Paul H. Müller von Adjust 18.04.2019, 15:34 Uhr

"Der asiatische App-Markt ist unglaublich fortschrittlich"

Adjust will Marketingverantwortliche für das Thema "mobiler Werbebetrug" sensibilisieren und über Ad Fraud aufklären. Wir sprachen mit Co-Founder und CTO Paul H. Müller über die Firmenstrategie, Fraud-Risiken in der E-Commerce-Branche und den asiatischen Mobile-Markt.
Paul H. Müller, Mitgründer Adjust
(Quelle: Adjust)
Adjust ist ein Anbieter im Bereich Fraud Prevention. Das Unternehmen macht sich auch stark im Kampf gegen Ad Fraud und hat unter anderem die Coalition Against Ad Fraud (CAAF) gegründet. Wir sprachen mit Co-Founder und CTO Paul H. Müller über Werbetrug im Internet, die Firmenstrategie und den asiatischen Mobile-Markt.
Können Sie zu Beginn erst einmal kurz auf Ihr Geschäftsmodell eingehen? Was ist die Idee hinter Adjust?
Paul H. Müller: Es war von Anfang an unser Ziel, Marketingverantwortliche für das Thema "mobiler Werbebetrug" zu sensibilisieren und über Ad Fraud aufzuklären. Denn Datensätze, die durch Fraud mit Falschinformationen gefüllt sind, beeinflussen massgeblich, wie Marketingspezialisten ihr Budget zukünftig ausgeben. Sie können also nachhaltig Schäden verursachen. Fraud Prevention ist dabei ein echtes Katz- und Mausspiel: Sobald wir beginnen, eine Fraud-Methode zu unterdrücken, ändern Betrüger die Taktik und finden neue Wege, um Systeme zu ihren Gunsten zu untergraben.
 
Es heisst immer, (Desktop) Ad Fraud ist eher ein globales als ein deutsches Problem. Gilt das auch für Mobile?
Müller: Ad Fraud ist seit jeher ein globales Problem, das weit über Deutschland und auch Desktop hinausgeht. Die Betrugsmethoden, die auf Desktop angewendet werden, wurden in das mobile Ökosystem übertragen und richten ebenso grossen Schaden an. Es gibt eigentlich keinen signifikanten Unterschied ausser der Tatsache, dass die mobilen Computer viel kleiner und portabler sind.
Was konkret ist der Unterschied zwischen Mobile Ad Fraud und In-App Bot Fraud?
Müller: Anders als im mobilen Ad Fraud werden die sogenannten In-App Bots speziell für eine bestimmte App im Bereich Games, E-Commerce, Dating, Fintech oder Travel entwickelt und sind somit technisch deutlich ausgefeilter. So können zum Beispiel einzelne Bots das Nutzerverhalten von Menschen so exakt simulieren, dass sie damit an den herkömmlichen Erkennungsfiltern vorbeikommen. Die verschiedenen Methoden für Mobile Ad Fraud hingegen wurden nicht speziell für eine bestimmte App entwickelt und greifen auf breiter Basis Marketingkampagnen von sämtlichen Apps an.
 
Beide Formen von Fraud greifen auf individuelle Weise das Geschäftsmodell einer App an und haben Auswirkungen auf den ROI, jedoch ist der entscheidende Unterschied, dass der Endnutzer beziehungsweise Kunde von Mobile Ad Fraud nichts mitbekommt. Mobile Ad Fraud beeinflusst nicht, wie eine App wahrgenommen wird. Leidtragende sind hier Marketingverantwortlichen und ihre Budgets. In-App Bot Fraud hingegen hat extreme Auswirkungen auf die Kundenzufriedenheit und die Reputation der App. Denn wer möchte schon in Games immer wieder von Bots binnen Sekunden geschlagen werden oder immer wieder Spam-Nachrichten von Bots erhalten?

"Mobiler Werbebetrug ist nur die Spitze des Eisbergs"

