Online-Hochzeitsangebote 12.09.2014, 14:12 Uhr

Der Heiratsmarkt im Internet

Auf rund 17.500 Euro summiert das Statistische Bundesamt die Durchschnittskosten einer Hochzeit: Mit dem schönsten Tag im Leben machen Händler und Portalbetreiber beste Geschäfte.
(Quelle: Shutterstock.com/Ukraine Sonechko)
Kieselsteine, auf die Gäste Glückwünsche schreiben, Wunderkerzen in Herzform, Kristalle für die Tafel, Aufmerksamkeiten für die Gäste, Einladungs-, Tisch-, Menü-, Dankes- und andere Karten, Blumen, Kerzen und Servietten: Damit der Hochzeits- zum schönsten Tag des Lebens wird, gibt es vieles, was ein Paar bedenken - und noch mehr Dinge, die es kaufen sollte: "Auf diesem Tag lastet ein enormer Druck, bei einer Hochzeit darf nichts schiefgehen", sagt Sylke Mann, Mitgründerin des Portals Weddix.de. Konkurrent Mathias Krüger, Geschäftsführer von Hochzeitsplaza, ergänzt: "Bei allen positiven Emotionen - Heiraten ist ein ernstes Thema."
Weil sie nichts falsch machen wollen und um sich perfekt gemeinsam zu präsentieren, sind Paare sehr empfänglich für Vorschläge zu Kleidung, Ausstattung und Abläufen - und investieren immer mehr Geld und Zeit in ihr Fest: Auf rund 17.500 Euro summiert das Statistische Bundesamt die Durchschnittskosten einer Hochzeit. Bei etwa 380.000 Eheschliessungen im Jahr kommen so gut sechs Milliarden Euro zusammen: Ein Markt, den Dienstleister und Händler zunehmend auch im Internet bedienen. Zumal sie online ohne grösseren Aufwand noch die rund 150.000 bis 200.000 Hochzeiten in Österreich und der Schweiz ausstatten können. "Es gibt einige Hochzeits-Shops online", sagt Christian Heumann, der Anfang 2014 den Deko-Shop Flairelle startete. "Noch wird wenig bestellt, aber das ändert sich gerade sehr schnell."
Die meisten Online-Hochzeitsangebote setzen auf eine Mischung aus Handel, Community und Inhalten, die sie für die Werbevermarktung und die Vermittlung von regionalen Händlern und Dienstleistern nutzen. Marktführer ist Weddix.de, das die ehemalige Otto-Managerin Sylke Mann mit ihrem Mann Thoralf im Jahr 2000 als Portal aufbaute und um einen Shop für Papierwaren und Dekoartikel ergänzte. "Eine reine Informationsplattform reichte damals nicht aus", erzählt sie. "Die Branche wird von Familienunternehmen getrieben, bei denen das Werbegeld nicht locker sitzt und die anfangs nicht bereit waren, neben der Homepage auch noch in Online-Werbung zu investieren."
Das Geschäftsmodell aus Verkauf und Partnerprogrammen zahlt sich aus - und wird daher auch gern imitiert. Flairelle ist gerade dabei, sein Angebot aus Dekoartikeln und Papeterie um redaktionelle Inhalte und Affiliate-Programme zu ergänzen. Laut Similarweb zieht Weddix pro Monat rund 300.000 Besucher an, nach Schätzungen des EHI Retail Instituts aus Köln erwirtschaftete das Hochzeitsportal mit Handelseinnahmen, Werbevermarktung und Vermittlungsprovisionen 2012 einen Umsatz von knapp 14 Millionen Euro. Weddix beschäftigt am Stammsitz Haar bei München inzwischen 30 Mitarbeiter: "Der Eintritt in den Hochzeitsmarkt ist nicht so einfach, er braucht Zeit und Erfahrung", so Sylke Mann, "aber die Zielgruppe ist extrem spannend, weil sie hohe Ansprüche an Liefertreue und Service hat."
Es sind vorwiegend Frauen, die eine Hochzeit vorbereiten. Sie schätzen persönliche Beratung, den Austausch in Foren und Chats - für die Portale eine Quelle für neue Ratgeber- und Trendthemen - und die Empfehlung von Dienstleistern online oder vor Ort. Hochzeitsplaza, eines der wenigen reinen Informationsportale, stellt für die Planung ein gutes Dutzend Online-Tools bereit, etwa zum Erstellen einer Hochzeits-Site, von Wunsch-, Check-, Gästelisten oder zur Koordination von Dienstleistern.
Dreh- und Angelpunkt sind wie bei allen Portalen Branchenbücher, in denen stimmungsvolle Lokalitäten für den schönsten Tag, aber auch Fotografen, Kosmetikerinnen, Floristen, Musiker und Brautmodestudios verzeichnet sind. "Wir suchen bekannte Partner, die Qualität und Markenimage auch regional bieten können", erklärt Krüger. Einzelhändler und Dienstleister können sich auf den Portalen kostenlos eintragen, für eine bevorzugte Darstellung und für die Vermittlung von Interessenten und Kunden werden danach Provisionen fällig.
"Der Hochzeitsmarkt ist sehr stark regionalisiert", berichtet Mann. Paare buchen Dienstleister fürs Fest am liebsten dort, wo dieses stattfindet. Anzug und Brautkleid werden vor Ort gekauft. "Die Kleider werden nach individuellen Massen gearbeitet, das ist viel zu aufwendig online zu organisieren", sagt Heumann. Brautmode- und Designstudios organisieren daher das Anpassen der Traumroben als Event unter Freundinnen oder mit Müttern, und so beschränken sich die Portale auf die Empfehlung von und die Terminvermittlung bei ihren regionalen Partnern.
Doch auch hier beginnen sich Traditionen aufzulösen: Preisbewusste Frauen bestellen ihr Abend- wie auch das Brautkleid online. Für 75 bis 300 Euro bietet Lightinthebox Dutzende Modelle an - inklusive der Anpassung auf persönliche Masse. Das Unternehmen mit Sitz in Seattle und Peking verkauft in 26 Ländern und erreicht knapp 31 Millionen Besucher pro Monat.

