Causa Meineimpfungen.ch 20.06.2022, 13:03 Uhr

Mit einem angeblich letzten Versuch sollen die Impfdaten gerettet werden

Der EDÖB hat seine Löschempfehlung zurückgezogen, die Gesundheitsbehörden starten einen «letzten Versuch» zur Rettung der Impfdaten. Die Daten sind mittlerweile bei der EPD-Stammgemeinschaft eHealth Aargau. Das sagt Rechtsanwalt Martin Steiger dazu.
Diese «Baustelle» nimmt irgendwie kein Ende
(Quelle: Screenshot/PCtipp.ch)
In der Causa Meineimpfungen gibt es mal wieder Neues zu berichten. Quasi im letzten Moment sollen die Impfdaten doch noch gerettet werden. Durch das Konkursverfahren der Stiftung meineimpfungen werden Impfdaten von Schweizerinnen und Schweizern, die bisher noch nicht zurückgegeben wurden, vermutlich verloren gehen. 
Die Stammgemeinschaft eHealth Aargau (EPD-Anbieterin), das Departement Gesundheit und Soziales des Kantons Aargau sowie das Bundesamt für Gesundheit (BAG) wollen sich jetzt für eine Rettung der Impfdaten einsetzen, heisst es in einer Mitteilung des Kantons Aargau vom Montagmorgen. 
Demnach haben die Parteien eine Vereinbarung unterzeichnet und diese dem Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten (EDÖB) vorgelegt. Im Rahmen eines Vorprojekts prüfe die Stammgemeinschaft eHealth Aargau (SteHAG) gemeinsam mit dem BAG sowie allfälligen weiteren Stammgemeinschaften und Kantonen, ob sich diese Daten in einem Zustand befänden, der eine Rettung zulässt. 

Konkursamt hat Daten dem Kanton Aargau überlassen

Pikant: Laut Communiqué des Kantons Aargau soll das zuständige Konkursamt Bern-Mittelland – mit Zustimmung des EDÖB – die Daten dem Kanton Aargau übertragen, welcher durch das Departement Gesundheit und Soziales (DGS) vertreten wird.
Tatsächlich hat der EDÖB die Löschempfehlung aufgehoben, wie es in dieser Mitteilung heisst. Demzufolge nutzen die Gesundheitsbehörden auf Einladung des Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten «einen letzten Versuch zur Rettung der Impfdaten». 
Durch die erwähnte Vereinbarung von SteHAG, DGS und BAG soll verhindert werden, dass die Impfdaten mit dem Abschluss des Liquidationsverfahrens definitiv vernichtet werden. Was etwas irritiert: In der Mitteilung heisst es weiter «Der Kanton Aargau stellt die Daten der SteHAG unter Einhaltung des Datenschutzes für die Prüfung zur Verfügung». Die SteHAG ist eine Stammgemeinschaft für das elektronische Patientendossier (EPD).

Rettung muss «wirtschaftlich» sein

«Die Rettung muss wirtschaftlich und technisch sinnvoll machbar sein und vor allem sicherstellen, dass die Datenschutzrechte der betroffenen Personen jederzeit vollständig gewahrt bleiben. Vertretungen seitens des eidgenössischen sowie des kantonalen Datenschutzes werden im Vorprojekt beigezogen», heisst es im Communiqué des Departements Gesundheit und Soziales des Kantons Aargau weiter.
Sollte diese Prüfung negativ ausfallen «verpflichtet sich die SteHAG, sämtliche Daten nachweislich und datenschutzkonform zu vernichten.»
Sollte die Prüfung jedoch positiv ausfallen, wird ein Folgeprojekt gestartet. Darin soll die Umsetzung der Datenschutzrechte von betroffenen Schweizerinnen und Schweizern ermöglicht werden.
Was das nun konkret für Sie heisst, wenn Sie Impfdaten auf meineimpfungen.ch gespeichert hatten und was der Rechtsanwalt Martin Steiger von Steiger Legal zur Datenweitergabe am die Stammgemeinschaft eHealth Aargau meint, lesen Sie auf der nächsten Seite.