Sie launchen heute ja ihr neues "Unbotify Standalone-Produkt" zur Bekämpfung von diesem genannten In-App Bot Fraud. Gibt es schon deutsche Referenz-Cases?
Müller: Genau, das neue Unbotify Standalone-Produkt wird ab April in Deutschland verfügbar sein. Mit der Technologie wollten wir unsere Fraud-Prevention-Technologie weiter ausbauen. Allerdings haben wir schnell festgestellt, dass der mobile Werbebetrug nur die Spitze des Eisbergs ist.
Zu den Kunden und Referenz-Cases können wir hier leider noch nicht ins Detail gehen. Der Kampf gegen In-App Bot Fraud ist ein Anliegen, das von vielen Unternehmen geteilt wird. Die Bot-Deterring-Lösung von Unbotify wird von einigen der grössten Fortune-500-Unternehmen in den Bereichen E-Commerce, Social, Search und Gaming in den USA und Europa eingesetzt.
Kann man sich das Prinzip dahinter wie das "Ich bin kein Roboter"-Captcha auf dem Desktop vorstellen?
Müller: Nein, das Prinzip hinter "Ich bin kein Roboter"-Captcha verlangt von Nutzern, dass sie sich aktiv selbst verifizieren müssen. Das ist bei der Technologie von Unbotify nicht notwendig. Zudem kann ein einzelner Bot das Nutzerverhalten mittlerweile so genau simulieren, dass er an den traditionellen Erkennungsmethoden vorbeikommt. Die Lösung von Unbotify greift mit seiner Machine-Learning-Technologie auf einen originären Datensatz zurück, wodurch die Captchas obsolet werden. Unbotify verwendet anonymisierte, biometrische Sensordaten wie den Beschleunigungssensor, Gyroskop, Lichtsensoren und Berührungsdruck des mobilen Geräts, um Machine-Learning-Modelle zu erstellen und somit zwischen Bots und Menschen zu unterscheiden - ohne jedoch einzelne Nutzern identifizieren zu können.

"E-Commerce ist an mehreren Fronten bösartigen Bots ausgesetzt"

Können Sie ein paar Beispiele nennen, wie In-App Bots eingesetzt werden?
Müller: E-Commerce-Plattformen zum Beispiel sind gleich an mehreren Fronten bösartigen Bots ausgesetzt. Bots hacken sich mit riesigen Listen gestohlener Zugangsdaten in Benutzerkonten ein, um Finanzinformationen zu stehlen oder das Konto zu übernehmen, um Einkäufe zu tätigen. Ausserdem können Bots gefälschte Konten registrieren, um Betrug und Missbrauch von Bonus- oder Coupon-Aktionen zu begehen. Bots schaden auch der Benutzerfreundlichkeit, indem sie Website-Betreiber zwingen, Captchas und strengere Kennwortrichtlinien durchzusetzen.
 
Ein anderes Beispiel sind die sogenannten Scalping Bots, die limitierte Produkte - vom Turnschuh bis zum Konzert-Ticket - in Sekundenschnelle kaufen, um diese dann deutlich über dem Einkaufspreis weiterzuverkaufen, bevor legitime Nutzer überhaupt eine Chance auf eine Transaktion hatten.
 
Zuletzt ist auch der Bereich Travel Booking ein gutes Beispiel. Denn der Wettbewerb bei Reise-Apps ist gross, und die Preise sind für die meisten Kunden ein entscheidender Faktor. Da Reiseseiten auch als E-Commerce-Plattformen fungieren, werden Bots hier für Kontoübernahmen, Zahlungsbetrug und anderen betrügerischen Aktivitäten eingesetzt.

"Asien ist eine unserer Kernregionen"

Lassen Sie uns zuletzt noch auf Ihre Firmenstrategie eingehen. Werden Ihre jüngsten Zukäufe Acquired.io - eine Data-Aggregations-Plattform - und Unbotify - ein Start-up für Cybersecurity - in Adjust komplett integriert?
Müller: Beiden Firmen werden in Adjust integriert. Acquired.io wird komplett in Adjust integriert werden und sämtliche Mitarbeiter werden in den Hauptsitz nach Berlin ziehen. Der Firmenname wird nicht weiter bestehen. Unbotifys Firmenname bleibt bestehen. Das Büro in Tel Aviv wird als Research und Development Center von Adjust weiter existieren, das Team vor Ort wird über die kommenden Monate verdoppelt und der Standort stark ausgebaut.
 
Im Februar gingen Sie eine Partnerschaft mit Adways ein, einer japanischen Agentur für Mobile Marketing. Was hat es damit auf sich?
Müller:
Mit Adways haben wir nun in Japan einen weiteren sehr starken Partner gewonnen. Adways zählt zu den Top-Agenturen in Japan und wird uns dabei helfen, unsere Position im Markt weiter auszubauen.
Wie lukrativ ist denn der asiatische Markt verglichen mit anderen für Sie?
Müller: Asien ist eine unserer Kernregionen. Nach USA war Japan der zweite Markt, in den wir 2015 expandiert sind. Der asiatische App-Markt ist unglaublich fortschrittlich. Dies bedeutet auch, dass ein hoher Bedarf an technischem Know-how besteht, insbesondere im Bereich der mobilen Messung und Attribution.




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