03.12.2013, 00:00 Uhr

Telekommunikationsverband macht auf nachteilige Rahmenbedingungen für Schweizer Mobilfunkbetreiber aufmerksam

Zirka alle zwölf Monate verdoppelt sich die Datenlast auf den Schweizer Mobilfunknetzen. Um ihren rund zehn Millionen Kunden ein gutes Mobilfunkerlebnis bieten zu können, müssen die Mobilfunkbetreiber Orange, Sunrise und Swisscom daher ihre Netze kontinuierlich ausbauen. Erstmals belegen nun methodische Vergleiche mit den Nachbarländern, dass in der Schweiz der Umweltschutz, das Baurecht und die Raumplanung die Entwicklung der Mobilfunknetze deutlich erschweren, verzögern und verteuern. Das Forum Mobil, die Mobilfunkbetreiber und der Schweizerische Verband der Telekommunikation asut fordern deshalb eine Überprüfung der geltenden Rahmenbedingungen.
Das Handy wird heute schon lange nicht mehr nur zum Telefonieren genutzt: Man greift von unterwegs auf E-Mails zu, surft im Internet, logt sich ins Firmennetz ein oder lädt Dokumente hoch. Der wachsende Kommunikationshunger führt zu steigenden Datenvolumen auf den Mobilfunknetzen. Die Mobilfunkanbieter bauen ihre Infrastruktur deshalb laufend aus. Dazu ermöglichen neue Funkkonzessionen, welche 2012 für fast eine Milliarde Schweizer Franken versteigert wurden, die Einführung neuer Technologien und Frequenzen.
 
Der Ausbau der Mobilfunknetze wird durch zahlreiche Gesetze, Verordnungen und Auflagen reglementiert. Die Beratungsunternehmen PriceWaterhouseCoopers Schweiz (PwC) und Ecosens haben die Auswirkungen dieser Reglemente auf den Ausbau der Mobilfunknetze untersucht und mit jenen des benachbarten Auslandes verglichen.
 
NISV ist der grösste Kostentreiber

Die PwC-Schweiz-Studie untersuchte mit einem innovativen Modellansatz die Mehrkosten beim Bau, Betrieb und Unterhalt von Mobilfunkanlagen in der Schweiz im Vergleich mit den Nachbarländern Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich. Im Modellansatz wurde ein Schweizer Mobilfunknetz unter ausländischen Rahmenbedingungen modelliert. Berücksichtigt wurden relevante Einflussfaktoren wie beispielsweise Topographie, Bevölkerungsverteilung oder Breitbandnutzung sowie rechtliche Vorgaben aus Umweltschutz, Baurecht und Raumplanung.
 
Basierend auf diesem Modellansatz konnten folgende wesentliche Kostentreiber identifiziert und quantifiziert werden:

?   Der Bau und Betrieb eines Mobilfunknetzes in der Schweiz verursacht zwischen 40% und 110% höhere Kosten als in den Vergleichsländern Deutschland, Österreich, Italien und Frankreich.

?   Grösster Kostentreiber ist die Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV). Auch in Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich wird die Sendeleistung durch Grenzwerte limitiert. Aber erst das umfassende Regelwerk der Schweiz hat zur Folge, dass die notwendigen Kapazitätserweiterungen bei bestehenden Standorten nicht vorgenommen werden können und damit viele zusätzliche Handyantennen notwendig werden.

?   Neben der NISV sind die anspruchsvolle Schweizer Topographie und die Siedlungsentwicklung weitere Gründe für hohe Ausbaukosten im Mobilfunk. Bei der Besiedelung spielen überraschenderweise die Grenzgebiete eine wichtige Rolle: In der Schweiz leben sehr viele Menschen entlang der Landesgrenzen und gleichzeitig stehen dort aus technischen Gründen weniger nutzbare Frequenzen zur Verfügung. Deshalb müssen die Schweizer Mobilfunkanbieter mehr Antennen in Grenzgebieten bauen, als die Betreiber in den Nachbarländern.

