Klassenbester 19.06.2020, 09:55 Uhr

Test: Apple iPad Pro (2020)

Etwas nahezu Perfektes noch besser zu machen, ist ein Kraftakt. Das zeigt sich auch bei Apples neustem High-End-Tablet.
Ein Tablet, zwei Grössen
(Quelle: Apple, Inc.)
Daran gibt es nichts zu rütteln: Das iPad Pro von 2018 war mit Abstand das beste Tablet, das man für Geld kaufen konnte. Und das wäre es auch heute noch – wäre nicht sein Nachfolger erschienen. Doch es ist schwierig, im 2020er-Modell «das neue iPad Pro» zu sehen: Äusserlich sind die beiden Generationen identisch, mit Ausnahme der Kamera auf der Rückseite. Die Abmessungen sind exakt dieselben und das höhere Gewicht von 10 Gramm macht den Vergleich nicht spannender.
Deshalb richtet sich das iPad Pro 2020 auch nicht an die Besitzer des Vorgängers. Im Fokus stehen vielmehr die Aufsteiger, die mit einem regulären iPad arbeiten – oder Einsteiger in das System, die gleich in die Vollen gehen.
Und diesen Gruppen wird etwas geboten: Die Verarbeitung ist makellos, aber nichts anderes wird erwartet. Das Display als wichtigster Bezugspunkt ist eine Augenweide: Die hohe Wiederholfrequenz von 120 Hz sorgt dafür, dass die Inhalte förmlich zu schweben scheinen. Es deckt ausserdem den erweiterten Farbraum P3 ab, ist HDR-fähig und kommt natürlich mit Apples True-Tone-Technologie: Die Farbdarstellung wird an das Umgebungslicht angepasst, was zu einer sehr gefälligen und entspannenden Darstellung führt.

Leistung

Auch bei der Leistung gibt es kaum Unterschiede. Das Modell von 2018 bringt es unter Geekbench 5 beim wichtigeren Single-Core-Benchmark auf 1097 Punkte, das neue Modell auf 1115 Punkte. Beim Multi-Core-Benchmark sind es 4647 gegen 4701 Punkte. Viel näher kann man an einem Gleichstand nicht sein.
Die alte und die neue CPU arbeiten mit 8 Prozessorkernen: 4 Kerne liefern die maximale Leistung bei rechenintensiven Aufgaben, die anderen 4 sind hingegen auf Effizienz getrimmt, wenn nur leichte Aufgaben anstehen (bekannt als big.LITTLE-Prinzip). Das schont die Batterie, ohne dass es dabei zu fühlbaren Leistungseinbrüchen kommt.

Kameras

Die Kameras gehören zu den wenigen Bereichen, die eine gründliche Überarbeitung erfahren haben. Statt dem einsamen Weitwinkel mit einer Brennweite von 29 Millimetern (bezogen auf KB) sind neu dasselbe Weitwinkel plus ein Ultraweitwinkel mit 15 Millimetern Brennweite verbaut. Die Auflösung verharrt in jedem Fall bei 12 Mpx. Bei den Videos wiederum wird mit maximal 60 fps bei 4K Auflösung gefilmt, Zeitlupen sind bis 240 fps in Full-HD möglich.
Die Kamera des neusten iPad Pro ist nicht mehr allein
Quelle: PCtipp.ch
Die TrueDepth-Frontkamera löst wie gehabt mit 7 Mpx auf. «TrueDepth» bedeutet, dass die 3D-Daten der Person genauer erfasst werden, damit Funktionen wie das Porträtlicht oder die künstliche Unschärfe ihre optimale Wirkung entfalten können.
Die Kameras stellen also so manches High-End-Smartphone in den Schatten, wobei beim iPad wohl eher die Dokumentation im Vordergrund steht: angefangen beim Whiteboard nach der Sitzung, auf dem Bau oder der Dokumentation bei Versicherungsfällen: halt überall dort, wo nicht Instagram-Fotos und virtuelle Katzenohren im Vordergrund stehen, sondern die reine Wahrheit.

