Report 09.02.2017, 10:24 Uhr

Smartphone-Markt: Das sind die neuen Herausforderer aus Fernost

Neben dem Riesen Huawei, der aktuell den Smartphone-Markt aufrollt, gibt es in China einige weitere Hersteller, die sich bald auf den Weg nach Europa machen könnten. Online PC stellt die neuen Herausforderer vor.
(Quelle: Nitchakul Sangphet - Shutterstock)
US-Präsident Donald Trump verlangte im Wahlkampf publikumswirksam, dass Unternehmen ihre Produktion wieder in die USA verlegen sollen. Als Paradebeispiel diente ihm neben der Auto­industrie das iPhone, das die US-Firma Apple in China von Foxconn mit Komponenten aus Asien bauen lässt. Doch selbst wenn er wollte: Trump könnte gar kein US-Smartphone kaufen, denn ohne China läuft in diesem Business nichts mehr.
Das gilt schon lange für die Produktion, die primär von Auftragsfertigern wie ­Foxconn in Südchina erfolgt. Laut Credit ­Suisse entstanden in China im vergangenen Jahr 832 Millionen der 1,4 Milliarden weltweit produzierten Smartphones. Noch 2011 waren es gerade einmal 88 Millionen.
Doch längst ist China nicht mehr nur die Werkbank der Elektronikindustrie: Mit Huawei hat das Land den drittgrössten Smartphone-Hersteller der Welt, der selbst entwickelt und technologische Standards setzt. Auch der Rest der wichtigen Hersteller kommt grösstenteils aus dem Reich der Mitte, Ausnahmen sind Südkorea mit Samsung und LG, Japan mit Sony und die USA mit Apple. Doch selbst auf deren Geräten steht oft „Made in China“.

Damals in Deutschland

Zum Beginn des Mobilfunk-Booms vor 20 Jahren war das noch ganz anders. Ob Motorola in Flensburg, Nokia in Bochum oder Siemens in Kamp-Lintfort: Deutschland war ein wichtiger Standort für die Produktion von Handys. Auch andere europäische Länder wie Finnland, Schweden oder Frankreich spielten eine führende Rolle. Geblieben sind leere Werkshallen und ein paar Namen. So gibt es zwar noch Smartphones namens Alcatel, doch hinter der Traditionsmarke verbirgt sich längst der chinesische Konzern TCL. Die Hardware-Sparte von Motorola ging an den IT-Riesen Lenovo aus China und selbst das anstehende Smartphone-Comeback von Nokia basiert massgeblich auf der Produktion und Entwicklung bei einer Foxconn-Tochter in China.

China: Der grösste Markt der Welt

Die Ursachen für diesen Aufstieg sind vielfältig. Zunächst einmal ist der Markt in China mit Abstand der grösste der Welt. Laut GfK wurden 2016 dort 445 Millionen Geräte verkauft – das sind mehr als doppelt so viele wie in allen europäischen Ländern zusammen. Auch wenn sich die Wachstumsraten im vergangenen Jahr verlangsamt haben, ist das Potenzial immer noch gigantisch, denn momentan ­besitzen laut Statista DMO weniger als 45 Prozent der knapp 1,4 Milliarden Chinesen ein Smartphone.
Gleichzeitig ist der chinesische Smartphone-Markt inzwischen der am härtesten umkämpfte der Welt: Mehr als 40 Hersteller buhlen um die Gunst einer in hohem Masse unterschiedlich strukturierten Kundschaft. Denn einmal gibt es in China einen grossen Bedarf an Einsteigergeräten für weniger kaufkräftige Kunden, die bisher nicht einmal ein Festnetztelefon hatten, gleichzeitig tummeln sich gerade in den Metropolen überdurchschnittlich viele junge Käufer, die von Technik begeistert sind und auch Markenprodukte als Statussymbol sehr schätzen.
Was mit diesem Potenzial möglich ist, zeigte der einheimische Hersteller Xiaomi, als er im Jahr 2015 in einem „Flash Sale“ im Internet in 24 Stunden 2,11 Millionen Geräte verkaufte.
Doch solche Erfolge können schnell Geschichte sein, denn ein grosses Problem ist die mangelnde Markenloyalität chinesischer Käufer, die extreme Bewegungen bei den Marktanteilen verursacht. Xiaomi etwa war 2015 in drei Quartalen Marktführer, wurde dann aber von den Konkurrenten Huawei, Oppo und Vivo überholt und ist aktuell nur noch Vierter. Auch die ausländischen Hersteller kämpfen mit den unberechenbaren Kunden, Apple etwa musste nach Anfangserfolgen erleben, wie die iPhone-Verkäufe 2016 einbrachen. Zu diesem Verhalten kommen immer wieder gesamtwirtschaftliche und politische Entwicklungen, die den Absatz beeinflussen.