?   Der Datenkonsum auf dem Mobilfunknetz steigt stetig und dieser Trend ist ungebrochen. Prognosen rechnen damit, dass die Datenlast in einigen Jahren gar um den Faktor 8 zugenommen haben wird. Die Bewältigung dieser Datenmenge würde ohne neue Technologien oder Frequenzen zu einer Vervierfachung der Kosten in der Schweiz führen. Dies ist ein deutlicher Hinweis, dass LTE oder andere Technologien rasch eingeführt werden müssen.
  
Strengerer Schweizer Bewilligungsprozess

Das Beratungsunternehmen Ecosens analysierte den Bewilligungsprozess für Mobilfunkanlagen in den Ländern Schweiz, Deutschland und Österreich, um qualitative Aussagen zu den Unterschieden machen zu können. Dies führte zu folgenden Erkenntnissen:

?   Im Vergleich zum Ausland ist der Bewilligungsprozess in der Schweiz wesentlich strenger reguliert. Zudem haben die Gemeinden deutlich grössere Möglichkeiten, mit planerischen Instrumenten auf die Positionierung der Handyantennen Einfluss zu nehmen. Dies führt zu verlängerten Verfahren und höheren Kosten.

?   Die Schweizer Grenzwerte schränken nicht nur die Sendeleistung einer Sendeanlage ein, sondern haben auch zur Folge, dass an bestehenden Standorten keine Ausbaureserven mehr vorhanden sind. Während in Österreich die neue LTE-Technologie vorwiegend auf bestehenden Standorten realisiert wird und in Deutschland immerhin 80% der Standorte mit LTE nachgerüstet werden können, kann in der Schweiz bei zwei Dritteln der Anlagen kein vollständiger LTE-Ausbau erfolgen.

?   Stark erschwerend gegenüber Deutschland und Österreich sind die schweizerischen Bewilligungsverfahren sowie die raumplanerischen Kompetenzen und Instrumente der Gemeinden wie Moratorien, Kaskadenmodelle u.a., welche die Schweizer Gemeinden zunehmend nutzen. Grundsätzlich sind auch in Deutschland Baugenehmigungen notwendig. Es existieren aber Ausnahmeregelungen, so dass zwei Drittel der Standorte auf Hausdächern ohne Baugenehmigung ? jedoch mit einer Betriebsbewilligung der Bundesnetzagentur ? erstellt und betrieben werden können. In Österreich können zudem bestehende Anlagen meist ohne neue Baugenehmigung angepasst und mit neuen Technologien erweitert werden. Raumplanerische Instrumente wie Planungszonen, die zu jahrelangen Baustopps führen können, sind in Deutschland und Österreich unbekannt. Damit ist es dort ? im Gegensatz zur Schweiz ? auch nicht möglich, die Mobilfunkbetreiber faktisch aus den Gemeinden auszusperren.
In der Schweiz sind in den letzten 15 Jahren drei flächendeckende Mobilfunknetze aufgebaut worden. Diese Netze können den zukünftigen Datenverkehr nur bewältigen, wenn die Standorte rasch moderat ausgebaut werden dürfen. Dazu müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen angepasst werden. Die Branche fordert daher eine Überprüfung der NISV und ihrer Ausführungsbestimmungen sowie der Bewilligungsverfahren und der raumplanerischen Auflagen und Instrumente.
 
Mögliche Ansatzpunkte sind eine zentrale Bewilligungsbehörde wie in Deutschland, Ausnahmen bei den Bewilligungsverfahren oder ein differenziertes Vorsorgeprinzip, das den technischen Entwicklungen und der aktuellen wissenschaftlichen Einschätzung Rechnung trägt. In diesem Rahmen sollen auch die Grenzwerte überprüft werden. Eine Diskussion über Erleichterungen für den Ausbau der Mobilfunkinfrastruktur könnte beispielsweise an einem runden Tisch geführt werden.

Wenn die Kombination von Bewilligungsverfahren, NISV und Raumplanung den Ausbau des Mobilfunks in der Schweiz im Vergleich zu den Nachbarländern weiter stark einschränkt und erschwert, wird die Entwicklung der Mobilfunknetze kaum mit dem Datenwachstum Schritt halten können. Als Folge davon wird die Versorgungsqualität und damit die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit als auch die Standortattraktivität der Schweiz sinken. (ph) http://www.asut.ch



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