Der LiDAR-Scanner

Eine echte Überraschung kommt mit dem brandneuen LiDAR-Scanner – und zwar deshalb, weil für solche Technologiesprünge normalerweise das neuste iPhone die bevorzugte (Marketing-) Plattform ist. LiDAR (sprich: «Laidar») steht für «Light Detection and Ranging». Dabei werden Lichtstrahlen ausgeschickt und die Zeit gemessen, die vergeht, bis sie zurück sind – und daraus wird dann die Distanz abgeleitet. Dieser Vorgang funktioniert auf bis zu 5 Metern Distanz und wird Tausende Male pro Sekunde wiederholt, damit ein 3D-Abbild des Motivs errechnet werden kann. Dieselbe Technik kommt auch zum Einsatz, wenn selbstfahrende Autos ihre Umgebung analysieren.
Auf dem iPad Pro sieht das etwa so aus:
Raumvermessung durch Rumfuchteln
Quelle: PCtipp.ch
Apple sieht die Anwendung des LiDAR-Scanners bei AR-Anwendungen (Augmented Reality) oder beim Ausmessen von Objekten. Wenn Sie im App Store nach «LiDAR» suchen, wird die Trefferliste immer länger. Ikea wird ihre Einrichtungs-App dahingehend anpassen, dass nicht nur virtuelle Möbel in die Stube gestellt, sondern ganze Räume vermessen und eingerichtet werden können. Andere Apps vermessen Objekte und exportieren die Daten für einen 3D-Drucker.
Der LiDAR-Scanner bietet unverkennbar eine Menge Potenzial, aber die Initialzündung hat am iPad Pro irgendwie noch nicht stattgefunden. Doch das tut seinen Qualitäten keinen Abbruch und es wird spannend sein, zu sehen, was den Entwicklern in den nächsten Monaten noch dazu einfällt.

Das neue Magic Keyboard

Es ist fast nicht möglich, über das iPad Pro zu sprechen, ohne auch das neue Magic Keyboard zu erwähnen – denn dies beleuchtet das iPad Pro aus einem ganz neuen Winkel. Die Tastatur komplettiert Apples Tablet so weit, dass die Grenzen zum klassischen Notebook (oder besser: MacBook) verschwimmen. Aber sie wirft auch einige Fragen auf. Nebenbei: Das Magic Keyboard ist auch mit dem iPad Pro 2018 kompatibel.
Die erste Begegnung mit der Tastatur zeigt die Grenzen der deutschen Sprache auf. Es gibt in unserem Wortschatz leider keine Emotion mit der Bezeichnung «Uff!»; sie würde das Gefühl beschreiben, das beim ersten Anheben der Schachtel in die Glieder fährt. Das Uff! wird auch nicht weniger, wenn die Tastatur ausgepackt wird: Die Küchenwaage attestiert ihr ein Gewicht von 705 Gramm. Zusammen mit dem iPad mit seinen rund 640 Gramm entsteht eine Kombo von 1345 Gramm. Zum Vergleich: Ein aktuelles MacBook Pro 13 Zoll wiegt mit seinen 1400 Gramm praktisch gleichviel. Kein Wunder, sucht man das Gewicht auf der Produktseite von Apple vergeblich.
Waren Tablets früher nicht kleiner als Notebooks?
Quelle: PCtipp.ch
Dafür entschädigt die beleuchtete Tastatur mit einem sehr angenehmen Tastenhub; damit tippt es sich ausgezeichnet.
An den beleuchteten Tasten und ihrem Hub gibt es nicht das Geringste auszusetzen
Quelle: PCtipp.ch
Die Funktionstasten am oberen Rand fehlen, aber der Grund liegt auf der Hand: Diese würden sich bereits unter dem iPad befinden, was den Zugang massiv erschwert. Alternativ hätte Apple die Tasten verkleinern können, aber das wäre ein denkbar schlechter Kompromiss, denn diese Funktionstasten sind unter iPadOS nicht wichtig genug. Hingegen ist es möglich, in den Einstellungen die Funktionstasten neu zu belegen, um zum Beispiel der Grossstelltaste die Funktionalität der Escape-Taste zu übertragen – denn die fehlt ebenfalls.
Die Funktionstasten lassen sich beliebig austauschen
Quelle: PCtipp.ch
Das Trackpad unterhalb ist mit dem aktuellen iPadOS und seinem Mauszeiger eine willkommene Ergänzung. Es fühlt sich sehr angenehm und präzise an, reicht aber nicht an das Magic Trackpad heran, das Apple für die Macs verkauft. Sobald es berührt wird, erscheint der Mauszeiger – oder besser gesagt: der Mauszeiger 2.0, so wie ihn sich Apple vorstellt. Wenn er über ein Bedienelement geführt wird, pulsiert dieses einmal, was die Treffsicherheit praktisch auf 100 Prozent erhöht. Nach spätestens zwei Minuten wird der Umgang mit dem Magic Keyboard zur zweiten Natur – und zu einer wahren Freude.
Das Magic Keyboard wirft sich durch seine Magnete dem iPad Pro an den Hals und bezieht auch den Strom von dort. Trotzdem verfügt es über einen eigenen USB-C-Anschluss, der allerdings nur dazu dient, das iPad Pro zu laden. Dessen UBS-C-Anschluss bleibt währenddessen frei und kann sich mit anderem Zubehör verbinden.
Der USB-C-Anschluss ist nur dazu da, um das iPad Pro zu laden
Quelle: PCtipp.ch
Das Magic Keyboard bietet also fast alles, was wir bis anhin an einem iPad Pro vermisst haben. Das Gewicht ist zwar beachtlich und entspricht praktisch dem eines MacBooks. Aber dabei darf nicht vergessen werden, dass es jederzeit abgenommen werden kann, damit das iPad Pro wieder Tablet wird – und eines mit einer exzellenten Stiftunterstützung noch dazu.
Was mich am Magic Keyboard am meisten stört, ist die Konstruktion an sich – denn die ist sehr, sehr steif ausgefallen. Und so endet fast jeder Handgriff in einem kleinen Akt der Gewalt, der sich anfühlt, als müsse man das iPad förmlich niederringen. Aber das ist wohl der Preis, den man für diesen Zuwachs an Komfort bei der Arbeit bezahlt. Für meine Zwecke bleibe ich bei der Kombination aus iPad Pro, Smart-Folio-Hülle und externem Magic Keyboard. Das Trackpad fehlt in dieser Auflistung zwar, aber damit kann ich leben. Doch natürlich stellt jeder Anwender andere Anforderungen.

