Mobiles Bezahlverfahren 13.08.2015, 10:30 Uhr

Apple Pay: Jetzt auch in Europa

Apple Pay ist in Europa gestartet, der Sprung nach Deutschland steht wohl bevor. Zeitgleich versuchen die deutschen Banken gemeinsam, Paypal Paroli zu bieten.
Smartphone AppleWatch und Einkaufswagen
(Quelle: Fotolia.com/Noxmox)
Am 14. Juli war es so weit: Apple Pay ging in Grossbritannien an den Start. Neun Monate nach der Einführung in den USA hat das mobile Bezahlverfahren von Apple damit Europa erreicht. In mehr als 250.000 Läden, Restaurants, Tankstellen sowie auf der Post und im öffentlichen Nahverkehr können britische Verbraucher mit Apple Pay bezahlen. So akzeptieren beispielsweise die Drogeriekette Boots, der Modehändler Marks & Spencer, Starbucks, McDonald’s und Subway sowie der Discounter Lidl Zahlungen mit Apple Pay.
Acht Banken, darunter die Royal Bank of Scotland, Santander und HSBC, sind von Beginn an dabei, weitere acht sollen im Laufe des Jahres folgen. Selbst Barclays, die drittgrösste Bank in Grossbritannien und Anbieter eines eigenen mobilen Payment-Verfahrens namens Pingit, hat nach län­gerem Zögern mittlerweile erklärt, sich Apple Pay anschliessen zu wollen.
Die Ausgangslage ist damit besser als in den USA, wo zum Start nur 200.000 ­Akzeptanzstellen und rund 50 grosse Handelsketten angeschlossen waren. Inzwischen sollen in den USA weitere 500.000 Akzeptanzstellen und 15 Handelshäuser dazugekommen sein.

Apple Pay: Einfache und schnelle Bedienung

Das grösste Pfund, mit dem Apple Pay wuchern kann, ist aber die einfache und komfortable Bedienung. Die Bezahlung erfolgt kontaktlos über den Kurzstreckenfunk NFC (Near Field Communication). Das Smartphone muss also nur kurz in die ­Nähe des Kassenterminals gehalten werden, ein Entsperren des Geräts ist nicht nötig.
Und so funktioniert Apple Pay: Abgerechnet wird über eine Kreditkarte, die der Nutzer einmalig hinterlegt. Das kann sowohl die bereits in iTunes registrierte Kreditkarte als auch eine neu hinzugefügte Karte sein. Dafür muss der Nutzer sie lediglich mit der Kamera seines iPhones fotografieren und im iPhone ablegen. Die Autorisierung der Zahlung an der Kasse erfolgt über den Fingerabdruck auf dem Fingerabdruck-Scanner des iPhones oder die Eingabe einer PIN.
Bei einem Verfahren, das so einfach in der Handhabung ist, stellt sich im Gegenzug die Frage nach der Sicherheit. Apple hat hier ein ganz eigenes Konzept entwickelt: Für Apple Pay werden weder die Kreditkartennummer noch der Sicherheitscode der ­Karte auf dem iPhone gespeichert.
Stattdessen wird eine einmalige Gerätenummer ­generiert, die im sogenannten Secure Element des Smartphones, einem speziell verschlüsselten Chip, gespeichert wird. Diese Gerätenummer - Apple nennt sie Token - wird an keiner anderen Stelle gespeichert und auch nicht über eine Cloud synchronisiert. Für jeden einzelnen Bezahlvorgang generiert das iPhone eine einmalige Transaktionsnummer, die mit der Gerätenummer kombiniert wird. Auf diese Weise lässt sich die Zahlung der jeweiligen Kreditkarte und der entsprechenden Bank zuordnen.
Apple betont, selbst keinerlei Informationen über den Warenkorbinhalt oder die Kaufsumme zu erhalten. Der Händler wiederum hat weder Zugriff auf die Kreditkartennummer noch auf den Namen des Kunden - ein Umstand, der wohl diverse Händler in den USA mit dem System ­hadern lässt, weil Kundenbindungsmassnahmen dadurch erschwert werden.
Bislang ist nur die neueste iPhone-Generation iPhone 6 und 6 plus mit einem NFC-Chip ausgestattet und damit bereit für Apple Pay. Doch Apple hat wie so oft vorausgedacht und auch seine seit April dieses Jahres erhältliche Apple Watch ebenfalls mit einem NFC-Chip ausgerüstet.
Somit wird möglich, was vor einigen Jahren noch Zukunftsvision war: Verbraucher können quasi im Vorbeigehen mit der Uhr bezahlen. Möglich wird dies, weil die Apple Watch mit dem Smartphone verknüpft ist, also auf die dort hinterlegten Daten zugreifen kann. Um zu bezahlen, muss der Kunde die Uhr nur an das Kassenterminal halten und zweimal auf das Rädchen am Rand tippen. ­Eigentümer eines iPhone 5 sowie bestimmter iPad-Modelle können Apple Pay damit ebenfalls nutzen.

