Mobilfunkmarkt 12.03.2015, 09:42 Uhr

Apples subtile SIM-Karten-Revolution

Ohne grosse Publicity legt Apple seit einigen Monaten dem iPad SIM-Karten bei. Das könnte der Beginn einer grundlegenden Umwälzung des Mobilfunkmarkts sein.
SIM-Karten
(Quelle: shutterstock.com/LostINtrancE)
Bei der grossen Vorstellung der neuen iPad-Generation im letzten Herbst war es nur eine Fussnote, über die Firmenchef Tim Cook keine Worte verlor: Apple kündigte damals eine eigene SIM-Karte an. Diese sollte es Kunden ermöglichen, in verschiedenen Ländern und Netzen ohne Wechsel der Karte unterschiedliche Netzbetreiber mit kurzfristiger Bindung zu nutzen.
Die Wahl des Carriers sollte einfach über ein Menü erfolgen. Noch immer unterstützen lediglich drei Netzbetreiber in den USA (AT&T, Sprint, T-Mobile) und einer in Grossbritannien (EE) die Apple-SIM, die auch nur als Datenkarte im iPad Air 2 fungiert und nicht zur Sprachtelefonie dient. Ausserdem liegt sie nur Geräten bei, die direkt von Apple und im freien Handel in den beiden Ländern verkauft werden.
Doch was noch wie ein zag­hafter Versuchsballon erscheint, könnte bald eine Revolution auf dem Mobilfunkmarkt einleiten: das Ende der klassischen langjährigen Verträge von Kunden mit einem Carrier.
Denn bisher hat die Kombination aus subventionierten Endgeräten, Vertragslaufzeiten und der Carrier-gebundenen SIM-Karte einen Wechsel zwischen den Netzen erschwert. Das Aufkommen der Discounter in vielen Ländern hat diese starren Strukturen in den letzten Jahren schon etwas aufgeweicht.
Zudem kommen im Bereich der M2M-Kommunikation, also dem Austausch von Daten zwischen Geräten und nicht Menschen, bereits fest verbaute SIM-Karten zum Einsatz, die erst mit der Aktivierung den Provider festlegen. Das ist zum Beispiel bei Autos der Fall, für die auf verschiedenen globalen Märkten Verkehrsinformationen und der E-Call für Notrufe gefordert werden. 
Doch das Szenario, das Apple nur andeutet, geht viel weiter: Eine aus der Ferne immer wieder umprogrammierbare SIM-Karte würde nicht nur die Grenzen zwischen den Netzbetreibern, sondern auch zwischen den Ländern einreissen.
Der Kunde könnte je nach Aufenthaltsort die für ihn günstigsten Datenpakete buchen. Und was für Daten gilt, ist technisch auch für die Sprachtelefonie im iPhone machbar, an die sich Apple aber noch nicht ­herangetraut hat.

Viele Einschränkungen

In der weiteren Konsequenz wäre Apple ein virtueller Netzbetreiber, auch wenn im gegenwärtigen Modell noch die Kunden ihre Pakete direkt bei den Anbietern buchen. Zukünftig könnten sie diese eben auch über den App-Store erwerben oder Apple könnte gar eine globale Flatrate einführen.
Dazu ist der Riese aus Cupertino allerdings auf die Kooperation der Netzbetreiber angewiesen, die im Moment verständlicherweise noch sehr zurückhaltend sind. Selbst in den USA funktioniert die freie Anbieterwahl auf dem iPad noch nicht ohne Einschränkungen.
Denn die Mobilfunk-Netzbetreiber würden in einem solchen Geschäftsmodell reine Transporteure und ihre Identität sowie vor allem den wertvollen direkten Zugriff auf die Kunden weitgehend einbüssen.
In den USA können iPad-Käufer über ein Menü den Carrier wählen
Diese Anwender – oder eine Automatik in ihrem Gerät – würden wohl fast immer das beste Netz wählen und so den Abstand zwischen den Grossen und den Kleinen weiter vergrössern. Andere Hardware-Hersteller dagegen müssten Apple langfristig folgen, wenn sie nicht einen gravierenden Wettbewerbsnachteil erleiden wollen.
An diesem Punkt könnte die Revolution ausbrechen: Denn es ist schwer vorstellbar, dass selbst ein Global Player wie Apple den Weg als Einzelkämpfer gegen möglicherweise vereinte Netzbetreiber gehen kann.
Doch wenn sich weitere grosse Betriebssystemanbieter oder Hardware-Schmieden mit ähnlichen Vorhaben herauswagen, könnte der Widerstand einbrechen, da die Carrier nicht alle Hersteller dauerhaft boykottieren könnten. Und es wäre auch denkbar, dass einzelne Netzbetreiber ihre Abwehr aufgeben, wenn sie sehen, dass die Entwicklung nicht aufzuhalten ist.
Ein noch weiter gedachtes Szenario wäre eine einmal in ein Smartphone oder Tablet fest eingebaute SIM-Karte, die als „embedded SIM“ weltweit in vielen oder sogar allen Netzen ohne einen vorher festzulegenden Anbieterwechsel funktioniert.
Globale Konzerne wie Microsoft, Amazon oder Google könnten damit Kunden an sich und ihre Angebote in anderen Bereichen binden. Dabei wäre es möglich, den Telefon- und Daten-Service über Werbung oder die Hardware zu finanzieren. Wenn es ein solcher Provider schaffen würde, Flat-Preise direkt mit den global tätigen Carriern zu verhandeln, würde zudem der aufwendige Abrechnungsprozess beim Roaming ganz entfallen.




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