Kaufberatung und Fazit

Das 11-Zoll-Modell. Das 11-Zoll-Modell ist so kompakt, griffig und leicht, wie man es von einem iPad erwartet. Mit diesen Abmessungen hat das iPad Pro auch dann eine Berechtigung, wenn Sie bereits mit einem MacBook ausgerüstet sind. Wenn Sie unterwegs arbeiten, sollten Sie ausserdem die Anschaffung des kleinen Magic Keyboards ins Auge fassen, denn wenn auf dem 11-Zoll-Display die virtuelle Tastatur eingeblendet wird, gibt es sonst nicht mehr viel zu sehen. Aber grundsätzlich ist es das iPad, das man auch aufgrund seiner Niedlichkeit mag, ähnlich einem Hundewelpen – oder was immer Ihnen als Vergleich angemessen erscheint.
Das 12,9-Zoll-Modell. Mein iPhone kann gar nicht gross genug sein, aber das gilt nicht für das iPad. Das 12,9 Zoll grosse Display ist eine Hausnummer! An diesem Gerät ist nichts mehr zierlich oder leichtfüssig. Es empfiehlt sich all jenen, die sich zum iPad Pro als primäres Arbeitsgerät bekennen und damit ein Notebook ersetzen. Die Grösse wird ganz besonders dann zum unschätzbaren Vorteil, wenn zwei Apps im Splitscreen-Modus nebeneinander ausgeführt werden, etwa zwei Office-Apps oder wenn parallel ein Videochat abgehalten wird.
Die Tastatur will gut überlegt sein, aber das iPad Pro ist über jeden Zweifel erhaben
Quelle: PCtipp.ch
SIM und GPS. Wie bei allen anderen iPads gilt: Nur die Modelle «Wi-Fi + Cellular» sind mit einem Slot für eine SIM-Karte und einer rein digitalen eSIM ausgestattet. Sie sind auch die einzigen Modelle, die über ein echtes GPS-Modul verfügen; damit sind sie Pflicht für alle, die auf eine genaue Bestimmung der Position angewiesen sind.

Fazit

Das iPad Pro war und ist ein Gerät ohne Tadel. Alles, was beim 2020-er-Modell geändert wurde, ist jetzt besser. Geblieben ist das Bewährte: Das Display, die enorme Leistung und die verbauten Technologien machen es zu einem Tablet, das zurzeit keine Konkurrenz hat. Wenn Sie einfach das Beste wollen, endet die Suche hier.

Testergebnis

Note
5
Tempo, Display, Kamera, LiDAR-Scanner, Software

Details:  True-Tone-Display mit 12,9 Zoll und 2732x2048 Pixeln bei 264 ppi, P3-Farbraum-Abdeckung, Face ID, Nutzspeicher ab 128 GB bis 1 TB, CPU: A12Z «Bionic», Weitwinkel-Kamera mit 12 Mpx bei ƒ/1.8, Ultraweitwinkel mit 10 Mpx, Selfie-Kamera mit 7 Mpx, Wi-Fi 6 (AX), USB-C, optional mit UMTS, eSIM und GPS, iPadOS 13

Preis:  ab 1099 Franken (Wi-Fi), ab 1259 Franken Wi-Fi+Cellular

Infos: 
Anmerkung zur Note: 1 = unbrauchbar; 1,5 = sehr schlecht; 2 = schlecht; 2,5 ungenügend; 3 = genügend; 3,5 ordentlich; 4 = gut; 4,5 = sehr gut; 5 = ausgezeichnet



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