Digitalwelt in Zahlen 06.06.2017, 11:01 Uhr

Snap-CEO Evan Spiegel: Poster Boy und Revolutionär

Könnte schlechter laufen: Evan Spiegel ist Gründer und CEO von Snap und seit Kurzem auch noch Ehemann von Model Miranda Kerr. Mit 25 war er der jüngste Milliardär der Welt. In der Digital-Branche hat er jedoch nicht nur Freunde.
Die Snapchat-Gründer Evan Spiegel (v.li.) und Robert Murphy
(Quelle: shutterstock.com/Debby Wong)
Arroganz muss man sich leisten können - das gilt auch für Wunderkinder wie Evan Spiegel. Vor drei Monaten startete seine Firma Snap unter grossem Getöse an der Wall Street. Auch der erste Finanzbericht der Snapchat-Mutter fand grosse Resonanz. Allerdings konnte der 27-jährige Gründer und CEO nicht die erhofften Zahlen präsentieren: Ein massiver Verlust von 2,2 Milliarden US-Dollar und ein zu langsames Wachstum bei der Nutzerzahl sorgte für einen heftigen Einbruch des Aktienkurses - um bis zu 24 Prozent. TechCrunch verglich Snap gar mit dem Ex-Social-Media-Liebling Twitter, auf den Spiegel abschätzig herabblickt. "Snapchat ist das neue, sture, langsam wachsende Twitter", so das Tech-Portal.
Ebenso vernichtend waren auch die Reaktionen auf die überhebliche Präsentation von Spiegel selbst. Vor allem CNBC-Starmoderator James Cramer brachte die Vorstellung auf die Palme. Er bezeichnete den Internet-Unternehmer als "so arrogant" und hielt ihm eine regelrechte Standpauke: "Evan Spiegel, hör gut zu. Du kündigst deinen Auftritt beim Conference Call nächstes Mal an. Danach hältst du dich zurück und lässt deinen Finanzchef reden. Und wenn du dich dann wieder in den Call zuschaltest, sagst du: 'Schaut mal, ich habe meinen Job nicht gemacht, aber ich werde in Zukunft härter arbeiten.'"

Poster Boy

Evan Spiegel kommt aus einer wohlhabenden Familie. Im Alter von 25 war Spiegel der jüngste Milliardär der Welt. Er gilt in der Tech-Szene des Silicon Valley als "Poster Boy" - smart, selbstbewusst und innovativ, aber auch unreif, ein Schönling, der lieber im Scheinwerferlicht badet. "Ich bin ein junger und gebildeter, weisser, männlicher Amerikaner", erklärte Spiegel einst auf einer Stanford Business-Konferenz, "Ich hatte wirklich Glück. Das Leben ist nun mal nicht fair."
An der Stanford Universität lernte Spiegel vor allem die Kunst des Networking und kam so mit Personen wie dem ehemaligen Executive Chairman von Google Eric Schmidt oder YouTube-Mitgründer Chad Hurley in Kontakt. Snapchat gründete der Anwaltssohn dann in seinem Stanford-Studentenwohnheim zusammen mit seinen Kommilitonen Reggie Brown und Robert "Bobby" Murphy. Erste Image-Schäden verursachte schon bald darauf ein Leak des Tech Blogs Valleywag, der E-Mails des damals 23-Jährigen mit frauenfeindlichen und homophoben Äusserungen veröffentlichte. Spiegel entschuldigte sich umfangreich.
Im Gegensatz zu Zuckerberg ist der Snap-Chef kein "Geek", der in seiner Freizeit gerne Bücher liest und Mandarin lernt. Spiegel liebt schnelle und teure Autos, vergnügt sich auf Reisen und macht Schlagzeilen mit Liaisons mit Taylor Swift - oder aktuell mit Model-Ehefrau Miranda Kerr.

Kreativ, jung und hip

Auch wenn der Poster Boy Gala, Bunte und Co viel Material liefert, ist Evan Spiegel ein Internet-Unternehmer und Revolutionär, der mit Snapchat einen Home-Run erzielte. Die App war und ist kreativ, jung und hip und definierte die Art und Weise, wie Teenager kommunizieren, völlig neu. Das Unternehmen hatte im ersten Quartal 2017 täglich 166 Millionen täglich aktive Nutzer weltweit, davon über 55 Millionen in Europa. Die Snapchat-Community verbringt täglich durchschnittlich über 30 Minuten auf Snapchat. Jeden Tag werden drei Milliarden Snaps aufgenommen.
Ging es ursprünglich nur darum, selbst löschende Bilder und Videos zu verschicken, vertreiben sich die Nutzer inzwischen mit verschiedenen Dingen die Zeit. Rund 87 Prozent der von RUF-Jugendreisen befragten Jugendlichen und jungen Erwachsenen etwa gaben an, auf Snapchat Stories von Freunden anzuschauen. 43,4 Prozent setzen eher auf Stars, 9,4 Prozent auf Unternehmen.
Quelle: Statista

Ran an die Werbegelder

Jede Menge Daten, jede Menge Influencer: Die Entwicklung weckt längst auch bei namhaften Marken und Unternehmen Begehrlichkeiten. Eine Werbe-API gibt es bei Snapchat bereits seit Juni 2016. Im Februar 2017 kam eine Self-Service-Werbeplattform dazu, mit der Agenturen und Werbungtreibende Kampagnen eigenständig buchen können und so eine bessere Kontrolle über Budgets bekommen sollen. Mit dem Launch der Plattform können Werbeflächen nun erstmals über Drittanbieter erworben werden: Statt einen direkten Deal mit Snapchat zu machen, können Werbungtreibende über die Software von Dritten ihre Werbeplätze kaufen und Video-Kampagnen verwalten.
Rund 100 Marken würden schon die Snapchat API nutzen, aktuell sollen 16 AdTech-Partner an Bord sein, darunter Kenshoo, Kinetic, AdParlor, HyFn und Videology. Erst vor wenigen Tagen gab das Unternehmen ausserdem bekannt, das Thema Brand Safety stärker zu forcieren und dafür jetzt offiziell mit Integral Ad Science, Double Verify und Moat zu kooperieren. Laut einer Prognose von eMarketer werden sich die Werbeumsätze des Instant-Messaging-Dienstes 2017 auf knapp 936 Millionen US-Dollar belaufen.
Werbeumsatz von Snapchat weltweit (in Millionen US-Dollar):
Quelle: Statista
Ob Snapchat bei der Monetarisierung ein ähnliches Schicksal wie Twitter droht, bleibt abzuwarten. Hardware-Produkte wie die "Spectacles" werden das Unternehmen jedenfalls nicht profitabel machen.
Evan Spiegel selbst muss sich jetzt vor allem auf den Wettbewerb fokussieren: Facebook, Instagram und WhatsApp sind die grossen Rivalen, die nicht nur fleissig kopieren - Stichwort Stories -, sondern aktuell in allen Belangen deutlich erfolgreicher sind. Ironie pur - wollte doch einst Zuckerberg Snapchat für immerhin drei Milliarden US-Dollar kaufen.
Dass Spiegel das Angebot damals ausschlug, gilt heute als genial - bleibt nur die Frage: Wie lange noch? Aktuell liegt der Umsatz pro Nutzer bei Snapchat bei 0,90 US-Dollar. Zum Vergleich: Google kommt auf 6,70 US-Dollar, Facebook auf 4,70 US-Dollar und selbst Twitter liegt mit 2,00 US-Dollar deutlich darüber. Evan Spiegel selbst würde dazu wohl sagen: "Das Leben ist nun mal nicht fair."




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