Apple Pay: Bonusprogramme ab September

Für die nahe Zukunft verspricht Apple Zusatzfunktionen: Mit der Einführung der neuen Betriebssystemversion iOS 9 im September bekommen Nutzer über Apple Pay auch Zugriff auf ihre Kundenkarten, Bonusprogramme oder Rabattcoupons. Die Apple-Passbook-App, in der die Kundenkarten bislang verwaltet wurden, wird dann in "Apple Wallet" umbenannt und mit Apple Pay verknüpft.
Bonusprogramme oder ­Rabattcoupons werden oft als "Mehrwert" beim mobilen Bezahlen betrachtet, der für den endgültigen Marktdurchbruch von Mobile Payment als unerlässlich angesehen wird. Zudem eröffnet dies Apple neue Einnahmequellen: Bislang verdient der Konzern bei Apple Pay nur an den Transaktionsgebühren. In den USA gehen 0,15 Prozent der Gebühren für die Kreditkartenzahlung an Apple, wie viel es in Grossbritannien ist, ist noch nicht bekannt. 
Bleibt die spannende Frage, ob und wann Apple sein Bezahlsystem nach Deutschland bringen wird. Apple selbst schweigt sich bislang darüber aus. Die Mehrheit der Marktbeobachter ist sich aber sicher, dass Apple Pay auch hierzu­lande eingeführt wird, wie eine Befragung von 37 Payment-Experten durch Ibi Research und Cap Gemini belegt.
Abzuwarten bleibt wohl eher, für wann der Beginn geplant ist. Rudolf Linsenbarth, Senior Consultant Mobile Payment & NFC bei der Cocus AG, einem Beratungsunternehmen für Mobile-Technologien, glaubt, dass Apple mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 Prozent 2016 einen Termin für den Deutschlandstart verkünden wird - auch wenn dieser vielleicht erst für 2017 anberaumt wird.
Ein Problem sieht Linsenbarth in der Rolle der Banken. Zum einen haben sie kaum Interesse, einen Teil der Trans­aktionsgebühren mit einem weiteren ­Player zu teilen - zumal die EU die Gebühren ab Dezember dieses Jahres auf 0,3 Prozent deckeln will. Zum anderen müssen die Banken ihre Prozesse an Apple Pay anpassen und das nehme Zeit in Anspruch.
Auf der anderen Seite sei zu beobachten, dass der Einzelhandel, allen voran zuletzt die Discounter Lidl und Aldi, sich für Kreditkartenzahlungen und auch für NFC öffnen. "Der Ausbau der Infrastruktur bei den Akzeptanzstellen kommt verstärkt ins Rollen", konstatiert der Experte von Cocus.
Dennoch ist Deutschland kein Kreditkartenland, nur etwa 5,5 Prozent des Einzelhandelsumsatzes in Deutschland werden derzeit mit Kreditkarten getätigt, weiss Maike Strudthoff, Future-Analystin und Payment-Expertin. Sie hält den deutschen Markt in puncto Apple Pay deswegen für komplizierter als ­andere Märkte. Tatsächlich stehen Länder wie Kanada und Südkorea deutlich weiter oben auf Apples Prioritätenliste.
Eher verhalten sieht auch Bernd Kohl, Payment-Spezialist beim Technologie­unternehmen GFT Group, die Entwicklung in Deutschland: "Apple ist sicher eine starke Marke und versteht es wie kaum ein anderes Unternehmen, seine Kunden mitzunehmen. Aber ob Apple Pay in Deutschland durchschlagenden Erfolg haben wird, ist derzeit nur schwer zu beurteilen", so Kohl.

