Endlich schön! 08.03.2021, 09:54 Uhr

Mac-Tipp: Camo Studio

Die Webcam der Macs ist nicht zu retten. Verwenden Sie stattdessen das iPhone.
Videochats, endlich mit brauchbarem Bild
(Quelle: PCtipp.ch)
Böse Zungen behaupten, dass die integrierte Webcam der Macs nicht besonders toll ist. Das entspricht nicht ganz der Wahrheit. Diese Kameras sind einfach nur lausig, unter allen Kanonen, eine Schande für Apples Ingenieure und bestenfalls erträglich, wenn der Anwender den letzten Rest seiner Würde aufgibt. Wenn Sie hingegen auf Jobsuche sind und sich in einem Team-Meeting als Grottenolm bewerben, dann könnten Ihnen die «Qualitäten» der Kamera tatsächlich zum Vorteil gereichen – aber nur dann!
Ich habe eigentlich fertig. Aber das Problem ist kein bisschen gelöst. Also weiter.
Bei den Mac-Kameras ist nicht nur die Hardware für die Tonne. Erschwerend kommt hinzu, dass Apple keinen einzigen Regler oder Knopf spendiert, um die Belichtung, die Farbe oder andere Parameter anzupassen. Hier könnte eigentlich die Software iGlasses einspringen, die sich als virtuelle Kamera dazwischenschiebt und das Videobild mit nützlichen Reglern und Knöpfen korrigiert. Aber auch diese Lösung scheitert in den meisten wichtigen Anwendungen wie Safari, Skype, Teams und anderen, weil Apple die Verwendung solcher virtuellen Kameras erfolgreich unterbindet – natürlich als Sicherheitsmassnahme, die sich nicht deaktivieren lässt. Und so rege ich mich innerhalb von nur fünf Minuten zum zweiten Mal über diesen Computerladen mit Nanny-Komplex auf.

Die Lösung: iPhone mit Camo Studio

Eine bessere Kamera muss also her – und die liegt vermutlich in Griffweite: das iPhone. Das andere Element ist die kostenlose Software Camo Studio für den Mac, die hier geladen wird. Sie benötigt eine iPhone-App als Bindemittel, die Sie im App Store ebenfalls kostenlos laden. Anschliessend wird das iPhone über das Lightning-Kabel mit dem Mac verbunden, Camo Studio gestartet und … voila: Der Grottenolm ist Geschichte! (Zumindest, was die Lichtqualität angeht.)
Vergleich in Microsoft Teams
Quelle: PCtipp.ch
Camo Studio verwendet vorzugsweise die hintere Kamera des iPhones, um die bestmögliche Qualität herauszuholen. Die Verbindung via Lightning/USB sorgt nicht nur ein ruckelfreies Bild, sondern lädt auch das iPhone, sodass die Batterie nicht mitten in einer Besprechung abnibbelt. Der britische Hersteller Reincubate arbeitet auch an einer Methode, um das iPhone kabellos zu verbinden.
Und damit ist Camo Studio fertig eingerichtet. Jetzt muss nur noch das iPhone in den Einstellungen der jeweiligen Software als Kamera festgelegt werden. Beim ersten Start sehen Sie eine Auflistung aller relevanten Apps und wie weit die Integration gediehen ist. Die meisten wichtigen Vertreter werden unterstützt; aber sämtliche Apple-Anwendungen stellen sich quer. Und das war dann der dritte Aufreger.
Bereits in dieser kostenlosen Version wird Camo Studio zu einer dramatischen Verbesserung führen, selbst wenn das Bild nur in 720p übertragen wird – also in derselben Auflösung, wie sie von den Webcams im Mac geliefert wird. Und damit wird sich das Thema für viele Anwender erledigt haben.
Allerdings sind die ganzen schönen Einstellungen links und rechts des Bildes deaktiviert – und gerade die haben es in sich.
Die Bildqualität ist in der kostenlosen Version genauso gut, aber die Feinheiten sind nicht zugänglich
Quelle: PCtipp.ch

