vermehrt über digitale Kanäle mit den Kunden zu kommunizieren. Angezeigt wären gemäss HSG zum Beispiel Schulungen in digitalen Technologien und die Einführung von Collaboration Tools für die interne Zusammenarbeit. Allerdings sind auch die Angestellten in der Pflicht: Der Arbeitgeber sollte zwar den Rahmen zur Weiterbildung bieten, dabei aber auf feste Lern-Curricula verzichten. Dann ist es die Sache der Arbeitnehmern, sich kontinuierlich und selbstbestimmt weiterzubilden respektive sich zu spezialisieren.
  4. Finanzunternehmen müssen schneller inkubieren und innovieren, fordern die Experten. Die Organisationen müssen die Voraussetzungen schaffen, um innovatives Denken in der Belegschaft zu fördern, neue Partnerschaften in Ökosystemen eingehen und in der Unternehmenskultur eine Start-up-Mentalität verankern.
  5. Eine agile Kultur erleichtert diese Innovations- und Inkubationsfähigkeit. Schon heute erfolgreiche Finanzunternehmen haben sich von starren Hierarchien verabschiedet und sind zu agileren Arbeitsweisen übergehen. Dafür sind die Arbeit in Teams und Bottom-up-Innovationen zentral, so die HSG-Spezialisten.
  6. Automatisierung beschleunigt die Geschäftsprozesse und die Markteinführung neuer Produkte. Viele einfache und repetitive Tätigkeiten – und damit letztendlich auch Jobs – werden in Zukunft automatisiert werden (müssen). Laut Professor Brenner kommt deshalb der strategischen Personalplanung eine grosse Bedeutung zu.




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