Banken wollen mit Paydirekt in den Online-Handel

Denn ein weiterer kritischer Punkt ist das Vertrauen der Verbraucher. "Studien belegen immer wieder, dass die Konsumenten sich eigentlich eine Lösung von ihrer Bank wünschen, denn in die haben sie das ­grösste Vertrauen", so Maike Strudthoff, "aber wir wissen auch, dass die Usability für die tatsächliche Nutzung enorm wichtig ist."
Allerdings sind die deutschen Banken von einer mobilen Bezahllösung meilenweit entfernt. Gerade erst hat sich eine nennenswerte Zahl von Instituten zusammengeschlossen, um ein gemeinsames Online-Payment-Verfahren zu entwickeln, mit dem sie Paypal Marktanteile abjagen wollen. "Paydirekt" soll auf einer Lastschrift basierten und als Voraussetzung lediglich ein Online-Banking-fähiges Konto benötigen. Zum Bezahlen ist dann nur die Eingabe des Benutzernamens oder der E-Mail-Adresse und der persönliche PIN nötig. Bereits Anfang November, also mit Beginn des Weihnachtsgeschäfts, soll es für Online-Händler in Deutschland zur Verfügung stehen. Das Ziel scheint ambitioniert, ist doch bislang nur sehr wenig über das System an die Öffentlichkeit gelangt. Erst im August wollen die Banken mit der Öffentlichkeitsarbeit beginnen.
Immerhin haben sich - ein Novum - viele Geldhäuser zusammengetan: Mit im Boot sind die genossenschaftlichen Volks- und Raiffeisenbanken, die Sparkassen im Sparkassenverband sowie etliche privatwirtschaftliche Banken, darunter die Deutsche Bank, die Postbank und die Commerzbank.
Als Vorteil von Pay­direkt heben die Banken die Sicherheit für die Händler hervor, die Zahlung werde nur freigegeben, wenn das Konto gedeckt sei. Ausserdem soll das Verfahren günstiger sein als Paypal, ist aus Branchenkreisen zu hören. Erste Banken, etwa die Volksbank Bigge-Lenne, die auf ihrer Website Paydirekt kurz vorstellt, werben zudem mit der Datensicherheit ­einer deutschen Lösung und der hohen technischen Reichweite - auch bei Kunden, die bisher beim Online-Shopping zurückhaltend seien.
Dennoch drängt Paydirekt letztlich mit einem Nachahmerprodukt in einen Markt, der durch Paypal sehr gut besetzt ist. ­Daher werden die Chancen in der Branche eher skeptisch gesehen - zumal die Banken in den letzten Jahren wenig Erfolg mit neuen Payment-Lösungen hatten. Weder die Geldkarte noch das Direktüberweisungsverfahren Giropay oder Girogo, die NFC-Lösung der Sparkassen, konnten sich ein grösseres Stück am Payment-­Kuchen sichern.
Ein Problem ist wohl, dass die Banken eher notgedrungen zusammenarbeiten, weil sie davon ausgehen müssen, dass Einzellösungen keinerlei Erfolgsaussichten haben. Dennoch bleiben sie Wettbewerber, werden also nur so weit an einem Strang ziehen wie unbedingt nötig. Die Folge könnte sein, dass langwierige Abstimmungsprozesse, unterschiedliche Interessen und verschiedene Geschwindigkeiten bei der Anpassung technischer und organisatorischer Prozesse das Projekt lähmen.
Für Maike Strudthoff ist eine der wesentlichen Frage die nach der Nutzerfreundlichkeit des Systems. "Wer nicht konsequent aus der Sicht des Kunden denkt, kann keine Konzepte entwickeln, die für die Kunden bequem sind", so Strudthoff. Sie fürchtet, dass den deutschen Banken eine entsprechende Unternehmenskultur fehlt, Kundenzentriertheit eher ein Lippen­bekenntnis bleibt.
Andererseits kann ­gerade die Zersplitterung eine Chance sein: Gelingt es beispielsweise einer Bank, Paydirekt elegant, in frischem Design und mit sinnvollen Zusatzservices in die eigene Bank-App zu integrieren, kann sie damit ihre Kunden durchaus auch überzeugen. "Damit kann ­eine Bank ihre Kundenbeziehung aus­bauen und sich auch Wettbewerbsvorteile vor anderen verschaffen", betont GFT-­Experte Kohl. Auch für Linsenbarth steht und fällt der Erfolg mit der Nutzerfreundlichkeit: "Wenn Paydirekt lediglich eine Paypal-Kopie wird, reicht das nicht aus."
Ausserdem können sich die Banken dem Mobile-Trend nicht verschliessen und müssen eine Lösung anbieten, wenn sie sich Marktanteile sichern wollen - und zwar schnell. Wenn Apple Pay in Deutschland erst einmal den Weg geebnet hat, werden auch die Wettbewerber wie Samsung Pay und Google mit Android Pay nicht lange auf sich warten lassen. Sie werden dann sicher auch eine Smartwatch im Gepäck haben - die Uhr tickt also. 




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