Alle schauen nach links …

Auf der linken Seite befinden sich die Regler, die sich auf die Kamera-Funktionen konzentrieren. Hier lässt sich jede Kamera des iPhones gezielt anwählen, was beim iPhone 12 Pro Max auf immerhin vier Linsen hinausläuft. Der Fokus kann auf Wunsch auf eine beliebige Stelle gerichtet und fixiert werden, was besonders bei Produkt-Demonstrationen sehr nützlich ist. «Presets» speichern dabei alle Anordnungen und stellen sie auf Knopfdruck wieder her.
Die Auflösung wird ausserdem auf 1080p angehoben. Es gibt allerdings einen Pferdefuss: Eine zu hohe Auflösung ist nicht immer sinnvoll. Microsoft Teams übermittelt Videos zum Beispiel mit 1080p, dort bringt diese Auflösung also etwas. Zoom hingegen übermittelt Videos im besten Fall mit 720p; alles, was darüber hinausgeht, wird verkleinert. Diese Verkleinerung kann wiederum schlechter sein, als wenn Sie direkt mit dem iPhone in 720p aufgezeichnen, damit das Video vom jeweiligen Dienst einfach durchgereicht wird. Wenn also die Auflösung Ihr Wunschkriterium ist, sollten Sie zuerst prüfen, wie viel Ihr bevorzugter Kanal hergibt.
Der variable Porträt-Modus zeichnet den Hintergrund dezent weich und wirkt hervorragend. Kleine Fehler müssen fast schon gesucht werden, während einem Microsoft Teams manchmal den halben Schädel wegpustet. Deshalb sollten alle künstlichen Hintergründe der jeweiligen Software deaktiviert und die (Un-) Schärfe allein Camo Studio überlassen werden. Allerdings wird dafür ein iPhone XR oder neuer vorausgesetzt.
Die künstliche Unschärfe (rechts) lässt sich regulieren
Quelle: PCtipp.ch
Das Zoom hat es mir besonders angetan. Mein iPhone wird von einem Schwanenhals an der Tischplatte gehalten und befindet sich über dem Display des iMacs. Dadurch wirkt ein Teil des Bildes seltsam leer. Mit dem Zoom lässt sich der Bildausschnitt leicht reduzieren und – Achtung, jetzt kommt’s! – beliebig verschieben, sodass es aussieht, als wäre die Kamera eher in der Mitte des Bildschirms platziert.
Der Ausschnitt lässt sich beliebig verschieben
Quelle: PCtipp.ch
Camo Studio ist stets im Hintergrund aktiv, wenn das iPhone in einer anderen Software verwendet werden soll. Ein Klick in das Symbol in der Menüleiste holt es in den Vordergrund. Das hat den Vorteil, dass die Zeit vor dem Meeting genutzt werden kann, um das Bild zu optimieren – auch wenn die verwendete Chat-Software keine oder nur eine mickerige Vorschau bietet.

… und jetzt nach rechts!

Rechts vom Kontrollbild befinden sich alle Einstellungen, um die Farben, die Kontraste, die Schärfe und mehr zu optimieren. Allerdings musste ich mit dem iPhone 12 Pro Max feststellen, dass die Standardeinstellungen so gut sind, dass es fast nichts mehr zu optimieren gibt. Das kann bei anderen iPhones eventuell anders sein.
Beachtung verdient der Regler «Flash Level», der den LED-Blitz des iPhones dauerhaft aktiviert. Das kann der Ausleuchtung dienen, wenn es an besseren Lichtquellen mangelt. Der LED-Blitz erzeugt ausserdem ein Catch Light, was normalerweise sehr attraktiv wirkt – aber die winzige Lichtquelle erzeugt nur eine sehr kleine, fast schon giftige Reflexion, die nicht viel hergibt. Ausserdem ist sie auch auf der Brille zu sehen. Es geht also nichts über eine richtige Lampe.

Preise und Fazit

Camo Studio, also die Mac-Anwendung, wird direkt über die Website des Herstellers gekauft. Die Nutzung kostet umgerechnet etwa Fr. 4.50 pro Monat, ein Jahres-Abo etwa 36 Franken und eine zeitliche unbeschränkte Lizenz etwa 73 Franken. Sollte die Software die Ansprüche nicht erfüllen, kann innerhalb von 30 Tagen das Geld zurückverlangt werden.
Ich habe mich letztendlich für die unbeschränkte Lizenz entschieden. Der Preis liess zuerst einmal leer schlucken. Doch bei nochmaligem Nachdenken wurde schnell klar, dass eine dedizierte Webcam auch nicht viel weniger kostet. Sie wird aber garantiert nicht an diese Qualität heranreichen, so viele Anpassungen bieten und sich so nahtlos in macOS integrieren. Aber wie bereits erwähnt: Die Chancen stehen gut, dass Sie auch mit der kostenlosen Version bestens bedient werden.




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