Junge Familien – die lukrative Perspektive

Interessante Kunden sind Brautleute jedoch nicht nur, weil sie ein aufwendiges Fest planen. Es geht danach noch lange weiter mit dem Bedarf an Konsumgütern: The Knots, das US-amerikanische Vorbild vieler Hochzeitsportale, weist den lukrativen Wachstumspfad. 1997 gestartet, erwuchs aus dem Portal ein börsennotiertes Unternehmen, die XO Group, nach eigenem Bekunden ein "Lifestage-Konzern". Dieser widmet sich der Hochzeit und den folgenden Lebensphasen des Paares: Für The Bump wurde das Modell aus Ratgeber, Anbietervermittlung und Handel auf das Thema Schwangerschaft, Kinder, Erziehung und Bildung übertragen, für The Nest auf die Felder Hausbau, Wohnen und Leben.
2013 setzte das Unternehmen mit seinen Portalen, Magazinen, Apps und Shops rund 134 Millionen Dollar um. Ein grosser Batzen aus den Erlösen entfällt auf Werbung und Vermittlungen. Der Erfolg von The Knots, die Ausbauchancen sowie der wachsende Milliardenmarkt rund um die Ausrichtung des ersten Familienfestes zieht auch Investoren an: Bauten die Manns Weddix ohne Fremdkapital auf, entstand Hochzeitsplaza 2010 bei der Beteiligungsgesellschaft Hanse Ventures in Hamburg. Sie baute das Angebot von Wedding.de des Suchmaschinenspezialisten Artaxo zum Informationsportal aus. Beim vorerst jüngsten Branchenspross Shopandmarry ist die Porsche-Tochter Mieschke Hofmann und Partner beteiligt, ein IT-Dienstleister des Autoherstellers aus Stuttgart.
Sevenventures, Investment-Arm von Pro Sieben Sat1, hat gerade in Flairelle investiert und den Aufbau des Start-ups aus Hannover mehrere Monate begleitet. Über Partnerschaften mit dem Event-Portal des Münchner Senders Mydays sowie dessen Reiseangeboten Weg.de, Ferien.de oder Tropo.de kann der Shop sein Angebot um Reisen für die Flitterwochen anreichern.
Seit dem Start im Januar wachsen die Einnahmen stetig, zurzeit liegen sie bei 30.000 Euro im Monat. "Unsere Kunden sind im Schnitt 30 Jahre alt, wohnen mehrheitlich in kleineren Städten oder auf dem Land", berichtet Mitgründer Heumann. „Fast die Hälfte von ihnen kauft inzwischen mobil ein.“ Das ist die nächste Herausforderung der Online-Hochzeiter: die langweiligen, statischen Seiten zu mobilisieren und endlich so opulent und stimmungsvoll zu gestalten wie ein unvergessliches Hochzeitsfest.



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