Schritt über die Grenzen

Für die einheimischen Marken ist der Schritt über die Grenzen deshalb oft unerlässlich, um mehr Stabilität ins Geschäft zu bringen. Vor allem Huawei und ZTE haben das früh erkannt und bauen inzwischen stärker auf den Export als viele andere einheimische Marken. Aufgrund der erfolgreichen Strategie im IT-Bereich erwartete die Smartphone-Branche das eigentlich auch für Lenovo, doch der Gigant hielt sich in Europa auch nach der Übernahme der Smartphone-Marke Motorola auffällig lange zurück.
Der naheliegende Weg führt viele chinesische Anbieter zudem erst einmal in andere Länder Ostasiens – ausser Japan und Südkorea – mit ihren starken einheimischen Marken. Zuletzt nahmen sie vor allem Indien ins Visier, wo es noch ein sehr grosses Käuferpotenzial gibt.
Deutschland gilt in China als besonders anspruchsvoller Markt, weswegen Erfolge hierzulande auch hoch eingeschätzt werden. Der inzwischen grösste chinesische Hersteller Huawei hat das erkannt und ging mit Smartphones zunächst zögerlich, dann aber mit einer immer stärkeren Präsenz ins Rennen. Dazu gehörten der Einsatz von viel deutschem Personal und der Aufbau der Marke auch im Handel. Mit Honor schickte Huawei 2015 zudem eine zweite Marke ins Rennen, die über den Online-Vertrieb vor allem jüngere Käufer ansprechen soll.
Auch der Elektronikhersteller TCL blickt mit seiner ursprünglich französischen Marke Alcatel, die bis vor einem Jahr als Alcatel Onetouch vermarktet wurde, auf eine längere Geschichte zurück. Phicomm hat ebenfalls seit einigen Jahren eine relativ kleine Präsenz im deutschen Smartphone-Markt. Haier und Hisense, die vor allem mit Haushaltsgeräten und Unterhaltungselektronik erfolgreich sind, bieten Smartphones eher als Ergänzung dieses Portfolios insbesondere über die Einkaufskooperationen an.
Zu den letzten Newcomern in Deutschland zählt dagegen Coolpad. Der Hersteller verkauft seit etwas mehr als einem Jahr hierzulande auch über die Distribution an den Fachhandel.
Doch die Smartphone-Branche wartet auf weitere mögliche Neulinge in Deutschland, wie Oppo, Vivo oder OnePlus, die alle zur BBK-Gruppe gehören. Auch Xiaomi wird immer wieder genannt. LeEco mit seiner Marke LeMobile dagegen scheint den eigentlich für 2017 geplanten Schritt nach Deutschland wieder aufgegeben zu haben, obwohl bereits erstes Personal re­krutiert wurde.
Das zeigt, dass der Weg nach Europa nicht so einfach ist, wie sich das manche in China vorstellen. Denn es muss nicht nur eine hierzulande unbekannte Marke aufgebaut werden, sondern es müssen auch Strukturen im Vertrieb und im Service entstehen. Dass all dies nicht unmöglich ist, zeigt der Erfolg von Huawei.

Die Herausforderer im Überblick:

  • Die Oppo Electronics Corp. wurde als Tochter von BBK Electronics 2001 in Dongguang gegründet und baut seit 2008 Handys. Im Jahr 2016 war Oppo auf dem heimischen Smartphone-Markt zeitweise sogar Spitzenreiter. In Europa werden die Geräte aber nur in geringem Masse angeboten.

  • OnePlus gehört ebenfalls zum BBK-Konzern beziehungsweise zur Submarke Oppo und wurde 2013 in Shenzhen gegründet. Die Plattformen der Smartphones stimmen deshalb teilweise mit Oppo überein. Die Marke ist begrenzt auch in Europa aktiv, es gibt immerhin einen Online-Shop auf Deutsch.

  • Meizu begann 2003 in Zhuhai mit der Produktion von MP3-Playern, richtet den Fokus aber seit 2008 auf Smartphones. Grösster Anteilseigner ist die chinesische Handelsplattform Alibaba. Mit Flyme OS hat Meizu eine Benutzeroberfläche mit umfangreichen Modifikationen von Android.

  • LeMobile ist eine Marke von LeEco, einem 2004 gegründeten Konzern, der vor allem mit Streaming-Diensten in China gross wurde. Offenbar hatte das Unternehmen Pläne, 2017 auch in Deutschland Smartphone und Content zu verkaufen, und erstes Personal rekrutiert, doch dieses Vorhaben liegt angesichts der Probleme des Mutterkonzerns zurzeit auf Eis.

  • Der Hersteller Xiaomi wurde 2010 in Beijing gegründet, im August 2011 kam mit dem M1 das erste Smartphone auf den Markt. Bereits 2014 war man zeitweise drittgrösster Smartphone-Hersteller der Welt und Nummer eins in China, konnte diese Positionen aber nicht dauerhaft halten. Xiaomi versucht in der Heimat mit anspruchsvollen Geräten ein Apple-ähnliches Image zu erreichen.

  • Auch Vivo ist eine Tochter der BBK Electronics und damit ein Schwesterunternehmen von Oppo. Seit 2009 ist man auf Smartphones spezialisiert und setzt vor allem auf die HiFi-Qualitäten der Geräte sowie technische Besonderheiten wie eine doppelte 20-Megapixel-Frontcam für Selfies im V5 Plus. Die internationalen Aktivitäten beschränken sich derzeit noch auf Ostasien und Indien.




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