Auskunftsbegehren stellen sowie Einschätzung von Rechtsanwalt Martin Steiger

Können Sie ein Auskunfts- oder Löschbegehren stellen?

Momentan nicht. Im Rahmen des Vorprojekts können laut Departement Gesundheit und Soziales keine Auskunfts- und Löschbegehren beantwortet werden, so das DGS. Sollte die Prüfung jedoch positiv ausfallen und das Folgeprojekt aufgegleist werden, schon. «Falls von den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern gewünscht, wird im Folgeprojekt eine datenschutzkonforme Möglichkeit angeboten werden, die eigenen Impfdaten in ein elektronisches Patientendossier zu übernehmen.»

War die Weitergabe der Daten rechtens?

Dass nach einer Löschempfehlung des Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten die Daten nun plötzlich doch weitergegeben wurden, wundert auch dem hiesigen Rechtsanwalt Martin Steiger auf Twitter.
PCtipp hat mit Martin Steiger gesprochen. Am 31. Mai 2022 hatte der Rechtsanwalt gegenüber dem Konkursamt Bern-Mittelland in einem Schreiben einer Weitergabe seiner Daten widersprochen und die Löschung gefordert. Sein Schreiben sei in Kopie an den EDÖB gegangen. Das zuständige Konkursamt antwortete am 9. Juni 2022. Im Schreiben heisst es, dass die Konkursverwaltung die Löschempfehlung des EDÖB akzeptiert habe und «bis auf Weiteres kein Freihanderkauf der Impfdaten erfolgt sowie jegliche Datenbearbeitung unterlassen wird, ausser einer vollständigen Löschung der Impfdaten». Beide Briefe liegen PCtipp vor. 
Doch nun wurden Daten weitergegeben und liegen jetzt bei der Stammgemeinschaft eHealth Aargau. Die SteHAG ist ein gemeinnütziger Verein, dem über 80 Aargauer Leistungserbringer im Gesundheitswesen angeschlossen sind. Die SteHAG koordiniert das elektronische Patientendossier (EPD), welches im Aargau unter dem Namen «emedo» umgesetzt wird. 
«Ich muss davon ausgehen, vom Konkursamt belogen worden zu sein», so Steiger zu PCtipp.ch. «Mir ist nicht klar, wie dieser ganze Vorgang rechtskonform ablaufen konnte und kann. Mir ist auch nicht klar, wie der EDÖB diesem Vorgang seinen Segen erteilen konnte. Immerhin hatte der EDÖB vor einigen Wochen mitgeteilt, dass er davon ausgehen müsse, dass jede weitere Bearbeitung zu Persönlichkeitsverletzungen führen werde, weil die Integrität der Daten nicht gewährleistet sei», so der Rechtsanwalt weiter. In jedem Fall gehe er davon aus, dass insbesondere das BAG froh sei, die Angelegenheit nun vom Tisch zu haben. 
Die Stiftung meineimpfungen musste letztlich Konkurs anmelden, da die finanziellen Mittel ausgingen, nachdem das BAG die Mittel gekappt und der EDÖB ein formelles Verfahren eingeleitet hatte.
Ende März 2021 hatte das Online-Magazin «Republik» enthüllt, dass die Plattform Meineimpfungen.ch Sicherheitsmängel aufweist und die Anforderungen an den Datenschutz nicht erfüllt (PCtipp berichtete). Rund 450'000 Personen hatten Ihre Impfdaten auf der Plattform gespeichert. Betroffen war auch die Smartphone-App myViavac. Im Mai musste die Stiftung die Plattform Meineimpfungen.ch endgültig vom Netz nehmen (PCtipp berichtete).
Haben Sie Ihre Impfdaten auf meineimpfungen.ch hinterlegt und Ihre Daten wurden bisher weder gelöscht noch an Sie zurückgegeben? Was halten Sie von den Bemühung der Stammgemeinschaft eHealth Aargau, dem Kanton Aargau und dem BAG? Teilen Sie es uns via Kommentar-Button (ganz unten auf der Seite) mit.





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