Ausgefallenes Gadget 02.09.2016, 18:05 Uhr

Wärmebild fürs iPhone: Seek Thermal Compact im Test

Vom Hersteller Seek Thermal gibt es zwei kompakte Ansteckkameras, mit denen auch Privatanwender Wärmebildaufnahmen machen können. Wir haben beide Modelle getestet.
Was waren das noch für Zeiten, als man an sein Siemens S55 die mitgelieferte VGA-Kamera anstecken musste, um mal eben ein Foto zu schiessen. Wer heute an sein Smartphone ein klar als Kamera erkennbares Gerät ansteckt, wird von den Passanten schon mal neugierig und auch misstrauisch beäugt. Bei dem Gadget handelt es sich um eine kompakte Thermalsicht-Cam vom Hersteller Seek Thermal, das Devices verwandelt jedes iPhone oder Android-Gerät in eine Wärmebildkamera.
Eines vorweg: Wer sich die Seek Thermal Compact oder die XR-Version mit grösserer Reichweite als reines Fun-Produkt zulegen will, sollte bedenken, dass der anfängliche Spass, den man beim Knipsen von Wärmebildaufnahmen der Freunde, der Tiefkühlpizza oder der im Grill knisternden Kohlen anfangs zweifelsohne hat, schnell verfliegt. Und dafür sind die Geräte mit 299 beziehungsweise 349 Euro einfach zu kostspielig. Wer die Adapter jedoch privat oder beruflich regelmässig nutzen möchte, bekommt viel Technik fürs Geld, wie sich in unserem Test herausgestellt hat.
Seek Thermal Compact
Eine Installation ist quasi nicht erforderlich, man muss sich und das Produkt lediglich bei Seek Thermal registrieren. Die App wurde vor einigen Wochen komplett überarbeitet und bietet nun verschiedene Video-Tutorials, die den User durch die einzelnen Funktionen führen. In der Hauptansicht kann man verschiedene Einstellungen wählen, etwa das Farbspektrum, mit dem die Temperaturunterschiede dargestellt werden sollen. So kann man beispielsweise von einer einfachen und kontrastreichen Schwarz-Weiss-Anzeige mit einem Klick auf Rot-Blau umschalten, wobei Rot wärmere Bereiche kennzeichnet, Blau steht für kühlere.
Bei der Benutzung muss man sich im Vergleich zur integrierten Smartphone-Kamera etwas umstellen, da die Seek Thermal Compact (35 Grad) ebenso wie die XR-Version (20 Grad) einen anderen Winkel besitzen. Das 300-Euro-Modell eignet sich mit dem Fixfokus vor allem für den Indoor-Einsatz, wer beispielsweise Tiere im Wald erkennen will, bekommt mit der XR ein deutlich weiteres Erfassungsfeld. Die versprochenen 550 Meter konnten wir im Test allerdings nicht bestätigen, ab 480 Metern waren auf dem Kamerabild keine Temperaturunterschiede mehr auszumachen.

Hohe Genauigkeit bei der Temperaturmessung

Gut zu erkennen: Die Hitzentwicklung bei einem Beamer
Die erfassbaren Temperaturen sollen zwischen  minus 40 und plus 330 Grad Celsius liegen, im Test konnten wir diese Messgrenzen bestätigen. Die Genauigkeit war dabei überraschend hoch, auch wenn die Herstellerangabe von plus/minus 0,5 Grad Celsius keinesfalls eingehalten wurde. Meist kam die Kamera aber nur auf eine maximale Abweichung von einem oder zwei Grad, was für ein solches Gerät akzeptabel ist. Bei der Auflösung des Bildsensors wünscht man sich aber schnell wieder die eingangs erwähnte Siemens-Kamera mit, denn selbst diese würde die 206 x 156 Bildpunkte locker übertreffen. Wer VGA- oder gar HD-Thermalbilder wünscht, muss aber ein Vielfaches des Kaufpreises der Seek Thermal-Geräte ausgeben, für 300 Euro ist die Auflösung vollkommen im Rahmen.
Im Testbetrieb reichten die Pixel locker aus, um den Zweck zu erfüllen. So konnten wir bei einem Fliessenboden die verlegte Fussbodenheizung genau erkennen, einen möglichen Defekt hätten wir somit auch ohne den teuren Besuch eines Handwerkers feststellen können. In einem Solarpark liess sich mit einem Blick herausfinden, dass eines der Panels offenbar defekt war.
Beim Antutu-Benchmark sieht man, an welchen Stellen das iPhone 6s plus besonders warm wird
Ein Einsatzszenario für Gebrauchtwagenkäufer konnten wir ebenfalls ausprobieren. Das zu begutachtende Fahrzeug wird aus der kühlen Garage in die pralle Sonne gefahren, wo sich natürlich das Metall der Karosserie erhitzt. Hat der Vorbesitzer an einer Stelle gespachtelt, so sieht man das durch den zeitlich versetzten Anstieg der angezeigten Temperatur im betreffenden Bereich der Karosserie. Dieselbe Methode bieten übrigens Spezialisten für mehrere hundert Euro an – dann natürlich mit professioneller Ausrüstung in einer mobilen Werkstatt mit hochauflösender Kamera.

Akku-Killer Seek Thermal Compact

Sie denken, Pokémon Go würde den Akku des Smartphones schnell leer saugen? Die Seek Thermal-Kameras schaffen einen vollen iPhone 6s-Akku in 40 Minuten! Wer längere Einsätze plant, kommt also um eine Powerbank nicht herum – allerdings kann man während des Ladens die Kamera nicht benutzen, da ja der Steckplatz belegt ist. Für Videoaufnahmen sind die Geräte übrigens nur sehr bedingt geeignet, da alle zwei Sekunden eine Selbstkalibrierung der Kamera stattfindet, was die ohnehin magere Bildrate von 9 fps zusätzlich einschränkt.
Bei Testkater Hobbes kann man gut die Stellen an Kopf und Beinen erkennen, die weniger stark behaart sind und entsprechend mehr Wärme abgeben.
Insgesamt haben uns beide Versionen der Seek Thermal Compact überzeugt, die Messgenauigkeit und auch die Reichweite der Thermalerfassung sind gut und die App einfach zu bedienen mit vielen Einstellmöglichkeiten. Problematisch ist der hohe Energiehunger, und auch die vergleichsweise geringe Auflösung. Letztere dürfte aber mit weiterem Fortschreiten der Entwicklung in diesem noch sehr jungen Segment (im Privatanwenderbereich) bei der nächsten Modellgeneration höher ausfallen, ebenso wie die Bildwiederholfrequenz.
Der Preis ist mit 299 beziehungsweise 349 Euro akzeptabel, sofern man vorhat, die Kamera regelmässig zum Einsatz kommen zu lassen, etwa zum Aufspüren von Kältebrücken in der Wohnung, der Kontrolle von Motoren aller Art oder dem schlichten Aufspüren der ausgebüxten Katze. Negativ aufstossen dürfte manchem Nutzer dagegen die seit dem App-Update zwingend erforderliche Registrierung.




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